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Neues Netz für grünen Strom

27. August 2010

Solar- und Windkraftwerke laufen nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Daher wollen Forscher Ökokraftwerke zu einem europaweiten Stromnetz verknüpfen. Dazu brauchen sie neue Leitungen. Und die sind teuer.

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Supergrid auf Landkarte (Foto: ZDF)

Die Windräder an der Nordsee produzieren Strom für rund eine halbe Million Haushalte in Deutschland. Auch wenn sie deutlich mehr leisten könnten, das Stromnetz ist nicht in der Lage mehr zu verarbeiten. Kommt mehr Windstrom, schaltet es sich ab.

windrad (Foto: ZDF)
Überproduktion - Windräder könnten mehr Strom liefern, dürfen aber nicht

Dieses Problem ist gleichzeitig eines der Hauptargumente der Stromnetzbetreiber, die Kohle und Gas verfeuern. Sie sagen: Nur mit fossiler Energie kann eine sichere Versorgung gewährleistet werden. So lieferten 2009 in Deutschland noch immer Kohle, Gas- und Atomkraftwerke den größten Teil des Stroms. Nur 15 Prozent stammen aus regenerativen Energie-Quellen.

Große Ziele, komplizierte Lösung

Deutschlands Klimaziele stecken höher: Bis 2020 soll der Ökostromanteil bei 40 Prozent liegen. Es muss sich also etwas bewegen, ein sicheres Netz muss her, ein sogenanntes Supergrid.

Forscher am Fraunhofer-Institut in Kassel planen dieses Supernetz, mit dem mehr Ökostrom geliefert werden kann als bisher. Sie sagen sogar, dass die geplanten 40 Prozent Ökostrom weit hinter den Möglichkeiten der erneuerbaren Energien liegen. 100 Prozent grüne Energie für Deutschland - das ist ihr erklärtes Ziel. Ihr Stromnetz hat gigantische Ausmaße, es reicht durch ganz Europa bis hinein nach Nordafrika.

Jürgen Schmid ist einer der wegweisenden Forscher. Er sagt: "Kollegen haben ausgerechnet, dass allein die Standorte in Norwegen ausreichen würden, ganz Europa mit Strom zu versorgen. Allerdings haben wir große Schwankungen. Wir haben dort vor allem größere Erzeugung im Winter und weniger im Sommer. Deshalb hätten wir im Sommer ein Problem und das müssen wir ausgleichen durch Kombination mit Windkraftwerken an anderen Standorten."

Verschiedene Staaten könnten, so hoffen Schmid und seine Kollegen, mit vereinten Kräften Stromlücken ganz einfach schließen. Wind oder Sonne gibt es schließlich überall, und wenn in Deutschland die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, dann vielleicht in Norwegen. Die Energie würde von einem in das andere Land geschickt und sorgt für Licht in der guten Stube oder Kälte im Kühlschrank.

Bau von Stromleitungen (Foto: ZDF)
Supernetz - Über lange Wege nur im Gleichstromverfahren erfolgreich

Teststrecke nach Norwegen

Ob so ein Stromausgleich über Ländergrenzen hinweg funktioniert, werden die Experten bald testen können. Ab 2011 soll es eine Verbindung zwischen Deutschland und Norwegen geben, 600 Kilometer wird sie lang sein.

Das Szenario: Die deutschen Windräder an der Nordsee produzieren zu viel grünen Strom. Der Überschuss wird nach Norwegen geleitet. Hier stellen die Wasserkraftwerke ihre Arbeit ein, schließlich kommt genug Energie über die Nordsee. Die Stauseen füllen sich. Herrscht umgekehrt im deutschen Stromnetz Flaute, laufen die Wasserkraftwerke in den norwegischen Bergen wieder an und produzieren Strom, der dann nach Deutschland exportiert werden kann.

Hoffnung, Kritik und offene Fragen

Sonnensegel (Foto: ZDF)
Nordafrikanische Sonne - Das Supergrid reicht über's Mittelmeer hinaus

In der Theorie klingt es logisch und einfach, in der Praxis aber hat so ein Netz einen teuren Haken: Je länger eine Stromleitung ist, desto mehr Strom kommt nicht beim Empfänger an, sondern geht unterwegs verloren. Zumindest, wenn das Netz mit der üblichen Wechselstromtechnik funktioniert. Im Gleichstromverfahren dagegen geht fast gar nichts verloren. Aber solche Leitungen gibt es bislang nicht. Voraussetzung für ein Supergrid sind daher neue Leitungen, so genannten HGÜs (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung). Und die sind teuer. Es bleibt die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Vor allem, wenn sogar Sonnenstrom aus Nordafrika an das Supergrid angeschlossen werden soll.

Noch ist alles Zukunftsmusik. Weder gibt es das Supergrid schon, noch weiß jemand, wer das Netz verwalten soll, oder wie teuer eine Kilowattstunde Sonnenstrom aus der Wüste im Jahr 2030 sein wird. Dennoch: Forschung und Politik sind sich einig, dass mehr Ökostrom ans Netz kommen soll. Das Supergrid wäre eine adäquate Lösung.

Lesen Sie dazu unser Interview mit Dr. Kurt Rohrig vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel.

Autor: Klaus Esterluß

Redaktion: Mabel Gundlach