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Saaldiener im Parlament

Susanne Henn2. März 2010

Sie sehen schick aus und sie garantieren den reibungslosen Ablauf der Sitzungen im Europaparlament. Manchmal sind sie Briefträger, manchmal Türsteher und manchmal auch auf Tuchfühlung mit den Mächtigsten der Welt.

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Porträt Walter Doll (Foto: DW)
Walter Doll: Seit 1981 SaaldienerBild: DW

Wenn Walter Doll im dunklen Frack und mit schwerer Kette über die Flure des Europaparlaments eilt, erinnert er sich gern an besondere Momente seiner Karriere: "Der Dalai Lama hat mich umarmt. Ich stand da mit meiner Amtskette, und dann kam er und hat mich umarmt. Oder Queen Elisabeth! Wann stehen Sie mal mit der Queen mehr oder weniger mit zwei oder drei Leuten allein im Zimmer, in einem Raum?"

Wie wird man Saaldiener?

Walter Doll und der ehemalige Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering Im Plenarsaal des Brüsseler Europaparlaments (Foto: DW)
Für seinen ehemaligen Chef stand er "ständig unter Strom"Bild: DW

Seit 1981 ist Walter Doll Saaldiener im Europäischen Parlament, auch "Amtsbote" genannt. Eigentlich ist seine Berufswahl ein Zufall, denn ursprünglich hatte er sich als Chauffeur beworben. Stattdessen bekam er das Angebot, als Saaldiener in Luxemburg anzufangen. "Ich wusste gar nicht, was da auf mich zukommt. Ich wollte nur raus, mal was anderes machen, international arbeiten. Das hat mir Spaß gemacht."

Die Medaille an der Kette eines Saaldieners (Foto: AP)
Die schwere Metallkette gehört zur offziellen UniformBild: AP

Mittlerweile arbeitet er für Parlamentarier aus 27 Ländern. Zuletzt war Walter Doll dem Kabinett des deutschen Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering zugeordnet. Zweieinhalb Jahre mit vielen Reisen, vielen Überstunden, aber auch vielen besonderen Begegnungen - von US-Präsident Barack Obama über Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy. "Oder auch Berlusconi. Wir waren eingeladen bei ihm, er hat mich auch mit eingeladen zum offiziellen Essen. Das war schon interessant, mal in Italien im Privathaus von Herrn Berlusconi zu dinieren", sagt Doll und lacht.

Rundum Service bieten

Doll nimmt ein Namensschild aus einem Regal voller Namensschilder von Parlamentsabgeordneten (Foto: DW)
Hunderte NamensschilderBild: DW

Bevor es mit dem Parlamentspräsidenten auf Auslandsreisen ging, musste Walter Doll aber erstmal viel Papier durch die Flure tragen, an seinen Dienstorten Luxemburg, Straßburg und Brüssel. Zu Beginn waren die Aufgaben des Amtsboten nicht immer spannend, mittlerweile gehört vieles zur Routine: "Dokumente organisieren, verteilen, den Saal aufbauen, die Stifte für die Dolmetscher, die Namensschilder der Abgeordneten...". Ein Raum auf dem Flur der Saaldiener ist komplett mit Regalen voller Namenschilder gefüllt. Alphabetisch sortiert und bei Bedarf schnell herauszuziehen.

Walter Doll vor einem Spind (Foto: DW)
In der Umkleide muss es schnell gehenBild: DW

Die Platzierung der Abgeordneten ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn die Sitzungordnung wird nach politischer Ausrichtung festgelegt. Grundregel: die Linken nach links, die Rechten nach rechts. Wenn man sich einmal vertut, ist es aber auch keine Katastrophe, sagt Walter Doll. "Mir ist es das auch schon mal passiert, ganz am Anfang, da habe ich die Sozialisten nach rechts und die Christdemokraten nach links gesetzt. Und es war auch zu spät, um alle noch einmal umzusetzen."

Sieben Uniformen an drei Orten

In der Umkleide der Saaldiener tauscht Walter Doll regelmäßig seinen Anzug gegen einen Frack mit weißer Fliege - sieben solche Uniformen hat er auf Lager. Kaum ist die schwere, goldfarbene Kette umgelegt, klingelt es auch schon - die Plenarsitzung fängt gleich an.

Walter Doll im Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (Foto: DW)
Doll mußte für seine Chefs viel Papier durch die Flure tragenBild: DW

Wenig später steht Walter Doll im Plenum, und sieht zu, wie Parlamentspräsident Jerzy Buzek die Sitzung eröffnet. Nicht alle 736 Abgeordnete sind erschienen, aber einer fällt Walter Doll besonders ins Auge: "Ah, da ist mein ehemaliger Präsident, den muss ich gerade begrüßen", sagt er, und läuft auf Hans-Gert Pöttering zu. Ein Handschlag, ein paar freundliche Worte, dann zieht sich Walter Doll wieder in den hinteren Bereich des Saales zurück. Von dort schaut er seinem Kollegen auf dem Podium zu. "Der muss jetzt richtig viel managen und organisieren. Bei der Arbeit für den Präsidenten steht man permanent unter Strom."

Mit bald 57 Jahren hat es Walter Doll mittlerweile gern etwas ruhiger, aber eines ist ihm trotzdem sehr wichtig: "Wir haben keine Fließbandarbeit, kein Tag ist wie der andere." Dann geht's wieder zurück zur Umkleide - den Frack gegen einen normalen Anzug tauschen.