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Politiker in Malaysia unter der Lupe

3. März 2010

Dem Volk Rede und Antwort zu stehen sind Politiker in Malaysia nicht gewohnt. Demokratisch ist das Land allenfalls auf dem Papier. Eine kritische Website ist das einzige Medium, das Abgeordneten auf die Finger guckt.

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Die Skyline von Kuala Lumpur wirkt modern. Das politische System ist aber festgefahren und wenig demokratisch.Bild: dpa - Fotoreport

Die Malaysier sprechen viele Sprachen, glauben an verschiedene Religionen und haben unterschiedliche Bräuche. Drei große Volksgruppen prägen Malaysia – Malaien, Chinesen und Inder. Nur die Wahlen gehen immer gleich aus: Seit der Unabhängigkeit vor 50 Jahren wählt die malaiische, muslimische Bevölkerungsmehrheit immer wieder das gleiche Parteien-Bündnis an die Macht .

Kein Wunder, dass die Abgeordneten nicht gewohnt sind, von ihren Wählern zur Rechenschaft gezogen zu werden, sagt Jaqueline Ann Surin. Sie leitet die unabhängige Politik-Webseite The Nut Graph. "Es wird immer frustrierender", sagt Surin. "In Berichten über Abgeordnete oder Kandidaten geht es nur ums Aussehen oder das Lieblingsessen. Wir finden, das wird Malaysias Demokratie nicht gerecht. Die Menschen sollten verstehen, was für einen Politiker sie wählen, statt sich damit zu beschäftigen, was seine Frau am Wahlabend für ein Kleid getragen hat."

Demokratie wagen

Malaysia Abgeordnetenwatch The Nut Graph veröffentlicht die Antworten der Abgeordneten
The Nut Graph veröffentlicht die Antworten der Abgeordneten.Bild: Klaus Bardenhagen

Seit Jahresbeginn läuft auf The Nut Graph nun eine Aktion, die Malaysias Wählern helfen soll, ihre Abgeordneten besser einzuschätzen. Unter dem Titel "MP-Watch" stellen die Journalisten allen 222 Parlamentariern sechs Fragen zu politisch heiklen Themen und veröffentlichen die Antworten im Netz. Viele seien überrascht, dass sie plötzlich öffentlich Farbe bekennen sollen, sagt Deborah Loh von The Nut Graph: "Wenn wir sie auffordern, die Fragen zu beantworten, ist die erste Reaktion oft: Warum sollte ich das tun? Wer seid ihr eigentlich, ist Eure Website von der Opposition finanziert? Wer gar nicht antworten will, sagt das oft schon ganz am Anfang sehr deutlich." 40 von 103 bislang angeschriebenen Abgeordneten haben die Aussage verweigert. Auch das wird veröffentlicht.

Malaysia Abgeordnetenwatch Frauen Menschen in Malaysia
Die meisten Menschen in Malaysia sind Muslime. Für sie gilt neben der weltlichen auch eine islamische Gerichtsbarkeit.Bild: Klaus Bardenhagen

Unterstützung und Geld für das Projekt "MP-Watch" kommen aus Deutschland. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist seit 30 Jahren in Malaysia aktiv. Parlamentarische Demokratie zu fördern, sei eine ihrer Kernaufgaben, sagt Thomas Knirsch, der das Büro in Kuala Lumpur leitet. Und dazu brauche es mehr Transparenz. Vorbild für die Frage-Aktion sei das vor einigen Jahren gestartete deutsche Internetportal Abgeordneten-Watch. "Da fing man auch bescheiden an," sagt Knirsch, "und mittlerweile ist das zu einer der führenden deutschen Plattformen im Internet geworden, wo Wähler und Abgeordnete miteinander kommunizieren. Wir denken, dass etwas Ähnliches auch in Malaysia passieren wird."

Politische Meinungsbildung finde in Malaysia fast nur übers Internet statt, sagt Knirsch. In Presse und Fernsehen werden so gut wie nie kritische Stimmen laut. In der Pressefreiheits-Rangliste der Organisation "Reporter ohne Grenzen" steht Malaysia aktuell auf Platz 131.

Online-Nische ohne Zensur

Malaysia Abgeordnetenwatch Jacqueline Ann Surin und Deborah Loh von The Nut Graph
Jacqueline Ann Surin und Deborah Loh von "The Nut Graph" stellen allen 222 Abgeordneten die gleichen Fragen.Bild: Klaus Bardenhagen

Bei ihrer Arbeit für Zeitungen habe sie immer wieder Eingriffe der Regierung erlebt, sagt Jacqueline Ann Surin. Deshalb war von vornherein klar, dass The Nut Graph ein reines Online-Medium wird.

"Das Internet ist im Vergleich freier," erklärt Surin, "weil die Regierung beim Start ihrer Multimedia-Initiative ausländischen Investoren versprochen hat, im Netz werde es keine Zensur geben. Im Moment haben wir online ein bisschen mehr Freiheit als in den traditionellen Medien." Freiheit, um den Abgeordneten auch brisante Fragen zu stellen. Etwa, was sie vom Internal Security Act halten - einem Gesetz, dass es Malaysias Regierung erlaubt, Menschen ohne Verfahren wegzusperren.

Antworten jenseits der Parteidisziplin

Fernseh Debatte in Malaysia
Selten: Politische Debatte im FernsehenBild: picture alliance/dpa

Tatsächlich kommen auf offene Fragen auch offene Antworten. So haben selbst amtierende Minister gesagt, das Gesetz dürfe so nicht bestehen bleiben. Oder, dass bei Abstimmungen im Parlament das Gewissen entscheiden müsse, nicht die Parteidisziplin. Alle Antworten sollen später gemeinsam veröffentlicht werden, sagt Thomas Knirsch von der Adenauer-Stiftung. Als Handbuch für Malaysias Wähler und Grundlage für künftige Entscheidungen.

Autor: Klaus Bardenhagen

Redaktion: Nicola Reyk