1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Dietrich Bonhoeffer

9. April 2010

Dietrich Bonhoeffer wurde nur 39 Jahre alt. Die Nazis ermordeten ihn vor 65 Jahren. Heute gilt er als einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Er setzte sich unerschrocken für Recht und Gerechtigkeit ein.

https://p.dw.com/p/MovS
Dietrich Bonhoeffer, der am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde (Foto: nbd)
Bild: nbd

Unerschrocken und innerlich gefestigt tritt er seinen letzten Gang zum Galgen an. Es ist der 9. April 1945 - ein Monat vor Ende des Zweiten Weltkriegs.

Insassen des Konzentrationslagers Flossenbürg stehen geordnet in langen Reihen für ihr Essen an - Aufnahme vom 21.03.1945 (Foto: dpa)
Insassen des KZ FlossenbürgBild: picture-alliance /dpa

Im Konzentrationslager Flossenbürg in der Oberpfalz wird Dietrich Bonhoeffer wegen Hochverrats als eines der letzten Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes hingerichtet. Er ist nicht der Einzige in diesen Minuten, den die Henker auffordern, die Kleidung abzulegen und ihn dadurch erniedrigen. Aber Bonhoeffer beeindruckt, so berichtet der Lagerarzt später, durch seinen aufrechten Gang, als er nach einem kurzen Gebet völlig nackt dem Tod durch Erhängen entgegenschreitet.

Intellektuelles statt religiöses Elternhaus

Bonhoeffer wird am 4. Februar 1906 als sechstes von acht Kindern des bekannten Psychiaters Karl Bonhoeffer in Breslau geboren. Dietrichs Mutter Paula stammt zwar aus einer Pastorenfamilie, besondere Frömmigkeit aber sagt man der Familie nicht nach, die später nach Berlin umzieht. Für alle ist es eine Überraschung, dass sich der 17-jährige zum Theologiestudium entscheidet, wie er selber sagt, aus intellektuellem Interesse.

Schnell macht er Karriere. Mit 21 Jahren promoviert Bonhoeffer, mit 25 erreicht er das Mindestalter, um als Privatdozent zu arbeiten. Die Rassentrennung, die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die er am Theologischen Seminar in New York erlebt, seine streng pazifistischen Kollegen und das intensive Studium der Bergpredigt prägen die Persönlichkeit des protestantischen Theologen. In New York erfährt er Zugang zum Glauben. Bisher sei er Theologe, aber kein Christ gewesen, schreibt Bonhoeffer später.

Vom Theoretiker zum Praktiker

Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 legt sich der junge Pfarrer mit dem NS-Regime an und warnt öffentlich vor der Gefahr, die von Hitler und den Nazis ausgeht. Er tritt für die Ökumene ein. Die Verfolgung der Juden ziehe die Verstoßung Jesu nach sich, denn Jesus Christus war ein Jude. Für Bonhoeffer sind die Christen in Gefahr, Unrecht zu dulden und dieses auch noch als Recht anzuerkennen und zu preisen. Die Verteidigung der Menschenrechte bezeichnet er als gesamtkirchliche Pflicht.

Von seiner eigenen Kirche erfährt Bonhoeffer Misstrauen und Ablehnung. Der gleichgeschalteten Reichskirche kann und will er nicht länger dienen. 1933 wird Bonhoeffer Pfarrer zweier deutschsprachiger evangelischer Gemeinden in London. Trotz eines Angebots für ein Amt und eine Professur in den USA kehrt er zurück nach Deutschland - aus patriotischen Motiven, wie er sagt.

Rede-, Schreib- und Lehrverbot

Als in der so genannten Reichspogromnacht dutzende Synagogen brennen, markiert Bonhoeffer in seiner Bibel den Psalm 74,8: "Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande." Das Datum 9.11.1938 notiert er neben dem Text. Für Bonhoeffer ist die Zerstörung der jüdischen Gotteshäuser der Versuch, den Gott der Bibel aus dem Dritten Reich zu vertreiben und Platz zu schaffen für neue Götter.

Das Predigerseminar der oppositionellen "Bekennenden Kirche" in Finkenwalde, das Bonhoeffer leitet, lässt die Gestapo schließen. Er darf nicht mehr lehren oder öffentlich reden. Der Theologe ist in seinen Kreisen isoliert, als er sich 1940 entschließt, Mitglied einer Widerstandsgruppe zu werden, zu der auch zwei Schwäger und sein Bruder Klaus gehören. Als Christ ist er sich der schweren Sünde bewusst, doch die Gräuel, die Hitlers Schergen im Zweiten Weltkrieg anrichten und die systematische Judenverfolgung bestärkten Bonhoeffer darin, den Widerstand bis zum "Tyrannenmord" zu verstärken.

Zwei Jahre in Haft und dann das Todesurteil

Der Widerstandskämpfer, Theologe und Pazifist Dietrich Bonhoeffer (Foto: dpa)
Dietrich BonhoefferBild: picture-alliance/dpa

Er lässt sich auf ein riskantes Doppelleben ein. Als Agent der Spionage-Abwehr steht Bonhoeffer in Diensten des deutschen militärischen Geheimdienstes. Im Ausland weiht er Verbindungsleute der Kirche in die Putschpläne gegen Hitler ein. Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer wegen "Zersetzung der Wehrkraft" verhaftet.

Im Zuchthaus Berlin-Tegel hat er Zeit, Bücher zu lesen, Briefe und Gedichte zu schreiben und wissenschaftlich zu arbeiten. Als das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 fehlschlägt, findet die Gestapo Dokumente, die auch Dietrich Bonhoeffer belasten. Ein halbes Jahr später wird er in das KZ Buchenwald verlegt, ehe er im KZ Flossenbürg getötet wird. Von einem Mitgefangenen soll Bonhoeffer sich mit den Worten verabschiedet haben: "Das ist das Ende - für mich der Beginn des Lebens."

Märtyrer oder Widerstandskämpfer?

Eine Gedenktafel im KZ Flossenbürg bezeichnet Bonhoeffer als "Zeuge Jesu Christi unter seinen Brüdern". Doch die evangelische Kirche, schuldhaft verstrickt mit dem NS-System, weigert sich lange, die Verdienste Bonhoeffers anzuerkennen. Noch 1953 lehnt Bayerns evangelischer Landesbischof Hans Meiser die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung für Bonhoeffer ab.

Das SED-Regime der DDR versuchte, Bonhoeffers Rolle auf die eines religionslosen und antifaschistischen Widerstandskämpfers zu reduzieren.

Vermächtnis und Gedenken

Bischof Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (Foto: dpa)
Bischof Wolfgang HuberBild: AP

Bischof Wolfgang Huber, ehemaliger Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, bezeichnete Bonhoeffer anlässlich dessen 100. Geburtstags 2006 als "evangelischen Heiligen".

Eine Statue des ermordeten Theologen steht in der "Galerie der Märtyrer des 20. Jahrhunderts" in der Londoner Westminster Abbey neben dem Abbild des US-amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King.

In Deutschland erinnern Straßen und öffentliche Gebäude mit dem Namen Dietrich Bonhoeffer an den intellektuellen wie charismatischen und unbeugsamen Protestanten. 65 Jahre nach seinem Tod werden 2010 der Widerstand Bonhoeffers als christliches Zeugnis und seine Werke an vielen Orten und bei Veranstaltungen gewürdigt, darunter auch sein bekanntestes Gedicht "Von guten Mächten wunderbar geborgen".

Autor: Karin Jäger

Redaktion: Kay-Alexander Scholz