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Neues AKW für Armenien

25. Februar 2010

Jerewan will mit russischer Hilfe das als unsicher geltende AKW Mezamor um einen Reaktorblock erweitern. Wegen einer Blockade durch den Berg-Karabach-Konflikt leidet das Land unter Energieknappheit. Gibt es Alternativen?

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Symbolbild: Gelbe Fässer mit schwarzem Symbol für Strahlung versehen (Foto: dpa)
AKW soll Energiekrise verhindernBild: picture alliance/dpa

Im armenischen Mezamor, etwa 30 Kilometer westlich der Hauptstadt Jerewan, befindet sich das einzige Atomkraftwerk im Kaukasus. In Betrieb genommen wurde es 1976. Nach einem verheerenden Erdbeben von 1988 wurde der ursprüngliche Reaktorblock "Mezamor-2" abgeschaltet. Es folgten Modernisierungsmaßnahmen mit russischer Hilfe. 1996 wurde unter dem Namen "Mezamor-2" ein neuer Reaktor in Betrieb genommen.

Blick auf die armenische Hauptstadt Jerewan (Foto: DW)
Jerewan sucht russische UnterstützungBild: DW

Die Anlage gilt als unsicher, nicht nur weil sie technisch veraltet ist, sondern weil sie auch in einer stark erdbebengefährdeten Region liegt. Deswegen fordern internationale Organisationen und auch die EU seit Jahren eine Stillegung des gesamten Werks. Die Suche nach Alternativen für eine Stromerzeugung will Brüssel finanziell unterstützen.

Armenische und russische Experten sind aber überzeugt, dass das Atomkraftwerk allen Sicherheitsanforderungen der Internationalen Atomenergiebehörde entspricht. Ihnen zufolge kann der Reaktor noch mindestens weitere fünf bis sechs Jahre laufen. Außerdem sei eine Stilllegung erst nach dem Bau eines neuen Blocks möglich.

Starke Abhängigkeit

Den Beschluss, einen neuen Reaktor zu bauen, fasste die armenische Regierung Ende 2009. Sie sprach sich für die Gründung einer armenisch-russischen Aktiengesellschaft mit dem Namen "Mezamorenergoatom" aus, die das Bauprojekt umsetzen soll. Bereits in diesem Jahr sollen die Aufträge zur Lieferung der notwendigen Anlagen ausgeschrieben und vergeben werden. 2011 soll dann der Bau des neuen Blocks aus russischer Produktion beginnen. Vorläufigen Schätzungen nach werden sich die Kosten auf vier bis fünf Milliarden Dollar belaufen.

Der beschlossene Neubau ist in der armenischen Öffentlichkeit nicht unumstritten, aber Proteste wird es wohl dennoch nicht geben. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt die ehemalige armenische Umweltministerin Karine Danieljan, dass die Engpässe in der Stromversorgung der Grund dafür seien: "Als das Atomkraftwerk abgeschaltet wurde, entstand im Land eine Energiekrise."

Strom hätten die Haushalte damals zwei bis drei Stunden am Tag gehabt, von einer Zentralheizung ganz zu schweigen, erinnert sich Danieljan. Die Industrie sei zum Erliegen gekommen. Der katastrophale Strommangel habe die Regierung des Landes gezwungen, das Atomkraftwerk wieder ans Netz zu nehmen.

Fehlende Alternativen

Karte Armeniens und Aserbaidschans mit der Enklave Berg-Karabach (Grafik: DW)
Armenien unterstützt das von Aserbaidschan abtrünnige Gebiet Berg-Karabach

Bis heute deckt Mezamor 50 Prozent des gesamten Strombedarfs des Landes. Deswegen wagt heute kaum ein armenischer Umweltschützer, öffentlich gegen den Bau eines neuen Reaktors zu protestieren. Danieljan weist in diesem Zusammenhang auch auf fehlende Alternativen hin: "Natürlich ist es der Traum eines jeden Ökologen, die Atomkraft abzuschaffen und alternative Energiequellen zu entwickeln. Das haben wir für unser Land immer gefordert." Aber das Land müsse mit den Realitäten zurechtkommen: "Leider haben sich alternative Energiequellen nicht so weit entwickelt, dass sie die Atomkraft ersetzen könnten," so Danieljan.

Ohne das Atomkraftwerk sieht die armenische Führung die Energiesicherheit des Landes bedroht. Die Grenzen Armeniens zur Türkei und Aserbaidschan sind nach wie vor wegen des ungelösten Berg-Karabach-Konflikts geschlossen. Die Blockade des Landes führe dazu, dass es sich an keinem internationalen Verbundprojekt im Energiesektor beteiligen könne, meint die ehemalige Ministerin, beispielsweise an der Erdölpipeline Baku-Tiflis-Ceyhan und der Gasleitung Baku-Erzurum, die in Umgehung Armeniens verlegt würden.

Autor: Aschot Gasasjan / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Fabian Schmidt