1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Moskau und Minsk drohen einander im Gasstreit

20. Juni 2010

Der Streit zwischen Russland und Weißrussland um offene Gasrechnungen verschärft sich: Moskau will dem Nachbarn Anfang der Woche den Gashahn zudrehen. Minsk droht nun mit einem Anzapfen der Transitleitungen nach Westen.

https://p.dw.com/p/NxrE
Ein Arbeiter, der am Hahn einer Pipeline dreht (Foto: AP)
Zuletzt drehte Moskau 2007 Minsk den Ölhahn zuBild: AP

Russland hat eine Verminderung um 85 Prozent der Gaszufuhr ab Montag (21.06.2010) angekündigt. Am Samstag waren Verhandlungen über die Zahlung der weißrussischen Gasschulden ohne Ergebnis geendet, sagte der Chef des russischen Energieriesen Gazprom, Alexej Milller. Weißrussland droht Moskau für den Fall, dass die Gaszufuhr tatsächlich gedrosselt wird.

Die Flaggen von Russland und Gazprom wehen (Foto: AP)
Gazprom ist das weltweit größte ErdgasförderunternehmenBild: RIA Novosti

Miller verwies darauf, dass das am Dienstag von Russlands Präsident Dmitri Medwedew ausgesprochene fünftägige Ultimatum zur Begleichung der Schulden "bald" ablaufe. Miller betonte, eine Drosselung der russischen Gaslieferungen an Weißrussland hätte keine Folgen für Verbraucher in der Europäischen Union. Für den Fall, dass Weißrussland die Leitungen tatsächlich anzapft, gebe es "die technische Möglichkeit, das Gas durch die Ukraine und Polen zu leiten". Die Pipeline durch Weißrussland ist einer der wichtigsten für russische Gaslieferungen an den Westen.

Moskau will vor Gericht

Gazprom verlangt von Minsk 192 Millionen US-Dollar (etwa 155 Millionen Euro). Weißrusslands Vize-Regierungschef Eduard Towpinez konterte mit dem Vorwurf, der russische Energieriese habe 200 Millionen Dollar Gebühren für den Gastransit durch Weißrussland nicht bezahlt.

Moskau behalte sich nun eine Klage gegen seinen Nachbarn vor, sagte der russische Vize-Regierungschef Igor Setschin. Vor Gericht werde entschieden, "wer wem etwas bezahlen muss."

Denkzettel für Lukaschenko

Alexander Lukaschenko und Dmiti Medwedew (Foto: AP)
Alexander Lukaschenko und Dmiti MedwedewBild: AP

Moskau und Minsk hatten erst Anfang des Jahres einen neuen Liefervertrag für Gas vereinbart, den Weißrussland aus Sicht des mächtigen Nachbarn nicht erfüllt. Zuletzt hatte im Januar 2007 ein Streit zwischen beiden Ländern zu einem mehrtägigen Öllieferstopp geführt, der auch Deutschland und andere europäische Länder betraf. Sie erhielten kein russisches Öl mehr durch die Pipeline "Druschba" (Freundschaft), Raffinerien mussten ihre Produktion herunterfahren. Minsk wehrte sich damals vor allem gegen einen von Moskau geforderten Zoll auf das Öl.

Hinter dem neuen Streit vermuten Beobachter auch einen Denkzettel für Minsk. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hatte den Kreml zuletzt wiederholt mit politischen Angriffen gereizt, etwa indem er eine von Moskau initiierte Dreier-Zollunion mit Russland und Kasachstan in letzter Sekunde vorerst auf Eis legte. Lukaschenko ist jedoch dringend auf Hilfe aus Moskau angewiesen, um seine Macht bei den bevorstehenden Präsidentenwahlen zu erhalten.

Autor: Michael Borgers (afp, dpa)

Redaktion: Ursula Kissel