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Gedenken und Mahnung

11. April 2010

Überlebende Häftlinge, US-Veteranen und Politiker haben der Befreiung des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald am 11. April 1945 gedacht. An den Ort der Mahnung kommen jährlich bis zu 600.000 Menschen.

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Blick auf den Stacheldrahtzaun und das Lagertor in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar (Foto: dpa)
Blick auf den Stacheldrahtzaun und das Lagertor in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei WeimarBild: picture alliance / dpa

Auf dem Ettersberg bei Weimar haben am Sonntag (11.04.2010) mehrere hundert Menschen an die Befreiung des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald vor 65 Jahren erinnert. Am 11. April 1945 hatten Soldaten der 3. US-Armee das Lager vor den Toren der thüringischen Stadt erreicht und rund 21.000 Überlebende befreit, darunter 904 Kinder und Jugendliche. Etwa 100 Überlebende und US-Veteranen nahmen am Gedenken in Buchenwald teil.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erinnerte während der Gedenkveranstaltung an den Schwur der "Buchenwalder", eine Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. Dieser Schwur sei noch nicht erfüllt, Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit müssten immer wieder verteidigt und errungen werden, sagte Lammert.

Gedenken als bleibende Aufgabe

Angesichts der immer kleiner werdenden Zahl von unmittelbaren Zeitzeugen sei die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten in Zukunft besonders dringlich. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bezeichnete Lammert als bleibende Aufgabe. Die Verantwortung für die Beschäftigung mit dieser beispiellosen Geschichte der "staatlich organisierten Menschenverachtung und -vernichtung" sei den nachgeborenen Deutschen sehr bewusst, so der Bundestagspräsident. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) warnte davor, den Nationalsozialismus nachträglich zu verklären. Bei der Vermittlung der Geschichte seien besonders auch die Schulen gefordert.

Detailaufnahme einer Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald(Foto: dpa Zentralbild)
Detailaufnahme einer Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte BuchenwaldBild: dpa Zentralbild
Befreier und Befreiter treffen sich nach 65 Jahren wieder: Clarence Brockmann (US-Vetran) und Viktor Savytskyi (Ukraine) vor dem Lagertor in Buchenwald bei Weimar (Foto: dpa)
Befreier und Befreiter treffen sich zum Gedenken wieder: Clarence Brockmann (US-Vetran) und Viktor Savytskyi (Ukraine) in BuchenwaldBild: dpa

Der Präsident des Internationalen Buchenwald-Komitees, Bertrand Herz, erinnerte an den Widerstand der Häftlinge gegen die SS-Barbarei. Auch dadurch hätten rund 21.000 der Inhaftierten gerettet werden können.

Der spanische Schriftsteller Jorge Semprún verwies als ehemaliger Buchenwald-Häftling auf die "jüdische Präsenz" im Lager gegen Ende des Krieges. Im Februar und März 1945 seien Zehntausende Überlebende aus den Lagern im Osten nach Mitteldeutschland evakuiert wurden. Unter diesen Juden seien viele Kinder und Jugendliche gewesen, in deren Erinnerungen an die Vernichtungslager "ein globales Bild der Vernichtung" fortbestehe, sagte Semprun.


Die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald hat inzwischen die Namen und Daten von rund 38.000 der Buchenwald-Opfer in einem "Totenbuch" im Internet zugänglich gemacht. Jede der darin aufgeführten Personen erhält nach Angaben der Gedenkstätte auf diese Weise eine virtuelle Gedenktafel. Angehörige können der Gedenkstätte weitere Informationen zukommen lassen und damit die Gedenktafel ergänzen.

Überlebende Häftlinge in Buchenwald am 16. April 1945. In der mittleren Reihe 7. von links: Elie Wiesel, der spätere Friedensnobelpreisträger (Foto: AP)
Überlebende Häftlinge in Buchenwald am 16. April 1945. In der mittleren Reihe 7. von links: Elie Wiesel, der spätere FriedensnobelpreisträgerBild: AP

Für das Totenbuch waren mehr als zehn Jahre lang rund 500.000 Dokumente gesichtet und ausgewertet worden. Es soll in den kommenden Wochen neben Deutsch auch in anderen Sprachen im Internet erscheinen.

Das 1937 von den Nationalsozialisten errichtete Konzentrationslager Buchenwald war bei Kriegsende das größte KZ auf deutschem Boden. Zunächst wurden vor allem Nazi-Gegner aus Deutschland in Buchenwald eingesperrt, später waren es auch Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und sowjetische Kriegsgefangene. Insgesamt 250.000 Menschen aus 36 Ländern waren in Buchenwald und den Außenlagern inhaftiert, 56.000 von ihnen starben an Hunger und Kälte, überlebten die Qualen der Zwangsarbeit in Rüstungsfabriken nicht, fielen medizinischen Experimenten zum Opfer oder wurden von der SS ermordet. Noch kurz vor Kriegsende wurden mehrere tausend Insassen auf so genannte "Todesmärsche" geschickt, rund 9000 der dabei ermordeten Menschen sind bis heute namentlich nicht bekannt.

Ein Ort der Mahnung


Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama, flankiert von Elie Wiesel (re) und Bertrand Herz (li) (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama, flankiert von Elie Wiesel (re) und Bertrand Herz (li)Bild: AP

Unmittelbar vor Eintreffen der 3. US-Armee am 11. April 1945 waren die SS-Bewacher geflohen und hatten die Lagerinsassen sich selbst überlassen, den amerikanischen Soldaten bot sich ein Bild des Grauens. Die US-Armee zwang die Einwohner Weimars, sich das befreite Lager anzusehen, um ihnen die Nazi-Schreckensherrschaft zu verdeutlichen. Noch im Verlauf des Jahres 1945 wurden die Stadt Weimar und das ehemalige Konzentrationslager auf dem Ettersberg im Zuge der endgültigen Festsetzung der Besatzungszonen an die Sowjets übergeben.

Unter sowjetischer Herrschaft wurde das Lager dann noch bis 1950 als "Speziallager" weitergeführt. Häftlinge in Buchenwald waren dann neben ehemaligen SS-Aufsehern und Kriegsverbrechen auch Menschen, die beim sowjetischen Geheimdienst oder der Stasi als "verdächtig" denunziert worden waren.

An die wechselvolle Geschichte des Lagers bei Weimar erinnern heute drei räumlich voneinander getrennte Dauerausstellungen: Sie dokumentieren die Geschichte des NS-Lagers, die politische Vereinnahmung in der DDR sowie die Nutzung von 1945 bis 1950 durch die Sowjets. Nach Buchenwald kommen alljährlich bis zu 600.000 Besucher.

Autor: Hartmut Lüning (epd, dpa)
Redaktion: Ursula Kissel