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Kommentar

22. April 2010

Die Ukraine erhält 30 Prozent Rabatt beim Gaspreis. Als Gegenleistung darf die russische Schwarzmeerflotte bis 2042 auf der Krim bleiben. Doch der Deal ist langfristig von Nachteil für Kiew, meint Ingo Mannteufel.

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Portrait von Ingo Mannteufel (Foto: DW)

Kurzfristig hilft das Abkommen über den Gaspreisrabatt und die weitere Stationierung der Schwarzmeerflotte dem neuen Präsidenten Janukowitsch die wirtschaftlich und finanziell schwer angeschlagene Ukraine durch die nächsten Monate und vor allem den nächsten Winter zu bringen. Denn höhere Gaspreise hätten nicht nur eine erhebliche Belastung für große Bevölkerungsschichten dargestellt - und damit soziales Protestpotential. Vielmehr ist der Gaspreis ganz entscheidend für die wirtschaftliche Perspektive der energieintensiven ukrainischen Industrie, deren mächtige Besitzer erheblichen Einfluss auf die ukrainische Politik haben. Mit der neuen Regelung wird die Ukraine auf die nächsten zehn Jahre gerechnet jährlich einige Milliarden US-Dollar weniger zahlen müssen. Doch der Deal enthält Implikationen, die der Ukraine langfristig noch teuer zu stehen kommen könnten.

Debatte über NATO- und EU-Beitritt beendet

Viktor Janukowitsch, Präsident der Ukraine und Dimitrij Medwedjew, russischer Präsident, treffen sích in Charkiw (Foto: AP)
Abkommen in Charkiw: Medwedjew und JanukowitschBild: AP

Denn mit der Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim fast bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts nimmt sich die Ukraine entscheidende außenpolitische Optionen: Ein von Janukowitschs Vorgänger Juschtschenko angestrebter NATO-Beitritt der Ukraine war zwar ohnehin schon unwahrscheinlicher geworden. Mit dem jetzigen russisch-ukrainischen Abkommen hat diese Debatte ganz im Sinne des Kremls einen Schlusspunkt gefunden.

Doch nicht nur ein NATO-Beitritt ist nun auf lange Sicht ausgeschlossen, auch eine Diskussion über einen EU-Beitritt ist wohl erst einmal erledigt. Es ist jedenfalls schwer denkbar, dass die EU ein Land aufnimmt, das sich so lange sicherheitspolitisch auf Russland festlegt und Moskau diese große Militärbasis einräumt. Die europäischen Skeptiker eines EU-Beitritts der Ukraine haben nun ein sehr plastisches Argument in die Hand bekommen. Von entscheidender Bedeutung wird nun noch die Frage sein, ob sich die Ukraine demnächst der Zollunion von Russland, Belarus und Kasachstan anschließt oder doch noch eine Freihandelszone mit der EU anstrebt.

Wirtschaftspolitisch falsches Signal

Das neue Abkommen schränkt aber nicht nur langfristig die außenpolitischen Handlungsoptionen der Ukraine ein und stellt die proklamierte Neutralität der Ukraine in Frage. In wirtschaftspolitischer Hinsicht verhindert der deutliche Rabatt beim Gaspreis die dringend erforderliche Modernisierung der ukrainischen Wirtschaft. Um die Produkte der ukrainischen Industrie langfristig weltmarktfähig zu machen, wären nicht russische Gas-Subventionen, sondern energieeffiziente Wirtschaftsstrukturen notwendig.

Das Abkommen ist ein strategischer Erfolg für die russische Politik und dient den kurzfristigen Interessen Janukowitschs und einiger mächtiger Industrieunternehmer. Der ukrainischen Außenpolitik hat die lange Festlegung bis 2042 aber wichtigen Handlungsspielraum genommen.

Autor: Ingo Mannteufel
Redaktion: Markian Ostaptschuk