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Frauengesundheit hängt vom politischen Willen ab

8. Juni 2010

Von dem "Millenniumsziel 5", die Müttersterblichkeit bis 2015 um 75 Prozent zu senken, ist die Weltgemeinschaft in vielen Ländern noch weit entfernt. Auf einer Konferenz in Washington wird jetzt nach Lösungen gesucht.

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Ultraschalluntersuchung währende der Schwangeschaft (Foto: AP)
Vorsorgeuntersuchungen sind für viele Schwangere unerreichbarer LuxusBild: AP

Schwanger zu sein ist für viele Frauen gleichbedeutend mit einem Todesurteil. 343.000 Frauen starben 2008 weltweit im Zusammenhang mit Schwangerschaften und Geburten. In Washington diskutieren derzeit knapp 3500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 146 Ländern auf einer dreitägigen Konferenz, wie die Müttersterblichkeit verringert werden kann. Unter ihnen ist auch UN-Generalsekratär Ban Ki-Moon, und der zeigte sich zum Auftakt der Konferenz Women Deliver" gar nicht zufrieden mit der aktuellen Situation – zumal es eigentlich einfach sei, Müttersterblichkeit zu verhindern: "Einfache Bluttests, wenn möglich Konsultationen mit einem Arzt, qualifizierte Betreuung während der Geburt und vor allem Hebammen können einen großen Unterschied machen", so Ban Ki Moon in seiner Eröffnungsrede. "Wenn dann noch einfache Antibiotika, Bluttransfusionen, ein steriler Operationsraum und ein sicherer Transport der Schwangeren hinzukommen, kann das Risiko, durch eine Geburt zu sterben, auf nahezu Null reduziert werden", führte der UN-Generalsekretär weiter aus.

Vernetzte Lösungsansätze

Für viele Frauen sind diese einfachen Maßnahmen jedoch unerreichbar. Und so sterben sie an Blutungen, Bluthochdruck oder Blutvergiftungen, die einfach zu bekämpfen wären, oder bei verpfuschten Abtreibungen.

Deswegen hat der UN-Generalsekretär einen Aktionsplan entworfen, der im September auf dem Millenniumsgipfel in New York verabschiedet werden soll. Dabei geht es vor allem darum, internationale Organisationen, Regierungen, Stiftungen und die Privatwirtschaft besser zu koordinieren und die vorhandenen Ressourcen, also vor allem das Geld, effektiver zu nutzen. "Wir haben die Häppchentaktik schon ausprobiert. Probleme einzeln anzugehen, einzelne Gruppen zu mobilisieren, hat nicht funktioniert", so die Erkenntnis von Ban Ki Moon im Rückblick auf die gescheiterten Ansätze der vergangenen Jahre.

Zwölf Milliarden Dollar pro Jahr sind notwendig, hieß es auf der Konferenz, um die Müttersterblichkeit weltweit signifikant zu senken. Eine erste Spendenzusage gibt es bereits von der Bill & Melinda Gates Stiftung. Im Laufe der nächsten fünf Jahre sollen Programme für Mütter und Kinder mit 1,5 Milliarden US-Dollar unterstützt werden.

Eine Frage des politischen Willens

Doch das Wissen um die Mittel und das nötige Geld allein reichen nicht, um den Müttern zu helfen, sagt Dr. Fred Sai. Der Arzt aus Ghana ist einer der Mitbegründer der internationalen Initiative zur Müttergesundheit. Gefragt seien außerdem "Führungsstärke, der Zugang zu Bildung und das unermüdliche Einfordern von konkreten Maßnahmen".

Krankenhaus mit kostenloser Gesundheitsversorgung für Schwangere und Kleinkinder in Sierra Leone (Foto: AP)
Kostenlose Gesundheitsversorgung für schwangere und stillende Frauen hat die Müttersterblichkeit in Sierra Leone sinken lassenBild: AP

Mary Robinson, die ehemalige Präsidentin Irlands und frühere UN-Menschenrechtskommissarin, vermisst vor allem den politischen Willen, die Situation von Frauen und Mädchen zu verbessern. Wenn Zugang zu Gesundheitsversorgung als Menschenrecht behandelt wird, sagte die Präsidentin der Organisation "Realizing Rights" gegenüber DW-World.de, könnten Regierungen besser zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es um Diskriminierung, Gewalt gegen Frauen, Kinderheirat und fehlenden Zugang zu Familienplanung geht. "Die Frauen sollen sich gestärkt und im Besitz dieser Rechte fühlen – dem Recht auf Familienplanung, auf geschützte Mutterschaft - und die Regierung dafür verantwortlich machen, dass ihnen diese Rechte gewährt werden."

USA ändern Haltung zu Abtreibungen

Wie groß der Einfluss der Politik ist, zeigt sich nicht zuletzt in den USA. Mit großer Begeisterung wurde auf der Konferenz immer wieder festgehalten, dass Präsident Barack Obama die Entscheidung seines Vorgängers George W. Bush rückgängig gemacht und Finanzen für den Bevölkerungsfond der UN (UNFPA) freigegeben hat.

Antibaby-Pille (Foto: dpa)
Frauen sollen ein Recht auf Schwangerschaftsverhütung haben, fordert US-Gesundheitsministerin SebeliusBild: dpa - Report

Bush hatte das Geld gesperrt mit der Behauptung, der Fond würde Abtreibungen finanzieren. Die jetzige US-Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius betonte auf der Konferenz das Recht von Frauen, selbst die Zahl ihrer Kinder zu bestimmen, also das Recht auf Schwangerschaftsverhütung und Schwangerschaftsabbruch. "Wir wissen, dass bis zu einem Drittel der Frauen, die durch eine Schwangerschaft sterben, gerettet werden könnten, wenn man ihnen die Wahl bei einer ungeplanten Schwangerschaft ließe", so Sebelius.

Die Rolle der Männer

Eng mit dem politischen Willen, Frauen das Recht auf Bildung und Selbstbestimmung und damit auf bessere Lebensbedingungen zu gewähren, ist auch die Interpretation von religiösen Gesetzen verbunden. Margaret Chan, die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärt es so: "Wenn eine Frau mit akuten Wehen erst warten muss, dass ihr Mann nach Hause kommt und ihr die Erlaubnis gibt, ins Krankenhaus zu gehen, um zu entbinden, dann ist das ein Beispiel für eine Situation, die sich ändern muss."

Männer zu überzeugen und sie als Verbündete zu gewinnen sei deswegen besonders wichtig, betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz. Religiöse Führer, zum Beispiel in Afghanistan, könnten entscheidend dazu beitragen, die Rechte von Frauen zu fördern und zu schützen.

Die frühere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet plädiert für mehr Investitionen in Empfängnisverhütung (Foto: AP
Die frühere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet plädiert für mehr Investitionen in EmpfängnisverhütungBild: DW-TV

Afghanistan ist eines der sechs Länder, die für mehr als die Hälfte der jährlichen Todesfälle von Müttern verantwortlich sind. Es ist unwahrscheinlich, dass das Millenniumsziel 5 dort erreicht wird, genauso wenig wie in einer ganzen Reihe von anderen armen Ländern, sagt Mary Robinson: "Ich glaube, dass in einigen 'Schwellenländern das Ziel zwar insgesamt erreicht wird, es aber auch dort Gegenden und Minderheitsgruppen geben wird, bei denen das nicht der Fall ist."

Dabei ließe sich mit einer sinnvollen Gesundheitspolitik obendrein noch Geld sparen, erklärt Michelle Bachelet, die ehemalige Präsidentin von Chile, die selbst studierte Medizinerin ist: "Die Forschung hat nachgewiesen, dass jeder Dollar, der in Empfängnisverhütung investiert wird, vier Dollar Krankenkosten spart und 31 Dollar an Sozialausgaben wie Ausbildung, Unterkunft oder Sanitärversorgung."

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Mirjam Gehrke