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"Die Krise ist noch lange nicht vorbei"

12. April 2010

Wie konnte es dazu kommen, dass die weitgehend friedlichen Proteste in Bangkok eskaliert sind? Und wie geht es jetzt weiter in Thailand? DW-WORLD.DE spricht darüber mit Korrespondentin Nicola Glass.

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Rothemden bei den Demonstrationen in Bangkok am 11. April (Foto: AP)
Bild: AP

DW-WORLD.DE: Wie ist die Stimmung bei den Menschen nach der Gewalt vom Wochenende?

Nicola Glass: Die Stimmung ist momentan sehr gemischt. Während wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, dass die Demonstrationen der Rothemden eher einem Volksfest oder einem Karnevalsumzug glichen, hat sich das Stimmungsbild jetzt teilweise sehr verändert: Es ist eine Mischung aus sehr viel Trauer, Entsetzen, Wut und Unverständnis. Mir gegenüber haben viele gesagt, die Armee hätte im Grunde genommen auf den Straßen von Bangkok überhaupt nichts zu suchen, das Militär solle vielmehr an den Landesgrenzen eingesetzt werden und dort für Ordnung sorgen. Die Armee solle das Land gegen Feinde von außen verteidigen - und nicht auf eigene Landsleute schießen.

Im Fernsehen konnte man neben der Gewalt auch andere Szenen sehen: Bilder von Militärs, die vor den Rothemden zurückweichen. Was sind die Gründe dafür?

Das ist damit zu erklären, dass es auch innerhalb der Armee einen klaren Zwiespalt gibt, wie man mit den Rothemden umgehen soll. Das haben mir mehrere Leute im Gespräch bestätigt. Der Armeechef und der Verteidigungsminister haben gesagt: "Wir können nicht mit Gewalt vorgehen, wir müssen es abwarten, wir müssen versuchen zu verhandeln und friedlich zu bleiben." Andere Teile der Armeeführung dagegen haben sich nach meinen Informationen ganz klar dafür ausgesprochen, die Protestler im Notfall auch härter anzufassen. Das ist unter anderem damit zu erklären, dass es in den Reihen der Armee - vor allem in den niedrigeren Diensträngen - sehr viele Soldaten gibt, die als sogenannte "Wassermelonensoldaten" gelten, außen grün, innen rot. Das bedeutet: Sie tragen eine grüne Uniform, aber ihr Herz schlägt für die Rothemden. Es gibt also gegenseitige Symphatien.

Wie geht es jetzt weiter? Werden die Rothemden weiter demonstrieren?

Die Rothemden werden sicherlich weitermachen, wenn Premierminister Abhisit Vejjajiva nicht in absehbarer Zeit das Parlament auflösen lässt. Der Regierungschef hatte ja angeboten, das Parlament bis Ende des Jahres aufzulösen, die Demonstranten auf der anderen Seite haben ihm ein Ultimatum bis zum 12. April - also diesem Montag - gestellt. Meiner Einschätzung nach werden die Proteste weitergehen, wenn Abhisit sich weiterhin weigert, zurückzutreten und Neuwahlen auszurufen.

Jetzt soll sich nach Agenturmeldungen auch der Militärchef eingemischt und zum ersten Mal eine Parlamentsauflösung ins Spiel gebracht haben.

Ja, Armeechef Anupong Paochinda hat eine recht überraschende Kehrtwende gemacht: Er war ja als Armeechef damals mit dafür verantwortlich, die Abhisit-Regierung ins Amt zu hieven. Die jetzige Kehrtwende kam sehr plötzlich, weil Anupong Paochinda bislang eigentlich der Regierung immer den Rücken gestärkt und die Treue gehalten hat.

Wäre denn eine Parlamentsauflösung gleichbedeutend mit einem Ende der Krise in Thailand?

Ich denke nicht, dass die Krise damit beendet wäre. Sollte das Parlament wirklich aufgelöst und Neuwahlen angesetzt werden - die dann wahrscheinlich das rote Lager gewinnen würde - dann könnte es sein, dass wir ein Déja-vu erleben. Denn dann würden möglicherweise wieder die Gegner der Rothemden - wie im Jahr 2008 - auf die Straße gehen und ihrerseits versuchen, eine Thaksin-nahe Regierung aus dem Amt zu treiben.

Das Interview führte Miriam Klaussner
Redaktion: Esther Broders