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Verunreinigte Infusion in Mainzer Uniklinik

24. August 2010

Die Todesfälle in der Mainzer Universitätsklinik haben eine Debatte über die Hygiene in deutschen Krankenhäusern ausgelöst. Wie konnte so etwas passieren? Und was kann man dagegen tun?

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Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Mainz (Foto: AP)
Das Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik MainzBild: AP

Auf der Intensivstation im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Mainzer Universitätsklinik liegen Säuglinge, die zu früh geboren wurden oder einen Herzfehler haben. Sie alle sind schwerkrank. Die Ärzte ernähren die Babys mit Infusionslösungen, die beispielsweise Magnesium, Kohlenhydrate und Wasser enthalten.

Gefährliche Nährlösung zubereitet

Zwei Mitarbeiter mischen wie jeden Tag die Lösungen für ihre kleinen Patienten in der Krankenhausapotheke zusammen - eine Routinetätigkeit. Sie tragen sterile Kleidung und wechseln mindestens alle 30 Minuten ihre Handschuhe. Das machen sie in einem sogenannten Reinraum. Die Luft in diesem Raum wird gefiltert. Mit einer kleinen Maschine mischen die beiden Mitarbeiter die insgesamt neun Bestandteile der Nährlösung zusammen und füllen sie in Infusionsbeutel. Zuvor müssen an der vollautomatischen Apparatur einige Schläuche mit der Hand zusammengesteckt werden.

An der Hand eines Babys, das auf der Kinder-Intensivstation der Mainzer Universitätsklinik liegt, sind Schläuche für die medizinische Versorgung angebracht (Foto: dpa)
Über solche Infusionen wurden die Babys infiziertBild: picture-alliance/dpa

Von jeder gemischten Infusion wird eine Probe genommen, die dann im hausinternen Institut für Mikrobiologie untersucht wird. Zum einen wird geprüft, ob genau nach Rezept gemischt wurde - zum anderen, ob Keime enthalten sind. Das Problem: Keime lassen sich erst rund 20 Stunden später nachweisen.

Die fertig gemischten Infusionen werden den Babys angelegt. Diese tägliche Routine wiederholt sich auch am späten Freitagnachmittag des 20.08.2010. Die ganze Nacht durch tröpfelt die Nährlösung in die Blutbahn der betroffenen Babies. Dann verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Säuglinge. Zwei sterben bereits am Samstag, ein weiterer am Montag.

Inzwischen ist klar: Bei insgesamt elf Kindern war die Infusion mit Bakterien verseucht. Gefunden wurde unter anderem der Fäkalkeim Enterobacter cloacae. Ob die Keime den Tod der schwerkranken Babys verursacht haben, das steht noch nicht fest.

Staatsanwalt ermittelt

14 Arten des Enterobacter-Bakteriums gibt es. Sie benötigen zum Überleben Feuchtigkeit und Nährstoffe. Ihr Zuhause ist das Wasser, der Erdboden und auch der tierische und menschliche Darm. Das Bakterium kommt in der normalen menschlichen Darmflora vor und die meisten von ihnen sind für eine gute Verdauung zuständig.

Enterobacter gehören zu den Bakterien, mit denen sich Patienten in Krankenhäusern, insbesondere auf Intensivstationen, immer wieder anstecken. Die Keime reagieren häufig nicht auf Antibiotika, was die Behandlung oft problematisch macht. Außer im Krankenhaus sind die Mikroben schon in Babynahrung und auch in Duschgel entdeckt worden.

Die Mainzer Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall der drei toten Säuglinge wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung. Dabei wird der Weg der einzelnen Vorprodukte und der fertig gemischten Infusion rekonstruiert. Die Zutaten für die Nährlösung werden mikrobiologisch untersucht. Die Schläuche an der vollautomatischen Mischmaschine werden analysiert. Zudem werden die toten Säuglinge obduziert. Mit dem Ergebnis ist allerdings erst in einigen Wochen zu rechnen.

Auf dem Prüfstein: Krankenhaushygiene

Derzeit ist jedes einzelne Bundesland selbst für die Sauberkeit in seinen Krankenhäusern zuständig. Nur fünf der 16 Länder, darunter Berlin, Nordrhein-Westfalen und das Saarland, haben Krankenhaushygiene-Verordnungen. Wie oft die Zimmer gereinigt werden, wie viel Desinfektionsmittel benutzt wird oder ob es einen Hygienebeauftragten gibt, das entscheidet oft jede Klinik für sich alleine. Dasselbe gilt auch für klinikinterne Apotheken.

Die "Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene" fordert schon seit langem ein einheitliches Krankenhaushygiene-Gesetz. "Eine solche Regelung sei längst überfällig", sagte der Sprecher Klaus-Dieter Zastrow im Deutschlandradio. Nach seiner Darstellung gibt es in Deutschland jährlich bis zu einer Million Krankenhaus-Infektionen und bis zu 40.000 Tote. Die Hälfte dieser Fälle sei durch sachgerechte Hygiene vermeidbar.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (Foto: AP)
Bundesgesundheitsminister Philipp RöslerBild: AP

Nach den Todesfällen in der Mainzer Universitätsklinik hat sich jetzt auch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler zu Wort gemeldet. Er will die Hygiene in deutschen Krankenhäusern verbessern. Gemeinsam mit seinen Länderkollegen möchte Rösler auf der nächsten Gesundheitsministerkonferenz zusätzliche Regeln für eine bessere Hygiene erörtern.

Röslers Parteifreundin, die FDP-Politikerin Ulrike Flach, forderte in einem Zeitungsinterview gesetzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene in Krankenhäusern. Ähnlich äußerte sich der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn. Der CDU-Politiker warf den Kliniken vor, generell zu wenig für die Hygiene zu tun.

Autorin: Petra Nicklis
Redaktion: Kay-Alexander Scholz