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Schwierige Arbeitsaufnahme in Bosnien

15. September 2010

Beziehungen erleichtern die Jobsuche. Doch in Bosnien ist es fast unmöglich ohne Beziehungen eine Arbeit zu finden, besonders im öffentlichen Dienst.

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Grüner Hintergrund mit der Aufschrift Vitamin B (Foto: DW)
Manche Bosnier sollen nur auf Beziehungen setzen

Alma Adilovic-Crnomerovic ist eine von über 500.000 registrierten Arbeitslosen in Bosnien-Herzegowina. "Seit April 2010 bin ich beim Arbeitsamt gemeldet. Von dem habe ich nie ein Stellenangebot bekommen. Also habe ich mich auf eigene Initiative beworben. Aber eine Arbeit habe ich trotzdem nicht bekommen", klagt die Verkehrsingenieurin Alma. Unter der Bedingung anonym zu bleiben ergänzt eine diplomierte Juristin aus Sarajewo, wie sie sich seit mehr als einem Jahr erfolglos auf öffentliche Stellenausschreibungen bewirbt. Sie ist nun zu der Überzeugung gelangt, dass sie ohne Beziehungen keine Arbeit bekommen wird. "Die Ausschreibungen sind reine Formalität. Es werden Leute angestellt nach persönlicher Neigung und nicht nach fachlicher Eignung. Und so lange Stellen an Freunde und Verwandte vergeben werden, haben Leute wie ich keine Chance, eine Arbeit zu finden", sagt die Juristin.

Raum für Manipulationen

Bewerbungsschreiben wird vom Bewerber unterschrieben (Foto: Bilderbox)
Qualifikation und Erfahrung sind nicht allesBild: Bilderbox

Auch die Lehrerin Meliha Tavama leidet unter der Vetternwirtschaft. Seit elf Jahren sucht sie eine Festanstellung in ihrem Beruf. Vor kurzem bewarb sie sich an einer Grundschule in Zentralbosnien, bekam aber nach dem Vorstellungsgespräch eine Absage. Als Grund vermutet sie Manipulationen, die das Bewerbungsverfahren in Bosnien zulässt. Eine Bewerbung verläuft nach einem Punktesystem. Der Bewerber bekommt Punkte beispielsweise für seine Qualifikation und Berufserfahrung. Darüber hinaus aber auch für den Eindruck, den er hinterlässt. Meliha zufolge ist aber gerade dieser Teil nicht objektiv nachvollziehbar. Und so bekamen Mitbewerberinnen mit viel weniger Qualifikationen und Berufserfahrungen letztendlich die Jobs.

Für Selvedin Satorovic ist dies kein Einzelfall. Sie ist Vorsitzende der Unabhängige Gewerkschaft für Grundschulausbildung. "Wir haben drei schriftliche Anzeigen, dass die Einstellungskriterien an zentralbosnischen Schulen missachtet wurden. Dies sind aktuelle Beispiele für politische Verstrickungen, Vetternwirtschaft sowie Bestechung, die unserem Bildungswesen zu schaffen machen", so Satorovic. Offiziell Stellungnahmen sind bislang strikt abgelehnt worden.

Leere Wahlversprechen?

Sprechblase nur mit Zeichen (Fotomontage: DW)
Kritiker werfen Polikern Phrasendreschen vor

Die Verkehrsingenieurin Alma Adilovic Crnomerovic kann über dieses System und die Politiker nur den Kopf schütteln. Ihr zufolge reduziert sich das Engagement der Politiker für Beschäftigung im öffentlichen Dienst nur auf den Wahlkampf. Dies sei auch aktuell vor den Parlamentswahlen am 3. Oktober zu beobachten. Nach den Wahlen bekämen dann so z.B. ausländische Firmen die Zuschläge für den Ausbau der Infrastrukturprojekte. Allerdings würden diese keine Ortskräfte beschäftigen. "Also kann ich mit meinem technischen Abschluss keine Arbeit finden. Langsam verliere ich die Nerven und fühle mich nutzlos", sagt Alma.

Auf die Folgen von langfristiger Arbeitslosigkeit weist auch die bosnische Psychologin Selma Sinanovic hin. "Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Arbeitslosigkeit zu psychischen und gesundheitlichen Problemen führen kann. Die Intensität dieser Folgen hängt von der Länge der Arbeitslosigkeit ab sowie von der Höhe der finanziellen Unterstützung, die die betroffene Person bekommt", sagt Selma Sinanovic. Die Höhe der Arbeitslosenhilfe ist in Bosnien indes eher symbolisch. Daher entschließen sich viele gut ausgebildete Arbeitssuchende, das Land zu verlassen. Dies bestätigt auch Alma: "Die einzige Lösung sehe ich bedauerlicherweise in einer Arbeit außerhalb von Bosnien. Wenn ich Arbeit im Ausland finden würde, würde ich das Land sofort verlassen." Bosnien zu verlassen ist für die Juristin aus Sarajewo allerdings keine Lösung. "Die einzige richtige Lösung ist der Kampf gegen die Korruption", so die Juristin. Sie träume von dem Augenblick, wenn dieses größte Problem des Landes in Angriff genommen werde.

Autoren: Samir Huseinovic / Mirjana Dikic

Redaktion: Gero Rueter