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Ich bin ein Schumann-Fan

7. Juni 2010

Der Intendant des Dresdner Musikfestes, der Cellist Jan Vogler, ehrt seinen Lieblingskomponisten mit einer Sonder-Konzertreihe und tritt selbst als Solist des berühmten a-moll-Konzertes auf.

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Festivalintendant Jan Vogler (Foto: Mat Hennek)
Jan VoglerBild: Mat Hennek

Neben Leipzig und Düsseldorf gehört Dresden zu den wichtigsten Wirkungsstätten von Robert Schumann. Die sechs Jahre, die er mit seiner Familie an der Elbe verbrachte, gehören zu seinen fruchtbarsten. Hier sind zum Beispiel seine heitere 2. Sinfonie, die "Szenen aus Goethes Faust" sowie hunderte von Liedern und Klavierstücken geschrieben worden. Kein Wunder also, dass das traditionelle Dresdener Musikfest Robert Schumann mit einem Sonderprogramm ehrt. Das Festival findet dieses Jahr unter dem thematischen Motto "Russlandia" statt. Der angesagte Cellist Jan Vogler hat vor drei Jahren die künstlerische Leitung der Dresdner Musikfestspiele übernommen. Nun "missbrauchte" er gern sein Amt und spielte am ersten Festivalsonntag Schumanns Cello-Konzert a-moll höchstpersönlich in Begleitung des Pittsburgh Symphony Orchestra unter Leitung von Manfred Honeck.


"Eine Art Seelenverwandtschaft"

Der Cellist Jan Vogler steht in Dresden im Büro der Musikfestspiele (Foto: Matthias Hiekel/dpa)
Der Cellist Jan VoglerBild: picture-alliance/ ZB

Vogler versucht, seine Schumann-Liebe zu erklären. Er liebt an dem Komponisten genau diese Mischung: "Er hat den Anspruch, die Welt verändern zu müssen, und gleichzeitig ist er sehr privat und sehr intim. Diese Mischung macht ihn auch so zerrissen und so wunderbar verletzlich". Eine, so Vogler, "kostbare Qualität in der Kunst. Bei Schumann hat man das Gefühl, es könnte jeden Moment etwas Furchtbares passieren, und gleichzeitig ist es wunderschön.“

Für den 45-jährigen Vogler ist Dresden eine wichtige Stadt. Hier hat er vor 25 Jahren als erster Cellist der Staatskapelle seine Karriere begonnen. Nun ist er als Festivalleiter da. Voglers Konzept, die Anzahl der Konzerte radikal zu reduzieren, dafür aber wirklich Hochkarätiges nach Dresden zu holen, fand großen Publikumszuspruch und viel Presselob. Die thematische "Rezeptur" des Programms: circa 70 Prozent "Kommentare zum gewählten Thema" - diesmal "Russlandia" - und 30 Prozent Musikgeschichte Dresdens.

Schumann und Dresden

Die Dresdner Innenstadt(Foto: AP Photo/Matthias Rietschel)
Die Dresdner InnenstadtBild: AP

Der gewählte Länderschwerpunkt passt gut. Immerhin hat Schumann seine weiteste und auch exotischste Reise an der Seite seiner Frau nach Moskau unternommen – und zwar im gleichen Jahr, als er nach Dresden zog, 1844. "Und nun war es eine wunderbare Aufgabe zu sagen: Schumann und Dresden – das gehört zusammen. Sowieso bin ich ein Schumann-Fan, und ich denke, dass gerade jetzt, in diesem Jahr müssen wir die Chance nützen, weil er ist noch nicht so bekannt, wie man es denken mag, und da wird auch nicht so viel aufgeführt. Es gibt Statistiken, und da kann man sich nur wundern, wie weit weg ist er von Mozart, Beethoven, Brahms oder auch Strauss.“


Kein fremdes Land

Dresdner Musikfestspiele - Russlandia (Foto: Dresdner Musikfestspiele)
Dresdner Musikfestspiele - Russlandia


Aber auch mit dem zweiten musikalischen Aspekt des Festivals – dem hochkarätig besetzten "Russlandia"-Programm – sprechen Vogler und sein Team die Stadtgeschichte an. Nach dem Amerika-Schwerpunkt im letzten Jahr, der unter dem Motto "Neue Welt" gefeiert wurde, schaut nun Dresden, eine Begegnungsstätte zwischen Ost und West, bewusst "auf das andere Ufer". "Russland, die Sowjetunion hat Dresden dominiert," erinnert sich Jan Vogler. "Hier gab es viele russische Truppen, der "große Bruder" hatte ganz viel Einfluss." Heute aber, so Vogler, merken die Menschen, dass nicht nur die sowjetische Militärpräsenz, sondern auch die russische Kultur ein Teil ihrer Jugend war. "Wir haben uns sehr darauf gefreut, dass das Dresdner Publikum so spontan und so offen auf das Thema zugeht. Wir mussten uns daran gewöhnen, wie stark die Kartennachfrage war. Das ganze Team hat gesagt: Neue Welt – das wird laufen, und Russland… wir schauen mal. Und die Kartennachfrage war noch höher als im letzten Jahr! Das Publikum liebt diese Kultur!"

Dirigent Valery Gergiev (Foto: KEYSTONE/Urs Flueeler)
Valery GergievBild: picture alliance / dpa

Neben zahlreichen angesagten Solisten kam auch das Russische Nationalorchester unter Mikhail Pletnev und Valery Gergiev mit seinem Orchester des Mariinsky-Theaters. Auch den umtriebigen russischen Maestro, einen gebürtigen Osseten, verbinden mit Dresden sehr persönlich Erinnerungen. Vor 30 Jahren hat er hier das erste Mal gespielt, als junger Assistent des Dirigenten an dem Kirov-Theater in Leningrad. "Mich schaudert bis jetzt, wenn ich mich an den Zustand der Stadt von damals erinnere, sagt Maestro. Übrigens: Genau so sah auch die ossetische Stadt Tschinwali aus nach dem Krieg im August 2008. Es klingt vielleicht pathetisch, aber wir, die Weltöffentlichkeit, müssen alles tun, damit so etwas nie wieder passiert.“

Autorin: Anastassia Boutsko
Redakteurin: Gudrun Stegen