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"Der Geheimdienst macht nur seine Arbeit"

28. August 2010

Der ukrainische Präsident Janukowitsch erhofft sich von seinem Berlin-Besuch mehr Investitionen für sein Land. Rechnen muss er aber vor allem mit Kritik an der Meinungsfreiheit. Im Interview vor dem Besuch wiegelt er ab.

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Viktor Janukowitsch (Foto: AP)
Einschränkung der Meinungsfreiheit? Er will davon nichts wissenBild: AP

Herr Präsident, mit welchen Erwartungen fahren Sie am Montag (30.8.2010) nach Deutschland? Was erhoffen Sie sich von diesem Besuch?

Viktor Janukowitsch: Ich hoffe, dass dieser Besuch uns ermöglichen wird, auch neue Seiten zwischen der Ukraine und Deutschland zu eröffnen. Der Hauptzweck unserer Außenpolitik besteht darin, unsere Verpflichtungen, die wir haben, zu erfüllen. Wir sind dabei, diesen Verpflichtungen wirklich nachzugehen. Eine wichtige Frage, der wir besondere Aufmerksamkeit schenken in der letzten Zeit, ist die Ökonomisierung der ukrainischen Außenpolitik. Das bedeutet konkret, dass der Reformplan, den ich vor Kurzem verkündet habe, dazu dienen soll, neue Möglichkeiten für ausländische Investoren zu schaffen. Wir versuchen, viele bürokratische Hürden zu überwinden, die den Investoren im Wege stehen. Das bisherige System der Zulassungen und Lizenzen hat die Wirtschaft erheblich belastet. Wir haben bereits die Zahl der Lizenzen und verschiedener Zulassungen halbiert. Dieses System wird europäischen Standards entsprechen. Deswegen erwarte ich von dem Besuch in Deutschland nur Positives.

Es wird erwartet, dass die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Sie auf den Fall Nico Lange ansprechen wird. Dem Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung war im Juni am Flughafen von Kiew die Einreise in die Ukraine verweigert worden. Zunächst hieß es, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt. Dann war von Einmischung in die inneren Angelegenheiten die Rede. Was war es denn nun?

Jeder Sicherheitsdienst verrichtet seine Arbeit. Informationen werden ausgetauscht. Konflikte, die entstehen, werden durch Verhandlungen zwischen beiden Seiten gelöst. Wir sollten aus diesem Fall keine Tragödie machen. Für mich ist vor allem wichtig, dass wir sehr schnell agiert haben. Ich habe meine persönlichen Anweisungen an den Stabschef des Sicherheitsdienstes gegeben, auch an den Außenminister. Wir konnten diese Frage sehr schnell mit der deutschen Seite klären und deswegen ist dieser Fall für uns erledigt.

Merkel,. Janukowitsch 2007 (Foto: AP)
Bei seinem Besuch 2007 war er noch MinisterpräsidentBild: AP

Wir hören, dass Sie den Geheimdienstchef Waleri Choroschkowski sanft ermahnt haben nach diesem Vorfall, um das etwas vorsichtig zu sagen. Ist das richtig?

Wenn Konflikte entstehen, muss man vorsichtig vorgehen. Kein Zweifel, da musste gemahnt werden. Und das habe ich auch getan.

Ein Thema, das auch in Deutschland genau beobachtet wird, ist die Frage nach der Pressefreiheit. Journalisten berichten von wachsendem politischem Druck und teilweise auch von Übergriffen, die es gegeben haben soll. Vor Gericht wird darüber gestritten, ob zwei TV-Stationen ihre Lizenzen behalten dürfen. Seit einigen Tagen ist ein Journalist im Osten des Landes verschwunden. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Ich bin der Auffassung, dass alle Konfliktsituationen auf gerichtlichem Wege gelöst werden müssen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in diesen Fällen Druck auf Gerichte ausgeübt wird und dass Gerichte voreingenommen Entscheidungen fällen. Jede Gerichtsentscheidung ist für die Exekutive bindend und auch die Massenmedien müssen sich daran halten. Was die Meinungsfreiheit betrifft, habe ich viele Treffen und Begegnungen und ich frage auch öfters die Journalisten, "sagen Sie mir bitte oder nennen Sie mir bitte konkrete Beispiele, in denen es zu Behinderungen in der Meinungsfreiheit kommt." Für mich ist entscheidend, konkrete Fälle benannt zu bekommen, und bevor ich das habe, wäre es auch nicht korrekt zu urteilen.

Ich habe hier zwei Fälle (Anmerkung der Redaktion: Konrad Schuller, Frankfurter Allgemeine Zeitung). Erstens behauptet der Direktor des TV-Senders TVi, er sei von Leuten des Geheimdienstes überwacht worden. Zweitens höre ich von meinen eigenen Kontaktpersonen in der Ukraine, dass sie von Leuten des Geheimdienstes vorgeladen und über meine Arbeit ausgeforscht wurden. Ich betrachte das als den Versuch, meine Kontaktpersonen einzuschüchtern. Sind Ihnen diese Fälle bekannt und wie würden Sie sie einordnen?

Das höre ich jetzt zum ersten Mal, dass es solche Fälle gibt. Wenn es wirklich solche Fälle gibt, dann ist es notwendig, das auch offiziell zu melden. Was die erste Frage betrifft, also den ersten Vorfall, so scheint es mir kaum realistisch, dass man die Journalisten so beobachtet. Das glaube ich nicht. In jedem Fall hat es keine Fälle gegeben, über die ich informiert wurde. Was die Vorladung der Journalisten beim Geheimdienst der Ukraine angeht, höre ich das auch zum ersten Mal. Ich möchte Sie sehr bitten, mir konkret zu sagen, welcher Journalist vorgeladen wurde und wann und wohin.

Herr Präsident, ich habe diese Fälle schon offiziell dem Geheimdienst SBU vor ein paar Wochen vorgelegt. Anscheinend ist das nicht weitergeleitet worden. Daran schließe ich meine Frage: Glauben Sie, dass nach so vielen Vorfällen Ihr Geheimdienstchef noch der richtige Mann auf dieser Position ist? Auch in Anbetracht seiner Interessenverflechtungen als Geheimdienstchef, Medienunternehmer und Mitglied im Obersten Justizrat?

Ich möchte sagen, dass der Sicherheitschef seine Arbeit ganz normal leistet. Diese Arbeit hat auch keinen Zusammenhang mit der Arbeit von Massenmedien. Was sein Vermögen angeht, also, es ist so, dass er sein Vermögen an die Verwandten übergeben hat, damit das Vermögen verwaltet wird. Wir haben viele Beamte, die eben auch vermögend waren und sind, und laut Gesetz wurde die Verwaltung dieser Vermögen an Treuhänder übergeben. Soweit ich weiß, ist das nicht nur in der Ukraine, sondern auch weltweit so.

Mit dem ukrainischen Präsidenten sprachen Roman Goncharenko (Deutsche Welle), Konrad Schuller (Frankfurter Allgemeine Zeitung) sowie Olaf Bock und Esther Hartbrich (ARD-Studio Moskau)

Redaktion: Pia Gram