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Diskussionen um den Klimaschutz

15. Juni 2010

Brasiliens Regierung bemüht sich zwar international um den Klimaschutz. Im eigenen Land ordnet es ihn aber rigoros den eigenen Wirtschaftsinteressen unter.

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Abholzung und Brandrodung eines Regenwalds in Amazonien, Brasilien (Foto: guentermanaus/Fotolia.com)
Fast ein Fünftel der brasilianischen Regenwälder sind gerodet worden - ein Ende der Entwaldung ist nicht in SichtBild: guentermanaus/Fotolia.com

Brasilien gilt als eines der Schlüsselländer beim weltweiten Klimaschutz. Allein die Abholzung des Regenwaldes wird für rund die Hälfte der klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen in Brasilien verantwortlich gemacht. Das Land ist der fünftgrößte CO2-Emittent weltweit.

Nach offiziellen Angaben will Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes bis 2020 um 80 Prozent reduzieren. Trotzdem sieht er die Hauptverantwortung für nachhaltigen Klimaschutz bei der UNO. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon solle sich für ein globales Klimaschutz-Abkommen einsetzen, betonte Lula in einem Vier-Augen-Gespräch mit Ban nach dem Scheitern der Klimakonferenz von Kopenhagen. Die Vereinten Nationen seien das richtige Forum für die Diskussion über den Klimawandel.

Waldarbeiter fällt Baum mit Kettensäge (Archivfoto: ap)
Das Kreischen der Kettensägen gehört immer noch zum AlltagBild: AP

Nagelprobe für den Umweltschutz

Lulas Position zum Umwelt- und Regenwald-Schutz in Brasilien wurde deutlich, als Anfang Februar die Umweltbehörde Ibama den Bau des Mega-Kraftwerks Belo Monte (Schöner Berg) mitten im Amazonas-Gebiet genehmigte. Mit einer Leistung von 11.000 Megawatt soll es das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden. Nur der Dreischluchten-Damm in China und das brasilianisch-paraguayische Itaipú sind noch mächtiger.

Anwohner wie Umweltschützer lehnen den Damm im brasilianischen Bundesstaat Pará ab. Auch das Justizministerium von Pará ging gegen das Großprojekt vor. Doch die Regierung behielt bisher stets die Oberhand und treibt das Milliarden-Projekt mit aller Macht voran. Noch im Wahljahr 2010 sollen die Bauarbeiten beginnen. Dafür müssen etwa 20.000 Ureinwohner umgesiedelt und 516 Quadratkilometer Regenwald geflutet werden.

"Klimaanlage" der Welt nimmt Schaden

Vieh weidet vor Wald (Archivfoto: ap)
Der Wald muss weichen, um Ackerland zu gewinnenBild: AP

Trotz wiederholter Willensbekundungen der Regierung Lula da Silva, den Regenwald und das Weltklima schützen zu wollen, werden weiterhin Bäume gefällt und Waldgebiete gerodet. Sie müssen weichen, weil das Land für Ackerbau und Viehzucht gebraucht wird. Denn zu Brasiliens Exportschlagern zählt unter anderem das Rindfleisch für die Burger in Fast-Food-Restaurants. Diesen Wirtschaftsinteressen hat Brasilien im vergangenen Jahrzehnt durchschnittlich 26.000 Quadratkilometer Wald pro Jahr geopfert, teilte die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO im März mit.

Der Kahlschlag fügt der größten "Klimaanlage" der Welt, wie Umweltschützer den Regenwald nennen, Schaden zu: Der immerfeuchte Amazonas-Dschungel fängt die Sonnenenergie ein und verwandelt sie in enorme Mengen Wasserdampf. Die dadurch entstehenden Wolken versorgen den Wasserkreislauf und kühlen das Weltklima ab. Durch die Brandrodung entsteht jedoch ein gegenteiliger Effekt: Dabei werden große Mengen Kohlenstoff freigesetzt und in Verbindung mit Sauerstoff zum Treibhausgas Kohlendioxid umgewandelt – das Weltklima heizt sich auf.

Getrübte Bilanz und ein Hoffnungsschimmer

Die bisher in Brasilien erlassenen Umweltschutzgesetze konnten der Zerstörung der tropischen Wälder kaum Einhalt gebieten, wie die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) feststellte. In Amazonien seien bereits knapp 680.000 Quadratkilometer Regenwald – und damit 17 Prozent der ursprünglichen Fläche – vernichtet worden. Von den Regenwäldern entlang der Atlantikküste seien nur noch sieben Prozent erhalten.

Vergleichende Satellitenbilder des Bundesstaats Rondonia (Foto: NASA)
Aus der Luft und im Vergleich wird die Entwaldung erst richtig sichtbarBild: NASA

Einen Hoffnungsschimmer bietet das Projekt “Amazon Region Protected Area” (ARPA). Auch Deutschland unterstützt dieses Schutzprogramm. Ins Leben gerufen wurde es von da Silvas Vorgänger Fernando Henrique Cardoso. Dieser gab 1998 die internationale Zusage, zwölf Prozent des Regenwaldes bis 2012 unter strengen Schutz zu stellen. Zwischenzeitlich wurde die Zielmarke ins Jahr 2016 verschoben. Bis dahin sollen 600.000 Quadratkilometer Regenwaldfläche als Schutzgebiete deklariert werden.

Erste Wegmarken wurden bereits erreicht. So wurden bislang etwa 390.000 Quadratkilometer Fläche im brasilianischen Amazonien als föderale Schutzgebiete ausgewiesen. Davon wird nach Erkenntnissen der GTZ jedoch nur knapp die Hälfte – also lediglich vier Prozent der Fläche Amazoniens – streng geschützt. Zu wenig, sagt die GTZ.


Kritiker führen zudem den im Jahr 2009 erreichten Tiefstand bei der Entwaldung auf die Weltfinanzkrise zurück. "Die Nachfrage nach Rindfleisch, Soja und Holz ist drastisch gesunken", erklärt der Umweltschützer Paulo Adário von Greenpeace. Mit einem Bekenntnis für den Umweltschutz habe die nachlassende Entwaldung demnach nur teilweise etwas zu tun. Das bedeutet schlimmstenfalls: Sobald die Weltmärkte wieder verstärkt nach Brasiliens Exportschlagern verlangen, droht neuer Kahlschlag in Brasilien.

Autor: Martin Schrader
Redaktion: Klaus Esterluß