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Entdeckt Russland den Klimawandel?

18. August 2010

Die Waldbrände waren in den vergangenen Wochen oft Aufmacher in den Nachrichtensendungen. Waldbrände in nie gekannten Ausmaßen. Der Klimawandel, so scheint es, hat endgültig auch Russland erreicht.

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Artikelbild Fernschreiber Moskau (Quelle: DW)
Bild: DW

Plötzlich wird die Erderwärmung auch in Russland zum Thema. Das Staatsfernsehen berichtet ausführlich über Wetteranomalie zu Hause und anderswo - in Pakistan, Polen oder Portugal. Dabei hatte das Problem das Land bis dato eher kalt gelassen. Klimawandel, das ist ein Problem für die anderen, so dachten lange Zeit viele im größten Land der Erde.

Vorteile der Klima-Katastrophe

Laut einer Umfrage im Auftrag der britischen BBC aus dem vergangenen Jahr machte der Klimawandel gerade einmal knapp der Hälfte der Befragten starke Sorgen, weniger als in jedem anderen Land Europas. Noch Ende Juli erklärte der Klimaforscher Oleg Anissimow, Russland werde von der Erderwärmung in erster Linie profitieren, wenn es den Wandel zu nutzen verstehe. Dass zu der Zeit manche Regionen Russlands schon mit den verheerenden Auswirkungen der Dürre kämpften, störte ihn bei seiner Prognose nicht.

Anissimow ist nicht irgendwer. Der Sankt Petersburger Wissenschaftler ist Mitglied im Weltklimarat der Vereinten Nationen. Und seine Argumente sind denkbar einfach: Steigt die Temperatur, verkürzen sich die langen sibirischen Winter. Damit sänken der Heizkosten. Außerdem würde Landwirtschaft in Breiten möglich, die bislang nur davon träumen können.

Dass die eingesparte Heizenergie durch die Stromkosten von Klimaanlagen mehr als wieder wettgemacht wird, wie Skeptiker zu bedenken geben, daran zweifelt nach diesem Jahrhundertsommer in Russland wohl kaum jemand. Und was bringen einige wenige Hektar neuer landwirtschaftlicher Nutzfläche mit schlechter Erde, wenn auf den fruchtbaren Schwarzerdeböden an der Wolga das Getreide verdorrt, fragen Umweltaktivisten.

Undichte Fenster und keine Thermostate

Doch Umweltschutz stößt in Russland immer noch auf wenig Interesse. Um beispielsweise Heizkosten zu sparen, müsste das Riesenland nicht erst auf den Klimawandel warten. Bei Wintertemperaturen von minus 30 Grad und darunter müssen die meisten Menschen ihre Fensterrahmen immer noch mit Klebeband abdichten, um wenigstens die größten Wärmeverluste zu verhindern.

Die zentralen Kraftwerke heizen gegen die undichten Fenster an. Was beim Endverbraucher dann doch zu viel ankommt, lässt er durch selbige Fenster wieder heraus. Denn Thermostate gibt es in kaum einer Wohnung. Auch deshalb bescheinigen Experten Russland gerade im Energiesektor gewaltiges Einsparpotenzial.

Politiker interessieren sich kaum

Auch politisch war der Klimawandel bislang kein großes Thema. Zwar hat Präsident Medwedew auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen eine Reduzierung der russischen CO2-Emissionen um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 zugesagt. Doch eine wirkliche Verringerung der Treibhausgase ist damit nicht verbunden, da das Land durch den Zusammenbruch der Industrie nach dem Ende der Sowjetunion beim CO2-Ausstoß immer noch unter dem Niveau von 1990 liegt.

Bleibt abzuwarten, ob mit dem Rekordsommer in den nächsten Tagen auch die neue russische Klimadiskussion wieder zu Ende geht.

Autor: Erik Albrecht
Redaktion: Thomas Grimmer