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Vernetzung

14. Juli 2010

Al-Kaida hat erstmals ein Online-Magazin auf Englisch veröffentlicht. Mit islamistischer Propaganda und Anleitungen zum Bombenbau in der heimischen Küche sollen Anhänger aus dem Westen angesprochen werden.

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Screenshot des Magazins 'inspire'
Erstmals kam das Magazin Anfang Juli ins Netz

Jahrelang führte der in Pakistan geborene Faisal Shahzad ein ganz normales Leben, bis er irgendwann in Kontakt mit radikal-islamistischem Gedankengut kam. Diese Ideologie brachte den "Times-Square-Bomber" letztendlich dazu, Anfang Mai 2010 im Zentrum seiner neuen Heimat New York einen Sprengstoffanschlag zu versuchen. Mitten auf dem Times Square hatte er eine Bombe in einem Auto platziert – nur durch Hinweise von Passanten konnte sie rechtzeitig entschärft werden. Genau auf Menschen wie Shahzad ziele nun Al-Kaida mit ihrem neuen englischsprachigen Online-Magazin "Inspire" ab, so der jordanische Terrorexperte Mohammad Aburumman. Es erscheine in einer Zeit, in der die Anzahl der Al-Kaida-Sympathisanten im Westen steige, sagt er, "insbesondere Menschen aus westlichen Ländern, sind die Zielgruppe, die diese Ausgabe erreichen will".

Faisal Shahzad (Foto: ap)
Faisal Shahzad: Holte er sich seine Ideen aus dem Netz?Bild: AP

Das Magazin kam Anfang Juli erstmals heraus und kann als PDF im Internet heruntergeladen werden. Herausgegeben wird es von der Al-Malahim-Gruppe für Medienproduktionen, dem medialen Arm von Al-Kaida. Das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift verweist auf Artikel wie "Bombenbau in Mamas Küche", der eine "kurze aber detaillierte" Anleitung zum Bau einer Bombe mit Zutaten, die in jeder Küche verfügbar seien, enthält. Das Verbot des Ganzkörperschleiers in den westlichen Ländern, Tipps zum Verschlüsseln von Nachrichten und eine übersetzte Rede von Osama bin Laden mit dem Titel "Wie man die Welt rettet!" werden dort ausgewiesen.

Neue Zielgruppe

Zu Wort kommt auch immer wieder eine zentrale Figur bei den Versuchen von Al-Kaida, durch Propaganda Menschen im Westen zu erreichen: der amerikanisch-jemenitische Prediger Anwar al-Awlaki. Nach Einschätzungen von Sicherheitsbehörden sollen seine englischsprachigen Predigten, die über das Internet abzurufen sind, zahlreiche Terroristen in den USA inspiriert haben. Al-Awlaki betreibt eine Facebook-Seite, ein Weblog und hat zahlreiche YouTube-Videos hochgeladen, weshalb er "Bin Laden des Internets" genannt wird. Er wird in Zusammenhang gebracht mit dem versuchten Anschlag auf ein Flugzeug in Detroit am Weihnachtstag. Sein Artikel in "Inspire" trägt die Überschrift: "Mögen unsere Seelen für Dich geopfert werden."

Dass diesem Mann in dem Magazin so viel Platz eingeräumt wird, verdeutliche, welche Generation von Al-Kaida-Kämpfern angesprochen werden soll, sagt Aburumman: "Es handelt sich hierbei um die dritte, neue Generation, die im Westen geboren ist und dort gelebt hat, aber kein Arabisch sprechen kann, wie Abu Dujana al-Kharasani, Umar al-Faruq und Nidal Malik Hassan."




Offensichtlich durchlebe Al-Kaida derzeit einen grundlegenden Wandel, mit dem auch die Weiterentwicklung ihrer Medienarbeit und die Anpassung an diese neue Generation einhergehe, glaubt der algerische Terrorexperte Ghamrassa Abdul-Hamid: "Die Medienarbeit von Al-Kaida erlebt momentan einen großen, qualitativen Schub bei der Übermittlung ihrer Botschaften und Anweisungen. Wo sich die Terrororganisation früher mit der Veröffentlichung der Erklärungen, Botschaften und Bilder ihrer Anschläge begnügte, versucht sie jetzt, ihre Propaganda-Aktivitäten auf einer anderen, internationalen Ebene, weltweit zu verbreiten", sagt er.

Screenshot des Onlines-Magazins 'Inspire'
Screenshot des Onlines-Magazins 'Inspire': 'Wie baue ich in Muttis Küche eine Bombe?' - Angeblich soll es sich bei den Inhalten aber überwiegend um Datenmüll handeln.


Sprachbarriere überwinden

Das Internet ist schon lange nicht mehr nur ein Raum, in dem ideologische Medienkriege geführt werden; es avanciere zunehmend zu einem effektiven Instrument der Anwerbung, Rekrutierung und Ausbildung von neuen, potenziellen Terroristen in den Zielländern, sagt Aburumman. In der jetzigen, so genannten dritten Generation begännen westliche Al-Kaida-Anhänger zunehmend, eigenständige terroristische Aktivitäten zu planen und zu verüben, ohne direkte Anweisungen vom Hauptquartier der Organisation. "Das Medium Internet war hierfür von großem Nutzen", vermutet er.

Anwar al-Awlaki (Foto: Archiv, dpa)
Wird 'Bin Laden' des Internets genannt: Anwar al-AwlakiBild: dapd

Auch die Sprachbarriere, die bislang eine große Hürde der Kontaktaufnahme mit dieser Generation darstellte, wird mit der Herausgabe dieses englischsprachigen Magazins überwunden. Damit, so befürchten Experten wie Mohammed Aburumman, wachse auch der Einfluss von Al-Kaida auf diese Zielgruppen.

Die erste Ausgabe des Online-Magazins "Inspire", die Anfang Juli online ging und sich anschließend in mehreren islamistischen Internet-Foren verbreitete, war jedoch zunächst eine Rohrkrepierer. Das Inhaltsverzeichnis des Magazins verweist auf Reden, Artikel und Anweisungen, die sich auf 67 Seiten verteilen. Tatsächlich lesbar waren jedoch nur die ersten drei Seiten, der Rest war Datenmüll. Dies sei auf eine erfolgreiche Störaktion amerikanischer Geheimdienste zurückzuführen, spekulieren US-Medien. Es scheint, dass die US-Geheimdienste diese virtuelle Kampfrunde schnell gewonnen haben. Es ist jedoch auch sicher, dass die nächste Runde nicht lange auf sich wird warten lassen.

Autor: Emad M. Ghanim

Redaktion: Ina Rottscheidt