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"Staatskunst ist auch Kunst"

26. Mai 2010

In Wien zeigt eine Ausstellung Kunst aus Nordkorea. Nun ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob man solche Propagandawerke unkommentiert zeigen dürfe. Der Museumsdirektor Peter Noever verteidigt das Projekt.

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"Himmel", Ri Sok Nam, 2005Bild: Korean Art Gallery, Pyongyang

DW-WORLD.DE: Herr Noever, Nordkorea ist ein international weitgehend abeschotteter Staat aus dem nur wenig nach außen dringt. Auch viele der Bilder, die jetzt in Wien zu sehen sind, waren vorher noch nie außer Landes. Wie schwierig war denn die Realisation?

Peter Noever: Dieses Ansinnen einer Ausstellung hat die Nordkoreaner sehr überrascht. Wir sind jetzt seit vier Jahren mit diesem Ausstellungsprojekt beschäftigt. Es ging immer wieder hin und her. Es gab natürlich ein gewisses Misstrauen: Warum möchten wir überhaupt diese Ausstellung machen? Was wollen wir damit verbinden? Aber das Misstrauen existiert auf beiden Seiten - dort, wo ausgestellt wird und dort, wo die Objekte herkommen.

Ging es ihnen dabei um die Tatsache, überhaupt Kunst aus Nordkorea einem westlichen Publikum zugänglich zu machen, oder geht es tatsächlich um den künstlerischen Wert?

Die Diskussion zeigt, dass es wichtig ist, sich voll auf das Fremdartige, das Unbekannte einzulassen und sich damit auseinanderzusetzen. Das ist nicht die vornehmste, sondern die zentrale Aufgabe einer Kunstinstitution - gerade in einer Welt, in der das Fremde immer mehr ausgegrenzt wird. Und zum Anderen ist das der Versuch, nicht immer alles misszuverstehen und zu kontextualisieren. Es ist klar, dass es Vorbehalte gibt. Aber die Ausstellung führt eben zu Diskussionen, die vorher nicht geführt wurden. Es ist interessant, dass das so ein Erreger ist, denn alles andere ist ja längst geklärt. Jeder kann lesen, jeder kann sich die Informationen holen. Jeder weiß ja, worum es politisch geht. Wir werden uns dazu politisch nicht äußern.

Flash-Galerie Blumen für Kim Il Sung
Ölmalaerei, Tuschzeichnungen, Architekturmodelle und Plakate sind bis September in Wien zu sehen.Bild: Wolfgang Woessner/MAK

Das heißt, diese Kritik, dass eben der Kontext nicht dargestellt ist, dass die Exponate unkommentiert ausgestellt werden, die wischen sie vom Tisch?

Wenn man sich wirklich auf die Kunst einlässt, dann geht das nicht. Man könnte eine Hierarchie aufstellen: Zuerst kommt das Politische, dann das Gesellschaftspolitische und zum Schluss die Kunst und die Künstler. Aber dann ist die Kunst zertrümmert. So hätten das Viele gern, aber dann hätte man Null Information. Abgesehen davon hätte es dann auch kaum die Möglichkeit gegeben, diese Kunst hier zu zeigen, denn natürlich waren die Verhandlungen kompliziert, das habe ich ja schon erwähnt. Man darf nicht übersehen, dass es auch für diejenigen, die hier ihre Werke zeigen, das erste Mal ist, dass sie nicht mehr unter dieser Schutzhaube des eigenen Landes sind. Es gibt hier eine freie Presse und es weht ein anderer, ein rauer Wind. Diese Ausstellung ist der erste Schritt einer Auseinandersetzung.

Kommen wir auf die Exponate zu sprechen: Sie zeigen Ölbilder, Tuschemalereien, Aquarelle und auch Plakate. Wodurch zeichnet sich denn diese zeitgenössische nordkoreanische Kunst aus, welche Motive dominieren da?

Die Werke zeigen größtenteils den Alltag und in gewisser Hinsicht ist es natürlich eine Beschönigung oder eine Verherrlichung des Alltags. Das ist keine Frage.

Flash-Galerie Blumen für Kim Il Sung
Nordkoreanische Kunst verherrlicht vor allem den Alltag: "Frühmorgens", Ri Tong Gon, 2010Bild: Korean Art Gallery Pyongyang

Und wieviel ist an den Bildern aus ihrer Sicht tatsächlich Kunst, wieviel reine Propaganda?

Es ist alles Kunst! Es sind Künstler und die produzieren Kunst, das steht außer Frage. Und wenn es bestimmten Geschmacksvorstellungen nicht behagt, bleibt es trotzdem Kunst. . Ich glaube, da muss man sehr vorsichtig sein mit einer Bewertung. So kann man an diese Dinge nicht herangehen.

Was ist denn Kunst in Nordkorea, welchen Stellenwert hat Kunst dort?

Die Kunst ist eine Staatskunst - im Unterschied zu einer Kunst, wie wir sie kennen oder wie sie hier betrieben wird. Sie ist angeleitet und natürlich in gewisser Weise auch kontrolliert. Das wissen Sie so gut wie ich. Deshalb kann mann aber noch nicht sagen, das sei keine Kunst. Wenn solche Systeme zu Ende gehen, das wissen Sie auch, dann entsteht auf dem Kunsmarkt um genau diese Werke ein Hype. Das kann man zum Beispiel in der Sowjetunion sehen. Auch in China stürzt man sich heute auf Objekte, von denen man vor 25 Jahren gesagt hat, das sei keine Kunst. Ich glaube zwar nicht, dass der Kunsmarkt das entscheidende Kriterium für die Bewertung der Kunst ist, aber man muss trotzdem vorsichtig sein mit diesen Ausgrenzungen und man muss erst recht vorsichtig sein mit Bilderverboten. Natürlich kann man diese Kunst zeigen. Man kann diskutieren unter welchen Bedingungen, aber auch da muss es eine Bandbreite geben und nicht ein Diktat.

Das Gespräch führte Esther Broders
Redaktion: Mathias Bölinger

Die Ausstellung "Blumen für Kim Il Sung - Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Korea" ist noch bis zum 5.9.2010 im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) zu sehen.