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Missbrauchsskandal beschäftigt den Papst

12. März 2010

Seit Wochen erschüttern Meldungen über Kindesmissbrauch an katholischen Einrichtungen die Kirche. Der Papst empfängt an diesem Freitag den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der ihm Bericht erstattet.

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Papst Benedikt XVI. bei einer Audienz (Foto: AP)
Schaltet sich ein: Papst Benedikt XVI.Bild: AP

Für Erzbischof Robert Zollitsch, den obersten Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland, könnte der Besuch im Vatikan zum Gang nach Canossa werden: Der deutsche Papst reagierte in der Vergangenheit äußerst sensibel auf das Thema und bezeichnete Missbrauch wiederholt als "unerträgliches Verbrechen". Benedikt XVI. hatte sich persönlich eines Skandals in den USA angenommen und später auch die irischen Bischöfe wegen dortiger Probleme nach Rom zitiert.

Skandal unterschätzt

Robert Zollitsch (Foto: dpa)
Audienz beim Papst: Erzbischof Robert ZollitschBild: picture-alliance/ dpa

Zollitsch räumte jedenfalls schon ein, dass die deutschen Bischöfe das Ausmaß der Fälle zunächst unterschätzt hätten. Nach seiner Audienz beim Papst will er sich am Freitagnachmittag (12.03.2010) vor der Presse äußern.

Der Vatikan hatte der katholischen Kirche in Deutschland zuletzt bescheinigt, "schnell und entschlossen" auf die Missbrauchsvorwürfe reagiert zu haben. Manche Politiker in der Bundesrepublik sind anderer Ansicht, unter ihnen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie mahnte erneut eine engere Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit der Justiz an. In der Vergangenheit seien Staatsanwaltschaften in zu wenigen Fällen eingeschaltet worden, kritisierte die Ministerin am Donnerstagabend im deutschen Fernsehen. Ihr Fazit: "Das muss besser werden."

Keine Anzeigepflicht

In einer entsprechenden Richtlinie der Deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2002 gibt es keine Anzeigepflicht. Zur Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden heißt es darin: "In erwiesenen Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger wird dem Verdächtigten zur Selbstanzeige geraten und gegebenenfalls das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht." Der Trierer Bischof Stephan Ackermann zeigte sich offen für eine Änderung der Richtlinie. Er war Ende Februar von der Deutschen Bischofskonferenz zum Beauftragten für Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche ernannt worden.

Die Politik lässt jedenfalls nicht mehr locker: Leutheusser-Schnarrenberger will einen Runden Tisch einberufen, bei dem es um die rechtliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle geht. Geplant ist zudem ein weiterer Runder Tisch, bei dem vor allem über Vorbeugemaßnahmen beraten werden soll. Auch die Kultusminister der Bundesländer wollen beraten, wie sich sexueller Missbrauch verhindern lässt.

Hilfe nicht erforderlich?

Unscharfer Blick auf ein Kreuz (Foto: AP)
Versucht die Kirche, Missbrauchsfälle zu verschleiern?Bild: AP

Offenbar genervt von Medienrummel, Forderungen und Appellen erklärte der Regensburger Bischof Gerhard Müller, die deutsche Kirche und deren Bischöfe seien sehr wohl in der Lage, die Situation selbst zu bewältigen. Den Opfern von Gewalt werde man Beratung anbieten, die meisten Fälle lägen jedoch weit zurück. Den Medien warf Müller vor, das Ausmaß des Skandals übertrieben dargestellt zu haben. Allerdings vergeht inzwischen kaum ein Tag, an dem nicht weitere Missbrauchsfälle an Schulen und Internaten bekannt werden - sowohl in kirchlichen als auch in weltlichen Einrichtungen.

Keine Austrittswelle

Die große Mehrzahl der Katholiken in Deutschland sieht in den Missbrauchsfällen keinen Grund für einen Kirchenaustritt. Das geht aus einer neuen Umfrage des Instituts Forsa im Auftrag des Senders RTL hervor. Demnach stellt der Skandal für 83 Prozent der befragten Katholiken keinen Anlass dar, die Kirche zu verlassen. 16 Prozent gaben aber immerhin an, wegen der Vorfälle schon einmal darüber nachgedacht zu haben.

Autor: Christian Walz (dpa, kna, rtr, afp)
Redaktion: Rolf Breuch