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Gedächtnishilfe für's Museum

23. März 2010

Zwischen Opportunismus und Widerspruch - das Frankfurter Städel hat seine Rolle im Nationalsozialismus erforschen lassen. Provenienzforscherin Nicole Roth gibt Auskunft über die Suche nach den Besitzern von NS-Raubkunst.

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Städel Museum in Frankfurt am Main Fotograf: Goesta A. C. Ruehl
Das Städel Museum in Frankfurt am MainBild: Tourismus+Congress GmbH Frankfurt a. Main

Ende 1999 verschickte der damalige Kulturstaatsminister Michael Naumann einen Rundbrief an alle deutschen Museen. Darin forderte er die DirektorInnen auf, die Herkunft der Kunstwerke, die zwischen 1933 und 1945 in ihre Museen kamen, zu beleuchten. Kurz zuvor hatte die Bundesregierung zusammen mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden offiziell erklärt, dass NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut in Deutschland an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werde. Einige Museen in Deutschland haben daraufhin Stellen geschaffen, um die Herkunft der Werke in ihrer Sammlung kritisch zu untersuchen. Dazu zählt auch das Städel Museum in Frankfurt am Main. Ein Gespräch mit der Provenienzforscherin Nicole Roth.


DW-WORLD.DE:

Wie kommt es, dass die Restitution von NS-Raubkunst noch immer so langsam voran geht?

Nicole Roth:

Ich würde das von Fall zu Fall sehen wollen. Die Aktenlage sieht schließlich komplett anders aus für die einzelnen Gemälde oder generell für die Kunstwerke. Dadurch, dass in einigen Museen Provenienzforscher arbeiten, besteht dort die Möglichkeit, zügiger mit Einzelfällen umzugehen.

Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem sich die Rückgabe besonders reibungslos vollzog?

Es geht dann schnell, wenn schon im Inventarbuch eine Auffälligkeit zu finden ist. Bei einem jüdischen Nachnamen wird man natürlich hellhörig. Oder wenn in den Akten ein verdächtiger Kaufpreis oder ein einschlägiger Vorbesitzer auftaucht, dann merke ich, hier lohnt es sich, in die Tiefe zu recherchieren.

Schildern Sie doch bitte ein konkretes Beispiel aus Ihrem Berufsalltag.

Als konkretes Beispiel kann ich ihnen jetzt die Sammlung von Paul Stern nennen, der in Frankfurt ansässig war. Da habe ich den Namen schon durch das Inventarbuch erkannt und bin aufmerksam geworden. Daraufhin habe ich in den nächsten Archiven, also natürlich im hauseigenen Archiv, dann im Stadtarchiv, im Wiesbadener Hauptstaatsarchiv recherchiert. So kam ich darauf, dass es sich bei den Gemälden um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handeln könnte. Auf diese Weise entdeckt man letztlich die Werke, bei denen im nächsten Schritt nach Erben gesucht werden muss. Oder wir stellen die Werke auf die Internetseite des Lostart-Registers, einer Datenbank für NS-Raubgut, um darauf aufmerksam zu machen, dass wir auf der Suche nach den Erben sind.

Wie wichtig ist bei Ihrer Arbeit das Internet in der heutigen Zeit?

Sehr, sehr wichtig. Also ich kann mir kaum vorstellen, wie ich das vor 25, 30 Jahren hätte recherchieren sollen, als es einfach noch nicht diese Datenfülle im Internet gab. In dem Zusammenhang ist natürlich auch der Arbeitskreis von Provenienz-Forschern zu nennen. Der ist eine große Hilfe. Ich kann die Kollegen an anderen Häusern per E-Mail fragen, ob sie den Namen eines bestimmten Kunsthändlers schon mal gehört haben. Oder ob diese oder jene Auktion einem Kollegen bekannt ist. Es wäre wesentlich zeitintensiver, jeden Einzelnen anrufen zu müssen. Das Internet ist also schon ein großer Gewinn.

Wann stoßen Sie an Grenzen. Wie sieht Ihre rechtliche Handhabe aus?

Die Fristen sind ja mittlerweile abgelaufen. Es geht tatsächlich nur darum, dass man sich an die Washingtoner Prinzipien hält, die ja schon festgelegt haben, wie man mit der Rückgabe von Werken umgehen soll.

Welche Prinzipien sind das?

Die Museen sind moralisch dazu verpflichtet, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut an die rechtmäßigen Besitzer oder deren Erben zurückzugeben.

Warum tun sich einige Museen noch immer so schwer mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit im Nationalsozialismus?

Ich denke, dass das Problem grundsätzlich erkannt ist, und die meisten Museen jetzt auch an einer Lösung interessiert sind. Die Anfänge waren sehr schwierig, weil Provenienz-Forschung ein sehr zeitintensives Thema war. Durch die Arbeitsstelle Provenienz-Forschung, die nun auch Stellen mitfinanziert in Deutschland und auch Museen unterstützt, versuchen mehr Museen dafür Stellen einzurichten.

Das Gespräch führte Conny Paul

Redaktion: Sabine Oelze