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Wirtschaftsspionage nimmt zu

26. Mai 2010

Mindestens 20 Milliarden Euro Schaden richtet Wirtschaftsspionage jährlich in Deutschland an. Die Bedrohung hat durch die globale Vernetzung deutlich zugenommen. Die Gegner sind dabei alte Bekannte.

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Ein Man mit einem Handy schaut durch einen Türspalt (Foto: dpa)
Wer keine Sicherheitsvorkehrungen trifft, wird schnell ausgespähtBild: picture alliance/ZB

In der guten alten Spionagezeit ging es noch um das große Ganze. Zu Zeiten des Kalten Krieges duellierten sich die Blöcke in West oder Ost um Macht, Einfluss und die Frage, welche Ideologie die Überlegene sei: Kapitalismus oder Kommunismus. Heute geht es dagegen immer öfter um Technologien und Knowhow der Wirtschaft und Wissenschaft. Die Wirtschaftsspionage trifft Deutschland damit an seiner Achillesferse, denn auf jenen Werten gründet der Wohlstand der Bundesrepublik.

Ein Besucher filmt auf der Internationalen Automobilausstellung IAA einen Motor mit seiner Videokamera (Foto: dpa)
Schnell abgefilmt: deutsche Technologie gilt als begehrtBild: picture alliance/dpa

"Die Gefährdung der deutschen Wirtschaft durch Wirtschaftsspionage und auch durch Konkurrenzausspähung ist nach unseren Erkenntnissen sehr konkret", sagt Burkhard Even, der die Spionageabwehr beim Bundesverfassungsschutz leitet. Seine Behörde unterstützt insbesondere deutsche Unternehmen, die von ausländischen Geheimdiensten ausgespäht werden. Und zumindest dort scheint sich nichts geändert zu haben seit den Zeiten des Kalten Krieges: die Gegner sind immer noch die Gleichen: "Wenn sie nach Ross und Reiter fragen, es gibt zwei Staaten, die besonders auffallen in Sachen Wirtschaftsspionage: China und Russland", bringt es der Verfassungsschützer auf den Punkt. Allerdings sei die Konkurrenzausspähung, also die Spionage durch Unternehmen, ein weltweites Phänomen.

70.000 Arbeitsplätze bedroht

Der Schaden, der der deutschen Volkswirtschaft durch den Diebstahl von Technologie und Knowhow entsteht, ist erheblich: "Der tatsächlich realisierte Schaden dürfte sich bei 20 Milliarden Euro bewegen", schätzt Berthold Stoppelkamp von der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft. Weniger vorsichtige Schätzungen gehen sogar von 50 Milliarden Euro aus. Denn viele Fälle bleiben unentdeckt. "Es gibt eine sehr, sehr hohe Dunkelziffer", sagt Burkhard Even. "Vielfach werden uns Verdachtsfälle nicht gemeldet, weil Firmen sie entweder gar nicht bemerken oder aber weil sie Sorge haben, dass ihr Unternehmen Schaden nehmen könnte, wenn eine Verfassungsschutz- oder Polizeibehörde Ermittlungen anstellt."

Ein Fotograf vor der chinesichen und der deutschen Flagge (Fotomontage: DW)
Deutschland ist im Visier chinesischer SpioneBild: DW

Allein 70.000 Arbeitsplätze seien allein in Deutschland direkt durch die Wirtschaftsspionage bedroht, schätzen Experten. Denn nicht nur im Fußball gilt: Wer seine Defensive vernachlässigt, verliert. Wenn Unternehmensgeheimnisse also nicht vor Zugriffen von Außen geschützt werden, ist ein Konzern schnell nicht mehr konkurrenzfähig.

Mit der Kamera am Gürtel

Die Methoden sind dabei oft sehr viel simpler als gedacht: Ein motivierter Praktikant, der gerne nach Dienstschluss länger bleibt, ein freundlicher Geschäftspartner, der bei der Firmenbesichtigung eine Kamera am Gürtel trägt oder ein Trojaner, der sich unbemerkt über einen Emailanhang ins System schleicht. Besonders bei vielen kleineren Unternehmen ist das Bewusstsein für die Gefahren durch Wirtschafts- und Industriespionage nicht sehr ausgeprägt, warnt Verfassungsschützer Burkhard Even, der die mittelständischen Unternehmen ermuntert, sich bei einem Verdacht auf Wirtschaftsspionage auch an seine Behörde zu wenden.

Ein Arbeiter steht auf einem Gerüst und trägt ein Brett(Foto: dpa)
Auch dem deutschen Mittelstand entstehen Schäden durch WirtschaftsspionageBild: picture-Alliance/dpa

An Bedeutung zugenommen haben insbesondere Angriffe aus dem Internet wie Michael Hange vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik warnt. Um diesen Attacken auf Unternehmensinterna zu begegnen, sei ein Sicherheitskonzept dringend notwendig: "Man braucht ein IT-Sicherheitsmanagement, eine IT-Sicherheitskultur, Leitlinien und man muss die Mitarbeiter sensibilisieren." Außerdem müsse man identifizieren, welche Informationen höchsten Schutzbedarf haben. Besonders bei sensiblen Daten seien Verschlüsselungen unumgänglich, so dass nichts direkt mit dem Internet verbunden sei.

Zwar unterstützt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hauptsächlich Behörden. Doch auch Unternehmen können in IT-Sicherheitsfragen beraten werden. Gerade kleinere Unternehmen können sich aufwändige Sicherheitsmaßnahmen kaum leisten. Dennoch rät Hange zu einem Mindestmaß an Absicherung: "Wesentlich ist zumindest ein aktueller Virenschutz, eine Firewall, aber auch die aktuellen Versionsstände der Standardsoftware. Denn Schwachstellen in der Software werden laufend für Angriffe genutzt."

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Monika Lohmüller