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Wulff sieht Koalition nicht abgestraft

2. Juli 2010

Der neue Bundespräsident ist in Berlin vereidigt worden. Zuvor erklärte er, er glaube nicht, dass die Zitterpartie bei seiner Wahl ein Denkzettel für Schwarz-Gelb war. Die Mehrheit der Deutschen ist anderer Meinung.

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Der neue Bundespräsident Christian Wulff hält nach seiner Wahl die erste Rede (Foto: dpa)
Der neue Bundespräsident Christian Wulff hält heute die erste Rede nach seiner WahlBild: dpa

In mehreren Fernsehinterviews sagte der neu gewählte Bundespräsident Christian Wulff, die Abstimmung sei kein Denkzettel für die Regierungskoalition in Berlin, sondern eine "isolierte Bundespräsidentenwahl" gewesen. Am Ende eine absolute Mehrheit zu haben, sei doch eine ausreichende Rückenstärkung, betonte der CDU-Politiker am Donnerstag (01.07.2010).

Die Parteien hätten nicht gewollt, dass mit der geheimen und freien Wahl ein Junktim zur Handlungsfähigkeit der Regierung hergestellt werde. "Das wollten wir doch gerade nicht", betonte Wulff. Das offenkundige Abwägen der Wahlleute zwischen den Kandidaten sei vielmehr "vorbildhaft für unsere Demokratie gewesen, über alle drei Wahlgänge hinweg".

"Regierung muss Handlungsfähigkeit beweisen"

Kanzlerin Merkel gratuliert Wulff (Foto: dpa)
Kanzlerin Merkel gratuliert dem frisch gewählten BundespräsidentenBild: picture alliance/dpa

Der 51-jährige Politiker fügte allerdings hinzu, die Regierungskoalition unter Kanzlerin Angela Merkel müsse in nächster Zeit zeigen, dass sie handlungsfähig sei. Der bisherige niedersächsische Ministerpräsident hatte sich am Mittwoch erst im dritten Wahlgang gegen den Kandidaten von SPD und Grünen, den früheren DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, durchgesetzt. Bis zu 44 Wahlleute aus dem eigenen Lager hatten ihm in den ersten beiden Runden ihre Stimme verweigert. Die Opposition wertete dies als Schlappe für das Regierungsbündnis aus Union und FDP.

Bemerkenswert ist, wie die Bevölkerung den neunstündigen Abstimmungsmarathon beurteilt. Im jüngsten ARD-Deutschland-Trend nannten es zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) eine "Blamage für Angela Merkel, dass Wulff so viele Stimmen aus dem eigenen Lager nicht bekommen hat". Drei Viertel (77 Prozent) denken, dass Merkel "ihre Regierungskoalition nicht mehr richtig im Griff hat".

Ende der Koalition erwartet

Nur 31 Prozent vertraten die Ansicht, dass "jetzt, nachdem der Bundespräsident gewählt ist, der Bundesregierung ein Neustart gelingen wird". 62 Prozent rechnen dagegen damit, dass die Koalition aus Union und FDP nicht mehr lange halten wird".

Trotz der "Querschüsse" aus dem Koalitionslager bei der Abstimmung in der Bundesversammlung meinen mehr als zwei Drittel der Deutschen, dass Wulff ein guter Bundespräsident wird. Nur 13 Prozent erwarten das Gegenteil. Nur 35 Prozent finden, dass "Joachim Gauck der bessere Präsident gewesen wäre".

Mehr als drei Viertel der Befragten (79 Prozent) finden es gut, "dass diesmal ein jüngerer Kandidat in das Amt gewählt wurde". Für die Umfrage im Auftrag der ARD-Tagesthemen hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am Donnerstag 799 Wahlberechtigte bundesweit telefonisch befragt.

Wulff versteht sich als Brückenbauer

Der neue Bundespräsident, der bei einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt wurde, sieht sich künftig als "Brückenbauer" zwischen Politikern und Bevölkerung. Ein Bundespräsident müsse "Sprachrohr sein für die Kritik aus der Bevölkerung", aber auch "die komplizierten Zusammenhänge zu erklären versuchen, unter denen Politiker heute stehen", sagte er im Fernsehen.

Schloss Bellevue (Foto: dpa)
Schloss BellevueBild: picture alliance/ Huber

Einmischen wolle er sich aber auch "bei Fragen, die national nicht mehr zu entscheiden sind", wie zum Beispiel der Weltfinanzordnung. Werben wolle er zudem für mehr Zivilcourage und ehrenamtliches Engagement. Außerdem pocht Wulff auf eine wesentlich stärkere Integration von Migranten. Seine erste Grundsatzrede kündigte er für den 3. Oktober an.

Die ersten Auslandsreisen im neuen Amt will Wulff zur Europäischen Union nach Brüssel sowie nach Frankreich und Polen unternehmen. Für Oktober ist eine viertägige Reise in die Türkei geplant.

Autor: Reinhard Kleber (dpa, apn, afp, rtr)
Redaktion: Thomas Grimmer

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