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Ausgelesen in Pjöngjang?

16. April 2010

Das Goethe-Institut hat seinen Lesesaal in Nordkorea geschlossen. Die Regierung hatte den Zugang für Besucher reglementiert und die Auslegung einiger Druckmedien untersagt. Gibt es Chancen für eine Wiedereröffnung?

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Nordkoreanische Besucher im Lesesaal des Goethe-Instituts in Pjöngjang (Foto: dpa)
Der Lesesall vor der SchließungBild: dpa

Bei der Eröffnung des Lesesaals im Juni 2004 in Pjöngjang bezeichnete Jutta Limbach, damals Präsidentin des Goethe-Instituts, das neue kulturelle Angebot aus Deutschland als Hoffnung auf eine "Verständigung aus Wissen". Entstanden sind in den letzten Jahren allerdings einige Missverständnisse. Eine japanische Zeitung hatte vor einigen Jahren berichtet, im deutschen Lesesaal lägen Medien aus, die kritisch über Nordkorea schreiben. Daraufhin untersagte die Regierung die Auslegung einiger Zeitschriften und Zeitungen. Das Ergebnis: Das Goethe-Institut hat den Lesesaal geschlossen. Die nordkoreanische Seite reagierte enttäuscht.

Porträtfoto Harald Leibrecht, MdB Mitglied des Deutschen Bundestags für die FDP (Foto: Presse)
Harald Leibrecht, Mitglied der FDP-BundestagsfraktionBild: presse

Der FDP-Politiker Harald Leibrecht - stellvertretender Vorsitzender des Unterausschusses "auswärtige Kultur- und Bildungspolitik" - ist gerade von einem Besuch in Pjöngjang zurückgekommen. Im DW-Interview äußert er sich unter anderem zu den besonderen Umständen deutscher Kulturarbeit in Nordkorea und zu den Chancen für eine Wiedereröffnung des Lesesaals.

DW-WORLD.DE: Herr Leibrecht, Sie waren gerade mit Ihrem Kollegen Peter Gauweiler von der CSU in Nordkorea. Was hat Sie auf Ihrer Reise am stärksten beeindruckt?

Harald Leibrecht: Natürlich das Land selber, aber auch die Umstände. Man reist ein, man muss das Handy abgeben, den Pass und wird den ganzen Tage sehr genau beobachtet und kontrolliert. Man darf auch keine Fotos machen. Und was auch allgegenwärtig ist, ist dieser Personenkult um den Staatsgründer Kim Il Sung und um dessen Sohn Kim Jong Il. Gerade in diesen Tagen ist dort wieder ein großer Feiertag: der Geburtstag des Staatsgründers. Pjöngjang putzt sich heraus und wird mit großen Paraden diesen Geburtstag feiern. Das haben wir alles noch am Rande miterlebt.

Das Goethe-Institut in Pjöngjang hat Ende 2009 seinen Lesesaal geschlossen, weil von der Regierung im kommunistischen Nordkorea der vertraglich vereinbarte freie Zugang und freie Zeitungsauswahl nicht gewährt wurde. Wie sah das denn im Alltag aus?

Es war in der Tat so, dass nur wenige Interessierte diesen Lesesaal benutzen konnten. Es ist ja auch mehr eine technische Bibliothek. Trotzdem ist es wichtig, dass Deutschland Nordkoreanern die Möglichkeit gibt, an deutsche Literatur zu kommen. Ich habe es sehr bedauert, dass diese Schließung vorgenommen wurde, auch die Kündigung von deutscher Seite. Ich glaube, auch wenn ein Lesesaal wenig frequentiert wird, so ist es doch wichtig, dass die Bundesrepublik gerade in einem Land wie Nordkorea vertreten sein sollte.

Welche Medien missfielen der nordkoreanischen Regierung?

Es ist immer wieder das Gleiche. Es gab Zensur von Zeitungen und Magazinen und da war auch der doch sehr regressive Umgang mit Besuchern. Man musste sich vorher anmelden und es war einfach schwierig in diesen Saal rein zu kommen. Natürlich muss man auch die deutsche Sprache beherrschen, sonst kann man die Literatur nicht lesen, das ist entscheidend. Und nur relativ wenige Menschen sprechen in Korea Deutsch - das sind alles Leute, die in der DDR waren.

Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, damit das Goethe-Institut den Lesesaal wieder eröffnet?

Es muss natürlich von der deutschen Regierungsseite der Wunsch geäußert werden, auch vom Auswärtigen Amt, dass man dies machen möchte. Und dann muss in Gesprächen mit der Regierung in Nordkorea neu verhandelt werden. Die koreanische Seite hat sich interessiert gezeigt und wäre vielleicht auch bereit - auch an einem anderen Ort, wo mehr Menschen Zugang hätten - den Lesesaal wieder zu eröffnen. Das Problem aber ist, dass der Vertrag aufgekündigt wurde, den muss man wieder neu verhandeln. Was ich sehr geschätzt habe, ist, dass Außenminister Westerwelle gleich angeordnet hat, dass die Bücher im Land verbleiben und nicht an ein anderes Goethe-Institut weitergeleitet werden. Sobald es die Möglichkeit gibt, den Lesesaal wieder zu eröffnen, haben wir auch bereits die Bücher vor Ort.

Wie schätzen Sie persönlich die Chancen für eine Wiedereröffnung ein?

Es ist in einem Land wie Nordkorea immer ganz schwierig. Man muss mit vielen Regierungsmitgliedern reden, das sind Mitglieder der sogenannten Arbeiterpartei. Keiner fühlt sich richtig zuständig, es geht hin und her. Aber wenn der klare Wunsch besteht, dass wir im kulturellen Bereich in Nordkorea einen "Fuß in der Türe" haben möchten, dann könnte ich mir vorstellen, dass sich die nordkoreanische Seite nicht verschließt.

Glauben Sie, dass es bei der Entscheidung den Lesesaal in Pjöngjang zu schließen, politische Einflüsse aus den USA gegeben hat?

Ich persönlich glaube das nicht. Es hätte vielleicht sein können, weil die Schließung damals gerade zufällig zusammenfiel mit neuen Sanktionsforderungen von den USA - wobei kurz darauf der neu gewählte Präsident Obama die Hand nach Nordkorea ausstreckte und jetzt auch versucht diplomatisch etwas mehr tätig zu werden. Die Schließung kam, meiner Meinung nach, zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Ich glaube, heute würde man die Sache ganz anders bewerten und sicherlich diesen Saal nicht mehr schließen.

Das Gespräch führte Conny Paul

Redaktion: Petra Lambeck