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DVD-Tipp: Der unbekannte Buñuel

Jochen Kürten
24. März 2010

Sein erster Film wurde zur Kinosensation. Auch die Werke seiner letzten Lebensjahrzehnte wurden zu Klassikern. Zwischendurch hat der spanisch-mexikanische Regisseur Filme gedreht, die heute kaum noch jemand kennt.

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Bild aus dem Film "Das Fieber steigt in El Pao" von Luis Bunuel. Zu sehen: Jean Servais und Mariá Felic (Foto: Kinowelt/Arthaus)
Bild: Kinowelt/Arthaus

Sein "Andalusischer Hund", den er gemeinsam mit Salvador Dali ins Kino brachte, ist heute noch weltberühmt und brachte den Surrealismus Ende der 1920er Jahre auf die Kinoleinwand. Seine Filme aus den 60er und 70er Jahren wurden fast alle zu Meisterwerken, gewannen Preise auf Festivals, waren an den Kassen erfolgreich und verschafften Buñuel einen Platz im Olymp der Filmemacher. Doch während seiner langen Karriere – Buñuel dreht über fünf Jahrzehnte Filme - hatte der gebürtige Spanier auch so manche Durststrecke zu überwinden.

Mehr als ein Meister des Surrealen

Nach Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges war Buñuel nach Hollywood gegangen, arbeitete dann viele Jahre vor allem in Mexiko. Viele der dort entstandenen Filme sind heutigen Kinogängern kaum noch bekannt, einige liegen jetzt erstmals auf DVD vor. Sie zeigen vor allem, dass Buñuels Werk viele Facetten aufzuweisen hat. Der Meister des surrealen Kinos war auch ein großer Melodramatiker, ein sozial engagierter Filmemacher und überdies ein versierter Handwerker.

"Gran Casino" (1946/47)

Nachdem sich in den USA einige Projekte zerschlugen und Buñuel in den Staaten vor allem spanische Synchronisationsfassungen erstellt hatte, bot man ihm 1946 in Mexiko eine musikalische Komödie an. "Gran Casino" gehört auch heute noch zu den weniger bemerkenswerten Filmen, weist allerdings ein paar Szenen auf, die fast wie "eingeschmuggelt" wirken.

"Gran Casino" von Luis Bunuel (Foto: Kinowelt/ Arthaus)
Bild: Kinowelt/Arthaus

In seinen Erinnerungen "Mein letzter Seufzer" schrieb Buñuel: "In der sehr melodramatischen Geschichte kommt Libertad aus Argentinien, um den Mörder ihres Bruders zu suchen. Sie verdächtigt zunächst Negrete, dann vertragen sich die beiden Helden aber, und es kommt zur unvermeidlichen Liebesszene. Da mich konventionelle Liebesszenen zu Tode langweilen, bemühte ich mich, dieser einen Knacks zu versetzten. Ich wies Negrete an, während der Szene nach einem Stöckchen zu greifen und es mechanisch in der Ölschmier zu seinen Füßen zu tauchen. Dann drehte ich eine Naheinstellung mit einer anderen Hand, die mit dem Stock im Schlamm rührt. Im Kino denkt man natürlich unweigerlich an etwas anderes als Öl."

"La Fièvre monte à El Pao/ Los Ambiciosos" ("Das Fieber steigt in El Pao")

Ein politischer Film und eine Liebesgeschichte, ein Melodrama ebenso wie ein Lehrstück in Sachen Opportunismus. Die Geschichte eines diktatorischen Regimes auf einer Strafgefangenen-Insel. Mittendrin Gérard Philippe in seiner letzten Filmrolle. Philippe spielt einen idealistischen, aber reichlich naiven Sekretär des Inselgouverneurs, der im Verlauf der Handlung in die Intrigen des Diktators hineingezogen wird und darin zu verschwinden droht.

Bild aus dem Film "Das Fieber steigt in El Pao" von Luis Bunuel. Das Arbeitslager der Strafgefangenen. (Foto: Kinowelt/ Arthaus)
Bild: Kinowelt/Arthaus

Der Zuschauer stellt sich die Frage, wie man sich in einem solchen Regime verhalten kann und soll. - Ebenso aber ist "Das Fieber steigt in El Pao" ein mitreißendes Melodrama, eine Dreiecksgeschichte voller Liebe und Hass, Verrat und Demütigungen - wie ein Film Noir aus Hollywod.

"The Young One"/"La Joven" ("Das junge Mädchen") 1960

Ein für Buñuel völlig untypischer Film. Ein junges lolitahaft auftretendes Mädchen lebt nach dem Tod ihres Vaters mit einem garstigen Wildhüter auf einer Insel vor Florida. Nachdem ein dunkelhäutiger Mann dorthin geflüchtet ist und zu den beiden stößt, brechen die Konflikte aus. Rassenhass und Machtansprüche, sexuelle Gewalt und Eifersucht beherrschen das Trio, zu dem sich später auch noch ein scheinheiliger Geistlicher gesellt.

"Das junge Mädchen" von Luis Bunuel (Foto: Kinowelt/ Arthaus)
Bild: Kinowelt/Arthaus

Einer von zwei amerikanischen Filmen Buñuels, schnörkellos und direkt inszeniert, realistisch und ohne den für Buñuel typischen subversiven Kontext. Trotzdem ist "La Joven" ein starker Film über Moral und den freien Willen. Buñuel schrieb in seiner Autobiografie: "Im amerikanischen Moralsystem, das für den Kinogebrauch bestens kodifiziert worden war, gab es damals nur Gute und Böse. "The Young One" war als Reaktion auf diese alte Gewohnheit gedacht. Die Schwarzen waren gut und schlecht, genau wie der Weiße, der zum Schwarzen sagt, als der wegen einer vermeintlichen Vergewaltigung aufgehängt werden soll: "Du bist für mich kein menschliches Wesen."

Der Anbieter Kinowelt/Arthaus hat eine Box mit 10 Filmen von Luis Buñuel auf den Markt gebracht. Außer den drei erwähnten Titeln sind noch folgende Filme enthalten: "Tagebuch einer Kammerzofe", Belle de Jour", "Die Milchstraße", "Tristana", "Der diskrete Charme der Bourgeoisie", "Das Gespenst der Freiheit" und "Dieses obskure Objekt der Begierde"; 946 Minuten Spieldauer, umfangreiches Bonusmaterial.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Conny Paul