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"Unterhalb der Eskalationsschwelle"

26. Mai 2010

Seit Ende März eine südkoreanische Korvette in nordkoreanischen Gewässern beschossen wurde und sank, steigen die Spannungen zwischen beiden Ländern. DW-WORLD sprach darüber mit dem Politikwissenschaftler Markus Tidten.

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Untersuchung der Wrackteile (Foto: AP)
Untersuchung der WrackteileBild: AP

DW-WORLD.DE: Es heißt, Nordkorea sei schuld am Untergang der südkoreanischen Korvette. Nordkorea bestreitet das nach wie vor. Wie aussagekräftig ist denn das Ergebnis der internationalen Untersuchungskommission?

Markus Tidten: Die sogenannte internationale Kommission ist zwar tatsächlich international, aber deshalb nicht notwendigerweise neutral. Sie ist ja eine südkoreanisch-amerikanisch geführte Kommission. Das heißt, die Unterlagen, die zur Verfügung gestellt wurden, kamen von Südkorea und den USA. Das darf man nicht vergessen. Und wenn man den Text genauer durchliest, fällt auf, dass der Frage ausgewichen wird, inwieweit man sicher sein kann, dass Nordkorea verantwortlich ist. Es gilt nur die Formulierung, dass die nordkoreanische Verantwortung die plausibelste Erklärung sei. Das ist etwas anderes als eine definitive harte Faktenlage.

Warum hat man diese Kommission so angreifbar gemacht. Man hätte ja auch China, das als nordkoreafreundlich gilt, mit einbeziehen können?

Das ist eines der Fragezeichen, die ich selbst habe. Wenn man wirklich daran interessiert gewesen wäre, ganz genau zu wissen, was dort passiert ist, wäre das eigentlich die Lösung gewesen. Warum das nicht passiert ist, darüber können wir nur spekulieren.

Überrascht Sie der scharfe Ton, der aus Südkorea angeschlagen wird?

Markus Tidten von der Stiftung Wissenschaft und Politik (Foto: DW-TV)
Markus Tidten von der Stiftung Wissenschaft und Politik

Eigentlich nicht. Wir haben mit der Regierung Lee Myung-baks wieder eine nationalkonservative Regierung in Seoul. Und wir wissen, dass gerade Lee selbst von der sogenannten Sonnenscheinpolitik, der Annäherungspolitik seiner Vorgänger, wenig hält. Die starke, falkenhafte Haltung gegenüber Nordkorea war immer schon der Duktus Lees. Und man darf nicht übersehen, dass in Südkorea Wahlen bevorstehen. Die Partei Lee Myung-baks ist auf eine Begründung für eine 'robuste' Sicherheitspolitik angewiesen - um es vorsichtig zu formulieren. Das kann man natürlich machen, indem man glaubhaft macht, dass es sich bei der anderen Seite um einen Provokateur handelt, der ohne Rücksicht auf Verluste südkoreanische Korvetten mit Torpedos beschießt. Der Besuch der amerikanischen Außenministerin, die ja jetzt nach einem Chinabesuch anreist, um zu vermitteln, ist sehr löblich...

...aber sie fordert ja auch eine geschlossene internationale Reaktion. Also stellt sie sich ganz klar auf eine Seite.

Sie will natürlich sicherstellen, dass niemand einen Keil in die Allianz zwischen Südkorea und den USA treibt. Es gibt in der Region für die USA zwei wichtige Allianzen. Das ist einmal die amerikanisch-südkoreanische Allianz, die an die Teilung des Landes gebunden ist. Und es gibt die Allianz mit den Japanern. Es ist Politik aller amerikanischen Regierungen gewesen, in dieser Region eine ordnungspolitische Macht sein zu wollen. Und dazu sind Bündnisallianzen wichtig. Deshalb diese Betonung auf die einheitliche Haltung.

Hat denn das Ausland überhaupt Möglichkeiten, schlichtend auf diese Konfliktparteien einzuwirken?

Direkt auf Südkorea, die USA oder China einzuwirken, ist weniger möglich. Was man aber machen kann, ist, in die Palette der Hilfsangebote für Nordkorea einzusteigen. Damit könnte man der Politisierung dieser Sicherheitspolitik aus dem Weg gehen. Etwas anderes können Europäer dort nicht machen. Wir können weder über die NATO, noch über die Bundeswehr dort irgendetwas machen, sondern nur über Nichtregierungsorganisationen. Das hängt aber an der Frage, inwieweit Nordkorea überhaupt andere Hilfe als die chinesische akzeptiert.

Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass diese Situation zwischen Nord- und Südkorea militärisch eskalieren könnte?

Die halte ich für gering. Die Geschichte dieser sogenannten Provokationsaktionen aus Nordkorea zeigt, dass sie sich immer unterhalb der Eskalationsschwelle bewegt. Der Preis ist für beide Seiten zu hoch.

Das Gespräch führte Tobias Oelmaier
Redaktion: Mathias Bölinger

Markus Tidten ist Sicherheitsexperte für Ostasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin

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