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Zick-Zack

14. Juni 2010

Die Wall Street gleicht momentan einer Achterbahn. Die Anleger reagieren nervös auf jeden neuen Konjunkturindikator. Doch vorhersehen kann man ihre Reaktionen nicht: Mal picken sie das Gute, mal das Schlechte heraus.

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Straßenschild Wall Street (Foto: bilderbox)
An der Wall Street gehen die Kurze zur Zeit rauf und runterBild: Bilderbox

Aufschwung, Aufschwung, Aufschwung – frohlocken die Händler an der New Yorker Börse an dem einen Tag, um am nächsten wieder Angst vor dem sogenannten "Double Dip", zu haben, der Wiederkehr der Rezession. Schuld sind uneinheitliche Daten aus der Konjunktur, wie Häuserpreise, Verbrauchervertrauen oder Arbeitslosenzahlen. Mal sind sie gut, mal sind sie schlecht - und nicht nur die Händler verwirrt.

Nach enttäuschenden Zahlen vom Arbeitsmarkt Anfang Juni ging es mit dem Dow Jones deutlich bergab, bis unter die psychologisch wichtige 10.000-Punkte Marke. In der Privatwirtschaft wurden weitaus weniger Stellen geschaffen als erwartet. Nur aufgrund der Mitarbeiter für die Volkszählung ist die Beschäftigtenzahl auf mehrere Hunderttausend gestiegen.

Dabei schien es einen Monat vorher, im April, noch sehr viel besser auszusehen am Arbeitmarkt. "Der Arbeitsmarktbericht im April war erstaunlich stark und der im Mai dafür erstaunlich schwach", meint US-Ökonom Harm Bandholz von der UniCredit Group in New York. Die Wahrheit liege wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.

Repräsentativ und trotzdem revidiert

Wall Street Börsensaal (Foto: apn)
Lieber kurz vor Börsenschluss verkaufen...Bild: AP

Der Arbeitsmarktreport basiert, wie fast jede Statistik, auf einer Umfrage: Die 60.000 befragten Haushalte sind gerade mal 0,1 Prozent aller Haushalte in den USA. "Man kann ja schlecht 16 Millionen Haushalte befragen, ob sie beschäftigt sind oder nicht", erklärt Bandholz. "Umfragen sollen natürlich repräsentativ gestaltet sein, aber trotzdem ist nie sicher, ob die wirtschaftliche Aktivität vernünftig abgebildet wird", sagt der Ökonom.

Der Markt konzentriere sich immer nur auf die aktuellen Statistiken.Und die werden nicht selten nachträglich noch revidiert. Das habe dann meistens gar keinen Einfluss mehr auf die Kurse. "Es geht immer um die aktuellen Daten, und die nimmt der Markt so hin, als ob sie so richtig wären."

Aus Gut mach Schlecht und umgekehrt

Ein Börsenhändler fasst sich an den Kopf (Foto: ap)
... denn wer weiß, was für Nachrichten über Nacht aus Europa kommenBild: AP

Konjunkturdaten von heute können morgen Schnee von gestern sein. Beispielsweise hieß es am 24. Mai, die Häuserverkäufe am US-Immobilienmarkt für April seien einer Erhebung zufolge gestiegen. Gute Konjunktursignale vom Häusermarkt, frohlockte die Wall Street. Nur einen Tag später, am 25. Mai hiess es, es ginge im gleichen Markt, dem US-Immobilienmarkt, in dem die Wirtschaftskrise ihren Ursprung hatte, schon wieder bergab. Dieses Mal mit den Preisen. Beide Male reagierten die Aktienmärkte.

Psychologie spielt eine große Rolle: Oft reicht sogar ein einziger Bericht, um die Pessimisten und die Optimisten auf dem Parkett zu bedienen. "In fast jedem Statistikbericht gibt es Sachen, die man sowohl positiv als auch negativ interpretieren kann", sagt Harm Bandholz. Wenn der Markt gerade positiv gestimmt sei, dann suche er sich die positiven Fakten raus. Wenn er negativ gestimmt sei, ignoriert er diese und suche nach den schlechten Zeichen in dem gleichen Bericht.

Sensibel und anfällig

New York Stock Exchange floor operations manager (Foto: apn)
Informationen gibt es jede Menge - aber was picken sich die Marktteilnehmer raus?Bild: AP

Gerade in diesen Tagen reagieren die Märkte an der New Yorker Wall Street sehr sensibel. Die Händler sind wegen der angespannten Lage in Europa sehr nervös. Der Euro bricht immer weiter weg, und nicht selten enden Handelstage an der Wall Street mit Verkäufen: Über Nacht möchten viele Investoren kein Risiko eingehen und ihre Aktien nicht halten. Denn wer weiß, was bis zum nächsten Tag in Übersee passiert.

Was die europäische Schuldenkrise betrifft, ist Harm Bandholz optimistisch. Er glaubt, dass sie kaum Auswirkungen auf die US-Wirtschaft hat. "Die direkte Verknüpfung über die Wechselkurse und über den Aussenhandel ist nicht ausgeprägt genug", meint der US-Ökonom in New York. Wenn die Krise weiter zunehmen sollte, werde Amerika das allerdings über die Aktienmärkte zu spüren bekommen.

Denn im Durchschnitt hat jeder Amerikaner zwei Drittel seines Geldes in Aktien, Anleihen oder anderen Finanzinstrumenten angelegt. Das heißt: schwankende Aktienkurse haben direkt Auswirkungen auf die Vermögenssituation des Einzelnen und damit auf den Konsum im ganzen Land. Und der wiederum ist der Motor des Wirtschaftswachstums. Zwei Drittel des amerikanischen Bruttoinlandsproduktes entstehen durch den Konsum der Bürger.

Autor: Miriam Braun
Redaktion: Rolf Wenkel