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Ziel verfehlt

16. April 2010

Die EU hat im vorigen Jahr erheblich weniger Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen als versprochen. 2009 kamen lediglich rund 4000 irakische Flüchtlinge nach Europa - zugesagt hatte man bis zu 10.000.

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Ein Flüchtling aus dem Irak, links, wird im Durchgangslager 'Friedland' in Niedersachsen, von einem Angehörigen begrüßt (Foto: AP)
Deutschland hat rund 2000 Flüchtlinge aufgenommenBild: AP

EU-Kommission und UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR liefern unterschiedliche Zahlen, das Ergebnis ist aber gleich: Die EU nahm im vergangenen Jahr weitaus weniger Flüchtlinge aus dem Irak auf, als ursprünglich versprochen. Laut EU waren es im Jahr 2009 4240 irakische Flüchtlinge, die nach Europa kamen, das UNHCR sprach sogar von nur 3382 Irakern.

Christen in Bagdad (Archivfoto: AP)
Gerade für Christen wird es im Irak immer gefährlicherBild: AP

Die EU-Innenminister hatten sich im November 2008 darauf verständigt, "bis zu 10.000" Flüchtlinge auf freiwilliger Basis in den EU-Staaten neu anzusiedeln. Dabei sollte es darum gehen, aus den Lagern etwa in Syrien oder Jordanien irakische Flüchtlinge aufzunehmen, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Zu ihnen gehören vor allem Angehörige religiöser Minderheiten, darunter besonders Christen. Das UNHCR schätzt ihre Zahl auf etwa 60.000, einen Großteil davon werden die USA und Kanada aufnehmen. Deutschland sagte zu, 2500 der bis zu 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen.


Der Großteil nach Deutschland

Mit mehr als 2000 bis zum Jahresende kam der Löwenanteil von ihnen nach Deutschland. Laut UNHCR nahmen außer Deutschland auch Großbritannien (580) und Schweden (536) in nennenswerter Zahl Iraker auf. Weiter beteiligten sich Finnland mit 266, Italien mit 124 und die Niederlande mit 90 Flüchtlingen. Nur wenige Irak-Flüchtlinge konnten in Belgien (42), Luxemburg (28), Dänemark (26), Frankreich (23) und Irland (7) eine neue Heimat finden.

Grenzdurchgangslager Friedland (Foto: dpa)
Der Großteil der Flüchtlinge in der EU kommt nach DeutschlandBild: picture-alliance/ dpa

Die Bundestags-Unionsfraktion hat mit Irritation auf diese Zahlen reagiert. "Da sollte auf jeden Fall nachgebessert werden", sagte der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl(CSU). Deutschland habe sich demgegenüber vorbildlich engagiert. Uhl nannte es bedauerlich, dass große Länder wie Frankreich, Großbritannien oder auch Schweden bislang nicht mehr besonders verfolgte Iraker aufgenommen hätten. "Wir werden sicher darauf drängen und wenn sich manche Länder völlig verweigern, widerspricht das der europäischen Solidarität", sagte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) im DW-Gespräch.

Positive Bilanz

Nordrhein-Westfalen hat in den vergangenen zwölf Monaten 520 irakische Christen aufgenommen. "Es handelt sich um Menschen, die in Lagern lebten und denen die Rückkehr in ihre Heimat nicht mehr zugemutet werden kann, weil sie in keiner Region des Irak sicher sind. Traumatisierte Menschen, die ihre Angehörigen verloren haben", erklärt Laschet. Seine Bilanz ist bislang positiv: Er habe persönlich die Oberbürgermeister der Städte und Kommunen gebeten, die Neuankömmlinge bei der Integration zu unterstützen, bei der Wohnungssuche, bei der Vermittlung von Sprachkursen und Schulen für die Kinder. Auch die Kirchengemeinden hätten sich sehr engagiert, so Laschet: "Insgesamt ist diese Hilfsaktion gelungen", lautet sein Fazit.

NRW-Integrationsminister Armin Laschet (Foto: DW)
Fordert mehr Engagement von den europäischen Nachbarn: Armin Laschet

Doch nicht allerorten kommen die Bemühungen um Alltag in gleicher Weise voran. Pfarrer Peter Patto, chaldäischer Seelsorger im Erzbistum München, berichtet, dass die gut 350 Iraker in Bayern auf ganz unterschiedliche Orte aufgeteilt seien. In den Städten, so in Nürnberg, Augsburg oder München, fänden sie eher Anschluss als in ländlichen Regionen: "Gerade die Christen fühlen sich in der Gruppe besser", erläutert der Geistliche. Ein großes Problem sei es, dass es die Stadt München nicht schaffe, bezahlbaren Wohnraum zu vermitteln. Private Vermieter in der Landeshauptstadt winkten - trotz gesicherter Finanzierung - in der Regel ab, wenn Flüchtlinge Wohnungen suchten.

Wie geht es weiter?

Dennoch müsse Deutschland noch mindestens 2500 weitere Flüchtlinge aufnehmen, im Irak hätten Christen keine Zukunft, so Patto, sie müssten in den nächsten Jahren zum Islam übertreten oder würden getötet. Deshalb solle der Westen sie komplett aufnehmen. Doch ob und wie es mit der Aufnahme von Flüchtlingen weitergeht, ist offen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verweist auf das Bundesinnenministerium. Dessen Bewertung der Aufnahme und Integration läuft und wird dauern.

Der zuständige Europaparlamentsausschuss will nun stärkere finanzielle Anreize für EU-Staaten zur Neuansiedlung von Flüchtlingen setzen. Grundsätzlich sollten EU-Staaten mit 4000 Euro pro Jahr und pro Flüchtling bei der Neuansiedlung von Flüchtlingen unterstützt werden, verlangte der Ausschuss. Für die Auswahl der Flüchtlinge solle das künftige EU-Asyl-Unterstützungsbüro gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR-Kriterien entwickeln.

Autorin: Ina Rottscheidt

Redaktion: Diana Hodali