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"Die Malediven sind überall"

12. März 2010

Mohamed Nasheed, Präsident der Malediven, beklagt in Berlin, der Kampf gegen den Klimawandel sei ohne Schwung. Er vermutet ein Komplott und lädt die Ignoranten zur Ortsbesichtigung ein - was freilich Fragen aufwirft.

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Porträtfoto von Mohamed Nasheed, Präsident der Malediven AP Photo/Sinan Hussain
Inselpräsident seit Oktober 2008: Mohamed NasheedBild: AP

Wenn es um Klimaschutz geht, gibt Mohamed Nasheed sich als Bewunderer von Angela Merkel zu erkennen. Beim gemeinsamen Presseauftritt im Kanzleramt appellierte der Präsident der Malediven diese Woche sogar an die Deutschen, sie sollten doch bitteschön die Bemühungen ihrer Kanzlerin zur Rettung des Klimas nicht "unterminieren", worauf ihn Angela Merkel beruhigte: die Deutschen seien nicht das Problem, aber sie wäre ihm dankbar, wenn er sich um Asien kümmern könne ...

Dies war eher scherzhaft gemeint, kann aber durchaus auch ernst genommen werden. Mohamed Nasheed ist zwar nur Präsident von rund 400.000 Insulanern mitten im Indischen Ozean, doch im Kampf gegen den Klimawandel hat sein Wort Gewicht.

"Wir wollen keine Klimaflüchtlinge sein"

Nasheeds Autorität erwächst zum einen aus seiner politischen Biographie: in den 90er Jahren saß er mehrmals im Gefängnis des damaligen Malediven-Herrschers Abdul Gayoom. Zum anderen kann Nasheed auf besondere Betroffenheit verweisen, denn den nur anderthalb Meter aus dem Indischen Ozean herausragenden Malediven könnte durch steigenden Meeresspiegel der Untergang noch in diesem Jahrhundert drohen. Bisher gebe es 14 Inseln der über 1000 Inseln, die geräumt werden müssten, sagte Nasheed in einem Vortrag vor Studenten der Berliner Freien Universität.

Luftaufnahme der Malediven
Nur 1,5 Meter über dem Meeresspiegel: die MaledivenBild: picture alliance / Photoshot

Auf die Frage eines Studenten, ob man langfristig tatsächlich eine Umsiedlung des Inselstaates in Richtung Indien plane, antwortete der erste demokratisch gewählte Präsident der Malediven, seine Landsleute würden ihn mit einem solchen Plan wohl davonjagen. "Wir wollen keine Klimaflüchtlinge sein und ich will meine Kinder nicht in Flüchtlingslagern sehen", sagte Nasheed. Immerhin gebe es die Inselgruppe der Malediven seit achttausend Jahren und ihre Annalen reichten immerhin zweitausend Jahre zurück. "Und selbst wenn ich und meine Leute anderswohin umsiedeln würden, frage ich: wo würden die Schmetterlinge hingehen, wo würden die Farben und die Klänge hingehen?"

Die Nerven liegen blank

Soviel Exotik und Poesie, jugendlicher Schwung und ungekünstelte Emotionen bei einem Politiker imponierte - die studentischen Zuhörer beklatschten den Mann aus dem Indik heftig. Doch bei dem 43-Jährigen, der im Oktober 2008 durch eine spektakuläre Unterwasser-Kabinettssitzung seiner Regierung in die Schlagzeilen gelangte, liegen mittlerweile auch die Nerven blank. Der Kampf gegen den Klimawandel habe seit dem Gipfel von Kopenhagen Schwung verloren, sagt er, die Regierungen würden nur handeln, wenn das Volk sie zu zwingt. Die deutsche Kanzlerin freilich meint er damit nicht. Sie sei die einzige unter den Mächtigen gewesen, die beim Klimagipfel in Kopenhagen die Inselstaaten unterstützt habe, verrät er den Studenten.

Treffen von Kanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten der Malediven im Kanzleramt Foto: Tim Brakemeier dpa/lbn
Treffen mit der KlimakanzlerinBild: picture alliance / dpa

Nicht nur die Zeit läuft gegen die Inseln im Indischen Ozean, auch das allgemein akzeptierte Ziel, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad zu begrenzen, reicht möglicherweise nicht aus, um sie vor dem Untergang zu retten. Maximal 1,5 Grad ist die Forderung Nasheeds und anderer Inselpräsidenten, die in Kopenhagen ungehört verhallte. "Heute wir, morgen Ihr", warnt Nasheed, irgendwann seien alle Maldiver. Immerhin würden auch die Europäer bereits von extrem kalten Wintern und extrem heißen Sommern heimgesucht.

Diabolischer Vernebelungsplan

Regelrecht wütend wird der von Time Magazin zum "Helden der Umwelt" ausgerufene studierte Meereswissenschaftler und Politiker, wenn die Rede auf die, wie er es nennt, "Leugner des Klimawandels" kommt. Er spricht von einem "diabolischen Plan", einer "Verschwörung", um die wissenschaftlichen Fakten zu vernebeln. Er möchte wissen, "wer der Teufel ist", der hinter dem "hacking" jener E-Mails steckt, deren Veröffentlichung den Weltklimarat als Gremium von Alarmisten dastehen läßt. Eine gewisse Ratlosigkeit macht sich breit im Henry-Ford-Bau der ehrwürdigen Freien Universität, als Nasheed die Studenten und Journalisten auffordert, die Urheber des Komplotts aufzuspüren.

Auch wenn einige wenige Fakten im jüngsten Weltklimabericht nicht stimmen mögen - für Mohamed Nasheed ist entscheidend, was er vor der eigenen Haustür sieht. Wind und Strömung ändern sich, der Regen ist anders, die Fische kommen nicht mehr, die Trinkwasservorräte werden von Salzwasser infiltriert, sagt er.

Mit der Taucherausrüstung tagte das maledivische Kabinett im Oktober 2008 unter Wasser AP Photo/Mohammed Seeneen
Maledivische Kabinettssitzung 6 Meter unter WasserBild: AP

Kein Deal mit der Natur

Zwar könne man heutzutage Korallen-Riffs hoch wachsen lassen, so wie man neue Wälder pflanzt. Die Riffs seien die erste Verteidigungslinie gegen das Meer. Doch das Wachsen der Korallen wird durch extreme Erwärmung der Küstengewässer und die Versauerung der Meere gefährdet. Mit der Natur sei kein Deal zu machen, wie auf einer Welthandelskonferenz, beschwört Nasheed die "Ignoranten". Er lade sie ein, die Malediven zu besuchen, "um zu sehen, was mit unseren Stränden passiert, unseren Korallenriffen, mit dem Ozean".

Die Einladung ist durchaus erst gemeint. Denn der Präsident der Malediven ist in Berlin nicht nur als Umweltaktivist unterwegs, sondern wirbt auf der zeitgleich stattfindenden größten Reisemesse ITB auch um Touristen aus aller Welt. Sie sind die wichtigste Einnahmequelle des Inselstaates. Das Problem: Allein ein Flug von Deutschland in die maldivische Hauptstadt Male verursacht schätzungsweise 3000 Kilogramm klimaschädliches CO². Pro Fluggast.

Autor: Bernd Grässler

Redaktion: Sven Töniges