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Auch die vierte FARC-Geisel in Freiheit

14. Juni 2010

Kolumbianische Sicherheitskräfte haben eine vierte Geisel der Rebellengruppe FARC lebend gefunden. Die ersten drei Polizisten waren bereits am Sonntag befreit worden.

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Maria Teresa de Mendieta, die Ehefrau der befreiten FARC-Geisel General Luis Mendieta (Foto: AP)
Maria Teresa de Mendieta, die Ehefrau von General Luis Mendieta, äußert vor Journalisten in Bogotá ihre Freude über das Ende der Geiselhaft ihres MannesBild: AP

Der 41-jährige Oberstleutnant William Donato habe sich während der Militäraktion am Sonntag (13.06.2010) bei der Soldaten drei Geiseln aus den Händen der Rebellen befreien konnten, im Dschungel versteckt, sagte ein Militärsprecher am Montag in Bogotá. Donato sei wohlauf. Er war, wie die drei anderen, 1998 entführt worden.

Bei den drei am Sonntag (13.06.2010) befreiten Geiseln handelt es sich um den Polizeigeneral Luis Mendieta, Oberst Enrique Murillo sowie den Offizier Arbey Delgado. Alle drei seien

Nachdem auch Donato von den Soldaten aufgespürt werden konnte waren die vier Exgefangenen am Montag in die kolumbianische Hauptstadt Bogota gebracht worden, wo sie von ihren Familien erwartet wurden.

Ex-Guerilla-Kämpfer gab entscheidende Hinweise

Uribe erklärte, die Operation "Chamäleon" des kolumbianischen Militärs im Südosten des Landes, im Departement Guaviare, sei über Monate vorbereitet worden. Entscheidende Hinweise über den genauen Aufenthaltsort der Geiseln hatte das Militär von einem im März verhafteten FARC-Mitglied erhalten. Der bei einem Kampf mit der Guerilla verletzte Marcos Parrilla habe sich nach seiner Verhaftung von der FARC losgesagt und mit der Armee zusammengearbeitet, hieß es am Sonntag aus kolumbianischen Militärkreisen. 300 Soldaten sollen an der bewaffneten Aktion beteiligt gewesen sein.

Der 51-jährige Mendieta, der im vergangenen Jahr in der Gefangenschaft zum General befördert worden war, war der ranghöchste Uniformierte in der Hand der "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC). Als die Rebellen im November 1998 die entlegene Provinzhauptstadt Mitú im Departement Vaupés im äußersten Südosten Kolumbiens angriffen, hatte der damalige Oberstleutnant das Kommando über die Polizeikräfte.

Militärischer Erfolg im Wahlkampf

Der scheidende kolumbianische Präsident Alvaro Uribe (Foto: AP)
Für den scheidenden kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe ist der Schlag gegen die FARC ein letzter TriumphBild: AP

Eine Woche vor der Stichwahl um seine Nachfolge versetzt Uribe den Rebellen mit dieser Militäraktion einen schweren Schlag. Der Präsident, der in seinen acht Amtsjahren hart gegen die FARC vorgegangen ist, darf selbst nicht erneut antreten. Doch sein Wunschkandidat, der ehemalige Verteidigungsminister und Kandidat von Uribes Partei "U", Juan Manuel Santos, steuert bei der Stichwahl am kommenden Sonntag (20.06.2010) auf einen sicheren Sieg zu. Umfrageinstitute sagen ihm bis zu 65 Prozent der Stimmen voraus. Sein Gegenspieler, der unabhängige Kandidat der Grünen Partei, Antanas Mockus, kann demnach bestenfalls auf 28 Prozent hoffen.

Die FARC haben immer noch 19 Polizisten und Armeeangehörige in ihrer Gewalt, die sie gegen inhaftierte Aufständische austauschen wollen. Die kolumbianische Regierung lehnt dies jedoch ab und akzeptiert nur Geiselfreilassungen ohne Gegenleistungen von Seiten des Staates. Präsident Álvaro Uribe, der seit August 2002 im Amt ist, hat durch seine Politik der harten Hand gegenüber der FARC große Zustimmung in der Bevölkerung errungen. Seine Gegner werfen ihm die Militarisierung des Konfliktes vor. Die USA haben den Einsatz des Militärs im Kampf gegen die Aufständischen in den letzten zehn Jahren mit knapp vier Milliarden Dollar Militärhilfe unterstützt.

Uribe ruft FARC zur Aufgabe auf

Präsident Uribe rief die FARC dazu auf, jetzt auch die letzten Geiseln zu befreien und sich aufzulösen. "Wenn die Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung alle Geiseln frei lassen, werden wir das anerkennen", bot Uribe der FARC an, ohne konkret zu benennen, welche Garantien der Staat bieten würde.

Der scheidende Staatschef verwies darauf, dass in den acht Jahren seiner Präsidentschaft insgesamt 53.000 bewaffnete Kämpfer ihre Waffen niedergelegt hätten. Allein zwischen 2006 und 2009 hat die kolumbianische Regierung nach eigenen Angaben etwa 30.000 Kämpfer der rechtsgerichteten paramiliärischen Gruppen entwaffnet.

Nach einer Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wurden die demobilisierten Einheiten aber schnell durch neue Gruppen ersetzt. Nahezu alle neuen Führungskräfte hätten früher den Vereinigten Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens (AUC) angehört, heißt es in einem Bericht der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation.

Keine Chance für Verhandlungen

Beobachter gehen davon aus, dass mit der erfolgreichen Geiselbefreiung vom Wochenende die Tür für mögliche Verhandlungen über ein humanitäres Abkommen mit der FARC endgültig vom Tisch ist. Für die jetzige Regierung gebe es nach diesem Schlag gegen die Guerilla keinen Grund mehr sich auf Gespräche einzulassen. Und Uribes möglicher Nachfolger Santos verfolge dieselbe Linie.

Anderseits gebe es auch keinen Hinweis darauf, dass die FARC, die älteste Guerilla-Organisation Lateinamerikas, bereit sei, sich aufzulösen und ins politische Leben einzutreten. Vielmehr äußerten sowohl die jetzt befreiten Geiseln als auch politische Beobachter in Kolumbien die Befürchtung, dass die noch in der Gewalt der FARC befindlichen Geiseln jetzt mit schärferen Repressalien zu rechnen hätte. So sei es auch ihnen nach der Befreiung von Ingrid Betancourt 2008 ergangen, berichtete der befreite General Murillo. "Wir wurden entkleidet, wir wurden durchsucht, alle persönlichen Gegenstände wurden uns weggenommen, Radios, Nagelscheren, Taschenlampen."

Starre Fronten

Die FARC wollen die nun noch 19 von ihnen festgehaltenen Polizisten und Militärs gegen etwa 500 inhaftierte Rebellen eintauschen. Dieses Vorhaben scheitert aber seit Jahren auch an Vorbedingungen der Rebellen, die eine entmilitarisierte Zone für die Verhandlungen verlangt. Dieses Anliegen war von dem scheidenden Präsident Alvaro Uribe stets abgelehnt worden. Auch sein möglicher Nachfolger Juan Manuel Santos schließt Verhandlungen mit der FARC aus.

Trotz der Erfolgsmeldungen, die die Regierung im Kampf gegen die FARC-Rebellen immer wieder für sich beansprucht, belegen mehrere Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen, dass die Guerillagruppe zahlenmäßig mit bis zu dreißig Tausend geschätzten Mitgliedern nach wie vor sehr stark ist und dass sie ihr Operationsgebiet lediglich in entlegene, ländliche Landesteile verschoben hat.

Autorin: Mirjam Gehrke (afp, efe, rtr)
Redaktion: Anne Herrberg