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Deutschland soll sich deglobalisieren

6. August 2010

Politiker tun alles, um für ein höheres Wachstum zu sorgen. Doch immer mehr Ökonomen glauben, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind. Sie setzen auf eine nachhaltige Entwicklung, die Umwelt und Ressourcen schont.

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Fahrradparkhaus in Münster, Foto: dpa
Fahrrad statt Auto - der Konsum muss zurückgeschraubt werdenBild: picture alliance/dpa
Prof. Niko Paech, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Oldenburg (Foto: Universität Oldenburg)
Prof. Niko Paech fordert die "Halbierung" der IndustrieBild: Universität Oldenburg

Der Wirtschaftswissenschaftler Niko Paech ist ein Verfechter der so gennanten "Postwachstumsökonomie". Er verbreitet nicht nur seine Ideen, sondern setzt sie auch um: Er fährt kein Auto und besitzt weder einen Fernseher noch ein Handy. Von der Außenwelt ist er dennoch nicht abgeschottet. Im Gegenteil, der Ökonom aus Oldenburg ist ein viel gefragter Referent. Gerade hat er seine Ideen auf einer Tagung an der Evangelischen Akademie in Loccum vorgestellt. Natürlich ist er mit der Bahn dorthin gefahren. Doch auch wenn das umweltverträglicher ist als mit dem Auto, haben solche Bahnfahrten seine CO2-Bilanz verhagelt. Sie liege derzeit ungefähr bei viereinhalb Tonnen jährlich, sagt Niko Paech.

Ohne die Vortragsreisen würde er auf unter drei Tonnen im Jahr kommen. Damit hätte er die Verpflichtung als Erdenbürger für das Zwei-Grad-Ziel erfüllt. Wissenschaftler haben nämlich errechnet, dass die Pro-Kopf-Emission unter drei Tonnen im Jahr bleiben muss, damit die Erwärmung der Erde durch den Klimawandel auf unter zwei Grad begrenzt wird. Im Moment liegt der deutsche Durchschnitt bei knapp elf Tonnen. "Wir können Ländern, die pro Kopf ein Drittel unserer CO2-Emission verursachen, nicht die Welt erklären und denen sagen, wie Klimaschutz funktioniert", findet Paech: "Wir können Menschen aus China und Indien nur hier in Deutschland vorführen, wie man mit drei Tonnen CO2 pro Jahr auskommt, dabei ein Lied auf den Lippen hat, glücklich und entspannt ist."

Zeitalter der Entrümpelung

Ein Kaufhaus in Leipzig (Foto: dpa)
"Ich konsumiere, also bin ich" - Kaufhaus in LeipzigBild: picture-alliance/ dpa

Niko Paech stellt sich ein Zeitalter der Entrümpelung vor: "Bislang war es immer so, dass Menschen im modernen Zeitalter ihren Freiheitsbegriff festgemacht haben an folgenden Fragen: Was kann ich mir noch alles erlauben, was kann ich noch alles kaufen?" Ein Zeitalter der Entrümpelung entspräche einer Umkehrung dieser Entwicklung, "indem man sagt, von welchem Ballast kann ich mich befreien, der mich nur Zeit, Geld, Raum, Aufmerksamkeit und zugleich eben auch ökologische Ressourcen kostet."

Während sich die Menschen von ihrem "Konsumballast" befreien, müsse die Industrie seiner Meinung nach um die Hälfte reduziert werden: "Deutschland muss sich deglobalisieren. Die Globalisierung, wie wir sie jetzt gerade erleben, ist zum Untergang verdammt." Denn die Wege zwischen dem Konsumenten und den vielen Produzenten würden immer länger und komplexer, die alle energieabhängig seien, so seine Argumentation. Wenn die Energiepreise drastisch stiegen, wovon auszugehen sei, "dann werden wir uns in einer Situation wiederfinden, wo die Produkte am Ende billiger sind, die doch eher aus der Region stammen", prognostiziert Paech.

Auf regionale Produkte setzen

Gemüse (Foto: DW)
Gemüse aus der Region ist frischer und umweltschonenderBild: DW-TV

Den Konsumenten rät er deshalb, bereits jetzt bewußter auf regionale Produkte zu setzen. Die hätten kurze Transportwege und verursachten weniger Energiekosten.

Der Energiesektor spielt bei dem von Paech und seinen Mitstreitern geforderten ökonomischen Umbau eine Schlüsselrolle. Er sei für regenerative Energien, warne aber vor der Illusion, dass sie Klimaschutz leisteten und gleichzeitig zum Wachstum beitragen könnten: "Wenn eine zusätzliche Windkraftanlage, die ich heute baue, tatsächlich einen Klimaschutzeffekt hat, dann bedeutet das, ich muss im selben Umfang fossile oder atomare Energien zurückbauen, dann habe ich aber kein Wachstum. Das ist ein Nullsummenspiel."

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Klaus Ulrich