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Barroso nennt deutsche Politik "naiv"

25. Mai 2010

Der EU-Kommissionspräsident hat den deutschen Politikern vorgeworfen, sie seien mit schuld an der öffentlichen Ablehnung des Euro-Rettungspakets. Und das, obwohl gerade Deutschland vom Euro profitiert habe.

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Jose Manuel Barroso (Foto: AP)
Jose Manuel Barroso: Euro ist eine "sehr starke Währung"Bild: AP

"Deutschland war bisher ein großer Gewinner des Euro. Ich finde, dass mehr Politiker in Deutschland das deutlich sagen sollten", betont EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Dienstag (25.05.2010). Zwar zweifele die Mehrheit der Deutschen nicht an der Zukunft der europäischen Währung. Dennoch seien viele Deutsche empört darüber, "dass sie die Zeche für andere zahlen sollen".

Euro-Banknoten und Münzen (Foto: picture alliance)
888,88 Euro: Farbenfroh, aber auch stabil?Bild: picture-alliance/ ZB

Barroso verwies auf den deutschen Handelsüberschuss von 134 Milliarden Euro: "Weiß die deutsche Öffentlichkeit eigentlich, dass fast 86 Prozent von diesen 134 Milliarden, nämlich 115 Milliarden, aus dem Handel in der EU stammen?" Zugleich kritisierte der Kommissionspräsident, dass die Bundesregierung anfangs den Eindruck erweckt habe, sie wolle dem vor der Zahlungsunfähigkeit stehenden Griechenland gar nicht beistehen.

"Fast unmöglich"

Mit Blick auf die Forderung der Bundesregierung nach einer Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes äußerte sich Barroso skeptisch. "Wir haben gerade eine Vertragsreform hinter uns, die uns teilweise traumatische Erfahrungen beschert hat. Es wäre naiv zu glauben, dass man eine Vertragsreform nur in den Bereichen machen kann, die für Deutschland wichtig sind", sagte der Kommissionspräsident.

So sei es verfassungsrechtlich "fast unmöglich", Haushaltssündern das Stimmrecht über die bereits bestehenden Möglichkeiten hinaus zu entziehen. Genau dies hatte jedoch Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Gespräch gebracht. Offen zeigte sich Barroso hingegen für Vorschläge, die Auszahlung von EU-Hilfen an die Haushaltsdisziplin zu koppeln.

D-Mark-Scheine (Foto: picture alliance)
Viele Deutsche trauern "ihrer" D-Mark hinterherBild: Bundesbank

Deutsche Stabilitätskultur

Um aus der Krise herauszukommen, müssten Ungleichgewichte bei der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Länder abgebaut werden. Ohne eine bessere Abstimmung der Wirtschaftspolitik werde es nicht gelingen, den Euro zu stabilisieren, meinte Barroso.

Das Problem sei nicht die Gemeinschaftswährung, sondern die Überschuldung der öffentlichen Haushalte. Er hoffe, dass sich als Reaktion darauf nun die deutsche Stabilitätskultur in ganz Europa durchsetze, sagte der Kommissionspräsident. So oder so: Er gehe jedenfalls nicht von einem Scheitern des Euro aus, betonte Barroso. Dieser sei schließlich "eine sehr starke Währung".

Autor: Christian Walz (afp, rtr)
Redaktion: Siegfried Scheithauer