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Sarrazin legt gegen Migranten nach

29. August 2010

Thilo Sarrazin sorgt schon wieder für Schlagzeilen: "Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen", sagte er in einem Interview. Und in seiner Islam-Schelte legte der Bundesbank-Vorstand noch mal nach. Die Kritik folgte prompt.

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Thilo Sarrazin (Foto: dpa)
Provokateur oder Rassist?Bild: picture-alliance/ dpa

Er kann es offenbar nicht lassen: Seit Tagen sorgt der ehemalige Berliner Finanzsenator und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin für hitzige Debatten in Deutschland. Grund dafür: sein neues Buch "Deutschland schafft sich ab", in dem er muslimische Migranten offen diffamiert. In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" verschärfte er seine Kritik an Muslimen – und ergänzte sie durch neue krude Äußerungen. "Alle Juden teilen ein bestimmtes Gen, Basken haben bestimmte Gene, die sie von anderen unterscheiden", sagte Sarrazin der "Welt am Sonntag". Die kulturelle Eigenart der Völker sei keine Legende, sondern bestimme die Wirklichkeit Europas. Muslimische Migranten würden sich "überall in Europa deutlich schlechter als andere Gruppen von Migranten" integrieren. "Die Ursachen dafür sind nicht ethnisch, sondern liegen offenbar in der Kultur des Islam."

Stephan Kramer (Foto: dpa)
"Rassenwahn" - kommentiert Stephan KramerBild: picture-alliance / dpa

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, sagte zu den neuen Äußerungen: "Wer die Juden über ihr Erbgut zu definieren versucht, auch wenn das vermeintlich positiv gemeint ist, erliegt einem Rassenwahn." Sarrazin versuche nicht zum ersten Mal, Minderheiten zu polarisieren und gegeneinander aufzubringen. Auch der Außenminister Guido Westerwelle mischt sich nun in die Sarrazin-Debatte ein: "Wortmeldungen, die Rassismus oder gar Antisemitismus Vorschub leisten, haben in der politischen Diskussion nichts zu suchen", sagte er der "Bild am Sonntag".

"Rechthaberischer Schwachsinn"

Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zog die weitere Eignung Sarrazins für eine Tätigkeit im Bundesbank-Vorstand in Zweifel: "Jede Provokation hat ihre Grenzen. Diese Grenze hat der Bundesbankvorstand Sarrazin mit dieser ebenso missverständlichen wie unpassenden Äußerung eindeutig überschritten." Der Berliner Senatssprecher Richard Meng sagte: "Es wird immer unsäglicher, was man von ihm hört." Sarrazin gebe "rechthaberischen Schwachsinn" von sich und kenne offenbar keinerlei "Grenzen des politischen Anstands mehr", fügte Meng hinzu.

Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: AP)
"Grenze überschritten", sagt Karl-Theodor zu GuttenbergBild: AP

In seinem neuen Buch "Deutschland schafft sich ab" warnt Sarrazin davor, dass die Deutschen zu "Fremden im eigenen Land" werden könnten. Im Interview erklärte das Noch-SPD-Mitglied unter anderem auch, dass die Einwanderung bis vor wenigen Jahrzehnten für den "Genpool der europäischen Bevölkerung" nur eine geringe Rolle gespielt und sich zudem sehr langsam vollzogen habe. "Es ist nämlich falsch, dass es Einwanderungsbewegungen des Ausmaßes, wie wir sie heute haben, schon immer in Europa gegeben hätte."

"Helmut Schmidt hat sich schon härter geäußert"

In seiner Partei, der SPD, werden die Stimmen für seinen Rauswurf immer lauter. "Das Maß ist voll", sagte der Chef seines Berliner Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf, Christian Gaebler, dem "Spiegel". "Für den Fall, dass Herr Sarrazin nicht freiwillig aus der SPD austritt, bereiten wir ein Parteiausschlussverfahren vor."

Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte ein klares Signal von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Das ist die Krönung eines neuen intellektuellen Rassismus und es schadet Deutschlands Ansehen im Ausland", sagte Kenan Kolat, Chef der Türkischen Gemeinde, der "Frankfurter Rundschau".

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler verteidigte hingegen Sarrazins Thesen: "Auch wenn man ihm nicht in allen Punkten folgen muss: Zum Thema Überforderung Deutschlands durch Einwanderung haben sich Helmut Schmidt, Oskar Lafontaine und auch Rudolf Augstein schon härter geäußert."

Autor: Manfred Götzke (dpa, rtr)
Redaktion: Siegfried Scheithauer