1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Libanons Patriarch Nasrallah Sfeir wird 90

15. Mai 2010

Er ist Kardinal und politisches Schwergewicht im Libanon zugleich: Nasrallah Boutros Sfeir. Jetzt ist der "Vater der Nation" 90 Jahre alt geworden. Doch zur Ruhe setzt er sich nicht.

https://p.dw.com/p/NNi1
Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir (Foto: AP)
Kardinal Nasrallah Boutros SfeirBild: AP

Wie viele 90-Jähige sind wohl mit einem eigenen Profil beim Internet-Netzwerk Facebook vertreten? Mit mehreren hundert "Fans", täglich aktuellen Blog-Einträgen und politischen Kommentaren? Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir ist am Samstag (15.05.2010) 90 Jahre alt geworden - aber von Rente kann keine Rede sein: Sfeir gilt als "Vater der Nation", leitet bereits seit 24 Jahren die Geschicke der maronitischen Kirche und gestaltet die politische Landschaft des Libanon aktiv mit.

Ernannt zum Kardinal

Kardinal Nasrallah Boutros Sfeir (Foto: AP)
Kardinal Nasrallah Boutros SfeirBild: AP

Geboren am 15. Mai 1920 nördlich von Beirut, studierte Sfeir Theologie und Philosophie. Nach Jahren als Lehrer wurde er 1961 Generalvikar, ein Jahr später Bischof, gut zehn Jahre später Erzbischof. 1986 wählte ihn die Synode zum "maronitischen Patriarchen von Antiochien und dem Ganzen Osten". Papst Johannes Paul II. verlieh Sfeir Anfang der 90er Jahre den Kardinalstitel. Die Maroniten sind eine der größten und ältesten Religionsgemeinschaften im Libanon, ihre Anhänger sind Christen, sie sind mit dem Vatikan verbunden und erkennen den Papst als Oberhaupt an.

Politisches Gewicht

Demonstration (Foto: AP)
Die Zedernrevolution bewirkte den Abzug der syrischen TruppenBild: AP

Aber Nasrallah Sfeir ist viel mehr: In den vergangenen Jahrzehnten hat seine Stimme im Libanon ein politisches Gewicht bekommen, das das politische Geschehen im Land entscheidend mitbestimmt. Sein Einfluss bleibt bis heute groß, obwohl der Anteil an Christen im Libanon durch Abwanderung stetig sinkt.

Unter anderem stieß Sfeir die libanesische Zedernrevolution mit an: Mehrmals kritisierte er den syrischen Einfluss im Libanon und verlangte den Abzug der syrischen Truppen. In einer Weihnachtspredigt forderte er den anwesenden, pro-syrischen Präsidenten Emile Lahoud ganz offen zum Rücktritt auf. Schließlich erreichte die so genannte Zedernrevolution im Jahr 2005 den vollständigen Rückzug der syrischen Besatzungsmächte aus dem Libanon.

Unangemessene Einmischung?

Kritiker werfen Sfeir schon lange eine unangemessene Einmischung in die Politik vor, die pro-westliche und anti-syrisch/-iranische Liga unterstützt Sfeir. In der Regel beschränkt sich der Patriarch auf politische Mahnungen. Als der Libanon zum Jahreswechsel 2007/2008 keinen Präsidenten hatte, forderte er die streitenden Parteien zum schnellen Handeln auf. Schließlich erstellte er für die internationale Gemeinschaft eine Liste mit möglichen Präsidentschaftskandidaten.

Humorvoll und geistreich

Generell galt Sfeir immer als starke Stimme für Vernunft und Mäßigung während Zeiten politischer Unruhe im Libanon. Er wird als humorvoller und geistreicher Mann beschrieben. Neben seiner Muttersprache Arabisch spricht er unter anderem fließend Aramäisch, Italienisch, Englisch, Französisch und beherrscht Latein. Auch wenn Beobachter sagen, Sfeir habe in letzter Zeit etwas "müde" gewirkt - an einen Rücktritt ist für den 90-Jährigen nicht zu denken. Lieber aktualisiert er wohl noch einmal sein Profil auf Facebook.

Autorin: Anna Kuhn-Osius (kna, dpa, ap)

Redaktion: Nicola Reyk