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Geld allein hilft nicht

27. Februar 2010

Das Ziel der Jemen-Geberkonferenz in Riad war es, dem ärmsten arabischen Land auf die Sprünge zu helfen. Deutschland engagiert sich bereits seit Jahrzehnten in Sachen Entwicklungshilfe für den Jemen.

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Jemenitische Frauen in der Altstadt von Sanaa (Foto: AP)
Jemenitische Frauen in der Altstadt von SanaaBild: AP

Im Büro von Jürgen Zoll hängt eine große Landkarte. So groß, dass man schon beim Eintreten erkennt, dass es hier um den Jemen geht. Jürgen Zoll ist im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zuständig für den Nahen Osten, und der Jemen gehört zu den Schwerpunkten der deutschen Entwicklungspolitik. "Es gibt im Jemen eine enorme Reformfeindlichkeit", sagt Jürgen Zoll. "Das Land ist sehr traditionalistisch - und das ist eine ganz große Herausforderung, die bislang nicht richtig gelöst wurde."

Hohes Bevölkerungswachstum, weit verbreitete Armut

Im Gegensatz zu den Nachbarstaaten Saudi-Arabien und Oman gehört der Jemen zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde: Die Bevölkerung wächst schnell, ein großer Teil leidet unter Armut. Bis 1962 war der Jemen eines der verschlossensten Länder der Erde. Die Bundesrepublik unterstützt die arabische Republik bereits seit über 40 Jahren - und verfolgt dabei auch eigene Interessen. "Wir sind einfach interessiert, durch entwicklungspolitische Maßnahmen einen Krisenherd im Ansatz zu entschärfen", sagt Jürgen Zoll. "Das ist uns bislang noch nicht voll umfänglich gelungen."

Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Der Staatsapparat um Präsident Ali Abdullah Saleh gilt als korrupt, die Ölreserven des 23-Millionen-Einwohner-Landes gehen zur Neige, und im Norden wie im Süden des Jemen wächst der Unmut der Bevölkerung. Armut, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus sind nur einige der Probleme, die der jemenitische Staat nicht in den Griff bekommt.

Geringer Bildungsstandard, hohe Arbeitslosigkeit

Deutschunterricht an einer Mädchenschule in Sanaa (Foto: DW/Klaus Heymach)
Deutschunterricht an einer Mädchenschule in SanaaBild: DW/Heymach

Deutschland engagiert sich mit etwa 40 Millionen Euro pro Jahr vor allem im Bereich der Wasserversorgung und der Bildung. Nach Meinung von Jürgen Zoll mit Erfolg - auch wenn der nicht immer gleich sichtbar sei. Insgesamt seien zwar viele neue Schulen gebaut worden, aber die hohe Geburtenrate und die starke Zunahme der Schüler, besonders in den Metropolen und in den Provinzhauptstädten, belaste das Bildungssystem enorm. "Nach wie vor ist der Jemen in der gesamten arabischen Region das Land mit dem geringsten Bildungsstand", sagt Jürgen Zoll. "Das schränkt natürlich auch die Chancen für jemenitische Arbeitnehmer auf Drittlandsmärkten sehr ein."

Kaum eine Möglichkeit also, im Ausland sein Glück als Gastarbeiter zu versuchen. Aber auch innerhalb des Landes sind die Grenzen eng gesteckt. Der Jemen ist tief gespalten: Im Norden kämpfen die so genannten Houthi-Rebellen gegen die Truppen der Regierung, im Süden gibt es eine starke Separatisten-Bewegung. Beide Gruppen sind unzufrieden mit der Politik von Präsident Saleh, der sich seit 32 Jahren an der Macht hält und drastisch gegen seine Gegner vorgeht.

Konflikte im Norden und Süden des Landes

Guido Steinberg
Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politk

Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist überzeugt, dass diese Konflikte den Jemen stärker destabilisieren als das Terrornetzwerk Al Kaida: "Wenn diese Konflikte nicht gelöst werden, ist der Jemen alles andere als stabil. Ich glaube, dass der Jemen keine Probleme hätte, mit Al Kaida klarzukommen, wenn die Regierung nicht der Auffassung wäre, dass sie solche Gruppen für sich nutzen kann. Und zwar gegen ihre Gegner im Norden und Süden des Landes, wie es immer wieder geschieht." Sollten die Konflikte nicht bald gelöst werden, werde es den Jemen in der heutigen Form in zehn Jahren nicht mehr geben, glaubt Steinberg.

Schon jetzt ist das Land kurz davor, zu einem gescheiterten Staat zu werden. Dass der Jemen in einer tiefen Krise steckt, habe mittlerweile allerdings auch die Regierung erkannt, meint Jürgen Zoll. Und das wirke sich wiederum positiv auf die deutsche Entwicklungshilfe aus: "Was uns zugute kommt, ist, dass eigentlich allen Akteuren, auch dem Jemen, bewusst ist, dass das Land in einer sehr, sehr schwierigen Lage ist. Und viele haben auch kapiert, dass es so nicht weiter geht." Dass das Wasser zur Neige geht, die wirtschaftliche Entwicklung nicht vorankommt und die Touristen weg blieben, sei nicht zu übersehen. "Ich glaube, allen Entscheidungsträgern in allen Ministerien ist bewusst: Es besteht hoher Handlungsbedarf."

Entwicklungshilfe im Bildungsbereich

Zisterne im Jemen (Foto: Jemenhilfe e.V.)
Die Wasserversorgung ist in vielen Landesteilen eine HerausforderungBild: Jemenhilfe e.V.

Deutschland hat in den vergangenen Jahren beispielsweise die Lehrerausbildung und die Entwicklung von Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien unterstützt. Auch im Wassermanagement hat sich einiges getan: Etwa zweieinhalb Millionen Jemeniten bekommen ihr Trinkwasser mittlerweile aus Anlagen, die mit Mitteln aus Deutschland finanziert oder mitfinanziert wurden. Hilfe, die dringend benötigt wird.

Doch finanzielle Unterstützung allein könne die Probleme des Landes nicht lösen, meint Jürgen Zoll. Er sieht den Handlungsbedarf vor allem bei der jemenitischen Regierung: "Mehr Geld ist zurzeit nicht der zentrale Punkt. Für uns steht im Vordergrund, dass es Reformen im Jemen geben muss. Da muss unbedingt etwas passieren." Die Probleme könnten nicht dadurch gelöst werden, dass bei der nächsten Jemen-Geberkonferenz 100 Millionen zusätzlich angefragt würden. "Es geht einfach darum, dass das Land in weiten Teilen wirtschaftlicher, zielorientierter und politischer agieren muss, als es das in der Vergangenheit getan hat", meint Jürgen Zoll.

Autorin: Anne Allmeling
Redaktion: Diana Hodali