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Homosexuelle in Nigeria

11. August 2010

Diskriminierungen, Gewalt und Missbrauch erleben Homosexuelle in Nigeria immer wieder. Gleichgeschlechtliche Liebe ist auch hier verboten. Menschenrechtsaktivisten kämpfen für ein bisschen mehr Gerechtigkeit.

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Zwei Männer halten sich an den Händen (Bild: Katrin Gänsler)
Händchenhalten können Homosexuelle in Nigeria nur heimlichBild: Katrin Gänsler

Ifeanyi Kelly Orazulike sitzt mit seinen Freunden im Wohnzimmer eines Reihenhauses, das am Stadtrand der nigerianischen Hauptstadt Abuja liegt. Der Raum ist klein, dunkel und spärlich möbliert. In der Küche nebenan bereitet eine junge Frau das Mittagessen vor. Für sie alle ist die enge Behausung eine Oase. Denn hier muss sich niemand verstecken, weil er homosexuell ist.

In der Öffentlichkeit ist das aber anders. Dabei sind es gar nicht fundamentalistische Muslime, die besonders laut gegen gleichgeschlechtliche Liebe poltern. Viel stärker wird sie von den unzähligen Kirchen kritisiert. Äußerst gern scheint sie der anglikanische Erzbischof Nickolas Okoh anzuprangern, der Schwule gerade in einem Atemzug mit Pädophilen genannt hat. Ifeanyi Kelly Orazulike ist wütend über diesen Vorwurf: "Ich fühle mich ganz schlecht. Nur weil jemand schwul ist, will er doch nicht automatisch Geschlechtsverkehr mit Kindern haben. Der Vorwurf ist doch fürchterlich."

HIV- Aufklärung für Homosexuelle

Ifeanyi Orazulike (Bild: Katrin Gänsler)
Ifeanyi Orazulike will mehr Rechte für Schwule und Lesben durchsetzenBild: Katrin Gänsler

Der 29-Jährige gehört zu den wenigen Homosexuellen im Land, die offen mit ihrer Neigung umgehen - und das sogar beruflich. Orazulike leitet das International Centre for Advocacy on Rights to Health (Icarh). Die Organisation klärt Schwule über HIV und Aids auf. "Wir arbeiten auch mit Psychologen zusammen. Das ist wichtig, wenn das Testergebnis positiv ist." Damit übernimmt die Organisation eine wichtige Aufgabe, denn im Vergleich zur übrigen Bevölkerung infizieren sich überdurchschnittlich viele Homosexuelle mit dem tödlichen Virus.

Froh ist Orazulike auch darüber, dass Icarh ganz legal bei der Regierung registriert ist - und das, obwohl Homosexualität im Land selbst illegal ist. Damit werde zumindest im Gesundheitsbereich ein bisschen Gerechtigkeit geschaffen. "Wir brauchen ja keine speziellen Rechte für sexuelle Minderheiten. Wichtig ist aber, dass die Menschenrechte eingehalten werden und dazu gehört der Zugang zum Gesundheitssystem."

Kirchen wollen keine schwulen Männer

Doch auch wenn es kleine Hoffnungsschimmer gibt, sieht der Alltag für viele Lesben und Schwule nach wie vor ganz anders aus. Reverend Rowland Jide Macaulay kennt das nur zu gut. Der Nigerianer ist bekennender Christ und hat sich über Jahre eine Kirche gewünscht, die ihn als homosexuellen Mann aufnimmt. Erlebt hat er diese Akzeptanz erst 2001 in London. Er besuchte die Metropolitan Community Church, eine Freikirche für sexuelle Minderheiten. Die Idee begeisterte ihn so sehr, dass er 2006 zurück nach Lagos ging und den ersten nigerianischen Ableger gründete.

Flucht nach England

Reverend Jide und andere Homosexuelle in London (Bild: Katrin Gänsler)
Reverend Jide mit anderen Homosexuellen in LondonBild: Katrin Gänsler

Zwei Jahre hielt es Reverend Jide aus. "Dann bin ich zurück nach London geflohen." In Nigeria ist er seitdem nicht wieder gewesen. Doch die Stimmung verfolgt ihn bis in die englische Metropole. "Jeden Tag bekomme ich E-Mails von Nigerianern, die mich umbringen wollen. Der Hass ist riesig." Reverend Jide kann sich nicht vorstellen, dass sich dieser Hass in absehbarer Zeit legen wird. Viel Hoffnung setzt er deshalb auch nicht in die Politik, obwohl im kommenden Jahr in dem Land mit den 140 Millionen Einwohnern gewählt wird. "Wenn Politiker hier sexuelle Minderheiten unterstützen, verlieren sie ihre Wähler. So einfach ist das."

Derzeit machen die Parteien ohnehin vor allem eines: Sie bleiben allgemein und versprechen unter anderem eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation. Sie wollen sich um die Strom- und Wasserversorgung kümmern - falls sie überhaupt ein eigenes Wahlprogramm auf die Beine gestellt haben.

Autorin: Katrin Gänsler
Redaktion: Carolin Hebig