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Kunstwerk Straße

25. März 2010

Drei Städte, drei Straßen, 78 Menschen, die für ein Jahr mietfrei wohnen: Daraus macht Künstler Jochen Gerz ein Kulturprojekt für das Ruhrgebiet. "2-3 Strassen" heißt die Initiative, die auch Studenten mitgestalten.

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Kulturhauptstadtprojekt 2-3 Straßen: Der Dortmunder Borsigplatz (Foto: Sabine Damaschke)
Am Dortmunder BorsigplatzBild: Sabine Damaschke

Als sie vor sieben Jahren in Dortmund mit ihrem Studium begann, wäre Lydia Albers wohl kaum in das ehemalige Arbeiterviertel am Borsigplatz gezogen. Graue Wohnblöcke, hohe Arbeitslosigkeit, viele Migranten. "Der Stadtteil hat ein schlechtes Image", sagt sie, "aber völlig zu Unrecht." Seit Januar wohnt die Studentin mittendrin und kann nur staunen. "Die Menschen in meiner Nachbarschaft sind sehr freundlich und aufgeschlossen."

Kulturhauptstadt-Projekt 2-3 Straßen von Jochen Gerz. Ein Jahr leben Menschen in Duisburg, Mülheim und Dortmund mietfrei. Aus ihren Erfahrungen soll ein Buch entstehen. ***Das Pressebild darf nur in Zusammenhang mit einer Berichterstattung über das Thema verwendet werden*** Quelle: http://www.2-3strassen.eu/download.html
Künstler Jochen GerzBild: Projekt 2-3 Straßen

Im Januar zog die Studentin als Teilnehmerin des Projekts "2-3 Strassen" in ihre neue Wohnung ein. Gemeinsam mit 30 weiteren neuen Mietern im Viertel soll sie das Leben im Stadtteil durch kleine Kulturprojekte verändern. Weitere 47 Projektteilnehmer gibt es in Problemvierteln in Duisburg und Mülheim an der Ruhr. Die Idee zu dem ungewöhnlichen Straßen-Kunstwerk hatte der deutsche Künstler Jochen Gerz. Es ist eines der größten Projekte im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010.

Nicht weltfremd, sondern bodenständig

Auch wenn die Idee viele Menschen begeisterte, bei den alteingesessenen Bewohnern stieß sie zunächst auf breite Skepsis. "Viele Nachbarn dachten, dass wir alle weltfremde Künstler sind und waren ganz erstaunt, auf normale, bodenständige Menschen zu treffen", erzählt Lydia Albers. Denn Künstler sind tatsächlich die wenigsten Projektteilnehmer. Die meisten sind zwischen 25 und 40 Jahre alt, Akademiker und alleinstehend. Ein Jahr dauerte das Bewerbungsverfahren, an dem 1.500 Menschen aus aller Welt teilnahmen. Ihre Begeisterung für das Projekt und ihre Ausdauer verschaffte Lydia Albers einen der begehrten Plätze.

Kulturhauptstadtprojekt 2-3 Straßen Lydia Albers und Ralf Orendi vor ihrem Haus
Lydia und Ralf vor ihrem HausBild: Sabine Damaschke

"Die Idee, Kultur und Wohnraum zu verknüpfen, finde ich sehr spannend", sagt die Studentin, die gerade ihren Hochschul-Abschluss als Raumplanerin gemacht hat. "Hier wird Stadtteilentwicklung nicht von Architekten und Geografen geplant, sondern soll sich aus kleinen Kunst- und Kulturaktionen entwickeln." Aber natürlich habe das Projekt auch etwas Künstliches, gibt ihr Mitstreiter Ralf Orendi zu. Er wohnt im gleichen Haus wie Lydia Albers.

Kultur für alle

"In einem Jahr können wir aus diesem Viertel keine heile Welt machen, aber wir können kleine Veränderungen anstoßen, die bleiben und sich weitertragen", hofft der Student. Etwa, indem der Student die Nachbarn zu einem Streifzug durch andere Stadtviertel einlädt und damit ihren Blick für die Stadt, in der sie leben, öffnet. "Schließlich kennen viele ihre Umgebung kaum", beobachtet Ralf Orendi, der seit zwei Jahren soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Theaterpädagogik studiert.

Kulturhauptstadtprojekt 2-3 Straßen: Lydia Albers und Ralf Orendi am Küchentisch
Theaterideen in der KücheBild: Sabine Damaschke

Außerdem will er bei den Nachbarn, die größtenteils Migranten und Schichtarbeiter sind, das Interesse am Improvisationstheater wecken. "Ich entwickle gerade ein kleines Stück, das vom Wohnungstausch erzählt und das ich in privaten Wohnzimmern aufführen möchte." Jeder kann mitmachen. Lydia Albers hat sich bereits für das Projekt angemeldet und trifft sich regelmäßig mit Ralf Orendi, um das Stück zu planen.

Farbe ins Leben bringen

Auch die Studentin hat Ideen im Kopf, wie sie Kunst unter die Leute bringen kann. Sie wird den Raum, den die Bewohner regelmäßig für ihre Nachbarschaftstreffen nutzen, mit vielen Kindern aus dem Viertel bunt bemalen. "Ich möchte Farbe in das Leben der Menschen hier bringen", sagt Lydia Albers. Noch hat sie keinen Pinselstrich getan, aber oft mit ihrem Laptop am Fenster gesessen und sich all die Farben ausgemalt, die das Viertel verändern sollen.

Kulturhauptstadtprojekt 2-3 Straßen: Lydia Albers und Ralf Orendi
Schreiben ist PflichtBild: Sabine Damaschke

Was die Studentin schreibt, landet in einem großen Tagebuch, das nach Ende des 2-3 Strassen-Projekts veröffentlicht wird. Auch die Nachbarn und Besucher sollen daran mitschreiben und ihre Eindrücke in extra dafür aufgestellte Computer tippen. Getreu dem Motto: Jeder Mensch ist ein Künstler und die ganze Gesellschaft ein großer Schriftsteller.

Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Gaby Reucher / Aya Bach