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Deutscher Ingenieur will Müllproblem in der peruanischen Hauptstadt lösen

12. Mai 2010

Er stapelt sich auf der Straße, zieht Ratten an und stinkt: der tägliche Abfall in Lima. Der deutsche Agraringenieur Alois Kennerknecht hat eine Art unterirdischen Komposthaufen erfunden und zeigt Touristen die Erfolge.

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Bild: DW

Alois Kennerknecht organisiert seit knapp acht Jahren alternative Stadtrundfahrten durch Lima. Diese beginnen dort, wo die meisten Touristen übernachten: in dem wohlhabenden Bezirk Miraflores. Mehrstöckige Hochhäuser, Banken und Hotels prägen hier das Stadtbild.

Doch nur ein paar Auto-Minuten von Miraflores entfernt liegt der Bezirk Pamplona Alta. Hier gibt es nur noch einfache Hütten, die in die kargen Berghänge gebaut wurden. Dies ist eigentlich keine Gegend für Touristen – aber genau hier organisiert der Agraringenieur seine alternativen Stadtrundfahrten. "Ich möchte das Bild der Touristen korrigieren, es gebe nur Armut, Elend und Gewalt in den 'Jungen Dörfern'", sagt Kennerknecht.

Unterirdische Komposthaufen für die "Jungen Dörfer"

Ecosilos
In die Ecosilos gehören sämtliche biologischen Haushaltsabfälle: von Bananen- und Eierschalen bis hin zu Gemüseresten.Bild: DW

Die Elendsviertel in Lima werden "Junge Dörfer" genannt, weil sie erst vor kurzer Zeit entstanden sind. Auch die Bewohner sind überwiegend jung und vom Land in die Stadt gezogen, um hier Arbeit zu finden. "Die Verhältnisse hier sind nicht mit denen in den Philippinen oder Rio de Janeiro zu vergleichen", erklärt Kennerknecht. "Dennoch nehmen die Menschen eine schlechte Abwasser-Versorgung in Kauf, beziehen ihren Strom aus illegalen Leitungen und fahren auf ungeteerten Strassen."

Ein großes Problem in den "Jungen Dörfern" ist auch der Müll, der sich an jeder Ecke stapelt. Der Gestank von faulendem Abfall liegt überall in der Luft. Genau dagegen hat Kennerknecht etwas getan und das so genannte "Ecosilo" entworfen. Es ist eine Art unterirdischer Komposthaufen, der bis zwei Meter unter die Erde reicht. Das "Ecosilo" bringt viele Vorteile, denn der Biomüll unter der Erde zieht keine Ratten mehr an, stinkt nicht und wird nach etwa einem halben Jahr zu wertvollem Humus. Damit können die Menschen dann kleine Obstgärten anlegen oder Bäume auf den kargen Hügeln pflanzen. Die Früchte oder den Humus verkaufen sie dann auf dem Markt und können sich damit ein kleines Zubrot verdienen.

Großer Widerstand von offizieller Seite

Ecosilos
Die Gemeinden Limas haben die Begrünungsversuche von Kennerknecht schon mehrmals boykottiert, viele Berge bleiben karg und sandig.Bild: DW

Umgerechnet einen Euro im Monat kostet der Erhalt eines "Ecosilos" – auch für die arme Bevölkerung ein Beitrag, den man aufbringen kann. "Mit dem Geld wird der Unterhalt der 'Ecosilos' gewährleistet, denn diese müssen geleert und gesäubert werden. Außerdem finanziere ich mit dem Geld den Bau neuer 'Ecosilos'", erklärt Kennerknecht.

Das System wurde so durchdacht, dass es von den Gemeinden Limas flächendeckend eingeführt werden könnte. "Wir würden uns um den Erhalt der 'Ecosilos' kümmern und die Gemeinden könnten so bis zu 80 Prozent des Mülls auf der Strasse vermeiden. Einige Gemeinden haben dafür sogar Geld von der Europäischen Union bekommen – passiert ist bisher jedoch nichts", sagt Kennerknecht. An der flächendeckenden Einführung der "Ecosilos" haben die Gemeinden offensichtlich kein Interesse, denn wenn sie weniger Müll beseitigen müssten, bekämen sie auch weniger Geld von der Stadtverwaltung.

Großes Interesse und viel Engagement

Ecosilos
Seit acht Jahren führt Kennerknecht Touristengruppen durch die "Jungen Dörfer" - die meisten Teilnehmer sind von seiner Arbeit beeindruckt.Bild: DW

Das Interesse in den "Jungen Dörfern" ist hingegen groß. Viele hundert "Ecosilos" hat Kennerknecht bereits in Innenhöfen und Gärten installiert – auch in Gefängnissen und Schulen. So konnte in Pamplona Alta zum Beispiel ein ganzer Hügel begrünt und Obstbäume gepflanzt werden. "Ich bin total beeindruckt von dem Mut der Leute", sagt die deutsche Touristin Ute Wöhlert. Die Heilpraktikantin hat über Bekannte von der alternativen Stadtrundfahrt erfahren und freut sich über die Ausdauer der Bewohner: "Die sind überhaupt nicht verzweifelt, im Gegenteil: Sie kämpfen, um aus ihren Möglichkeiten das Beste zu machen. Und sie wirken in keinster Weise depressiv in ihrer sozialen Situation."

Auch der deutsche Arzt Peter Nitschke nimmt zum ersten Mal an der alternativen Stadttour teil: "Man hat so den Eindruck, dass doch alles sehr ärmlich, schmutzig und unaufgeräumt ist – aber wenn man dann in die kleinen Läden, die Schule oder in eine Wohnung reinschaut, dann sieht man, dass die hier genauso reinlich sind, wie wir auch." Kennerknecht hat mit seinem Projekt in Lima also gleich zwei Dinge erreicht: er trägt dazu bei, den Biomüll von Limas Straßen zu verbannen und zeigt Touristen aus aller Welt, welche Fortschritte es in den "Jungen Dörfern" gibt.

Autor: Yannick Jochum

Redaktion: Oliver Pieper