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Von der Palmwine-Musik in die Disco

15. Juni 2010

"Who is Highlife?" Mit dieser Frage und den Musikern, die diese Musik machen, beschäftigt sich der gleichnamige Film. Aber um es noch etwas komplizierter zu machen: Was ist Burger Highlife?

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Lee Dodou an der Gitarre (Foto: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion)
Bild: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion

Man könnte Burger Highlife als eine Mischung aus Tradition und Heimweh, aus afrikanischer Musik und Technik `made in Germany´ bezeichnen. Highlife ist schon seit vielen Jahrzehnten die gängige Popmusik in Ghana. Doch in der Zeit der Militärregimes hatten nicht wenige Musiker ihre Lebensgrundlage verloren. Wegen der Ausgangssperren in Ghana fand ein Nachtleben quasi nicht mehr statt, und der Neustart der Musiker im kalten Europa bedeutete, dass sie versuchen mussten, hier in den Tanzlokalen und Clubs ihr Geld zu verdienen.

George Darko (Foto: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion)
Gerorge Darko, Vertreter des Burger Highlife, arbeitet seit langem erfolgreich in DeutschlandBild: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion

Burger Highlife: kein musikalisches Fastfood

Als in den 70er und 80er Jahren immer mehr Musiker ins Exil nach Europa gingen, mussten sie neue Fans für ihre Musik finden. Mit dem Effekt, dass sie Disco und Funk, die in den 70er Jahren in deutschen Clubs den Ton angaben, in ihre Musik integrierten. In deutschen Tonstudios produzierten die Musiker aus Ghana, was heute als Burger Highlife eine eigene Stilrichtung ist. Die Legende will es so, dass der Zusatz "Burger" von den ghanaischen Landsleuten erfunden wurde. Die Neu-Berliner oder Neu-Hamburger waren für sie deutsche "Bürger". Und während in der Wahlheimat Deutschland von dieser Entwicklung nur die Fans afrikanischer Musik erfuhren, wurden die Songs in Ghana zu Hits und Burger Highlife ein neuer Stil.

Fusion aus drei Kontinenten

Schon Jahrzehnte davor hat sich Highlife entwickelt. Aus europäischen Harmonien und Instrumenten, die mit den Militärkapellen nach Afrika kamen, später auch mit Gitarren. Dazu kamen afrikanische Rhythmen und karibische Einflüsse. Truppen, die man auf den westindischen Inseln, der Heimat des Calypso, rekrutiert hatte, waren Ende des 19. Jahrhunderts in Westafrika stationiert. Was daraus entstand, war bald die Unterhaltungsmusik in Ghana, originär, offen für Veränderungen und eine Fusion, wie wir sie aus Nordamerika mit Blues und Jazz kennen. Die Musik blühte, als der erste Präsident des unabhängigen Ghana, Kwame Nkrumah, zu Staatsbesuchen mit einer Highlifeband reiste. Im Vielvölkerstaat Ghana mit seinen unterschiedlichen Sprachen und Stämmen, hatte die Musik eine einigende Wirkung.

MC God (Foto: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion)
Bild: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion

Vom Big Band-Sound zum Discobeat

Immer schon spielte man diese Musik in den kleinen Kneipen, in denen der Palmwine ausgeschenkt wurde. Doch auch die Bigbands adaptierten den Stil. Dieter Matzka, der zusammen mit Wilma Kiener eine filmische Dokumentation namens "Who is Highlife?" gedreht hat und die Highlifemusiker, die nach Deutschland ausgewandert sind, portraitiert, weiß um die Bedeutung für die afrikanische Musikgeschichte. E.T. Mensah hatte eine der berühmtesten Big Bands. Man kann das von der Größenordnung mit Glenn Miller vergleichen. Diese Musik konnten sich aber nur die reichen Ghanaer leisten. Und die Armen standen draußen am Zaun zum Zuhören." Während die High Class tanzte, nannten die Zaungäste diese Musik "Highlife". Die Swing-Einflüsse, die im Zweiten Weltkrieg in Westafrika stationierte US-Truppen mitgebracht hatten, die Bläsersätze, sind Teil von Highlife. Man sagt, E.T. Mensah, einer der Helden des Highlife, tauschte unter dem Einfluss Louis Armstrongs sein Saxofon mit der Trompete.

Highlife-Experte und Musikwissenschaftler John Collins auf der Bühne (Foto: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion)
Highlife-Experte und Musikwissenschaftler John CollinsBild: Dieter Matzka/ Matzka-Kiener Filmproduktion

Zu jedem Song ein Videoclip

Genauso selbstverständlich integrierten die Ghanaer in Deutschland Keyboards, Synthesizer und moderne Produktionsmethoden in ihre Bands. "Um das Publikum in Deutschland auf die Tanzfläche zu locken, haben wir Highlife mit Soul, Funk, Disco aufgepeppt", erinnert sich der Gitarrist und Sänger George Darko. Songs von ihm und anderen Stars der Szene wie Bob Fiscian oder Lee Dodou inspirierten Wilma Kiener und Dieter Matzka zu Musikclips mit Straßenszenen aus Ghana in ihrer Musik-Doku "Who is Highlife". Was nun genau die Burger Highlife-Musik von ihrem afrikanischen Original unterscheidet? "Die Basis ist und bleibt Highlife", meint Matzka, "also der Rhythmus. Doch Computer, Synthesizer und E-Gitarre kamen erst hierzulande in den Mix."

Nicht selten klingt die Burger Highlife Musik nach Urlaub am Palmenstrand. Was aber nur eine Seite ist: Denn gerade die "Burger" wissen, was es bedeutet, wenn jemand die Familie verlassen muss, um Geld zu verdienen, und wenn dieses Geld so wichtig ist, dass ein Song von Pat Thomas "Money is Blood" heißt. Die Sehnsucht nach Afrika ist der Treibstoff für diese Musik. Inzwischen leben viele der Burger-Musiker in zwei Welten: in Europa und Afrika. Denn dort sind sie mit ihrer Musik eigentlich zuhause.

Autorin: Renate Heilmeier
Redaktion: Matthias Klaus