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Heiko Janssen (Berlin)

4. Mai 2010

Heiko Janssen ist ein Nachtmensch, der die Musik liebt und das Autofahren. Im Taxi lassen sich all diese Leidenschaften unter einen Hut bringen: Er fährt nachts und weiß immer genau, wo und wann in Berlin etwas los ist.

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(Foto: DW)

Seit gut zwei Jahrzehnten lebt Heiko Janssen in Berlin. Sein Geld verdient er als Taxifahrer. Wenn man ihn fragt, wieso er vor gut zwei Jahrzehnten seine Heimatstadt Aurich in Ostfriesland gegen Berlin getauscht hat, dann sagt er: wegen der kulturellen Vielfalt der Hauptstadt. Vor allem das bunte Nachtleben hatte Janssen fasziniert. Und seit den 1980er Jahren hat die Stadt für den 45-Jährigen nichts von ihrer Faszination verloren.

Als Jugendlicher ist er oft ins Jugendzentrum seiner Heimatstadt gegangen. Da haben sie auch ungewöhnliche Filme gezeigt, solche, die im Kino der Stadt nicht liefen. Im Jugendzentrum gab es auch Konzerte. Aber irgendwann war ihm Aurich mit seinen knapp 50.000 Einwohnern einfach zu klein.

Die Heimat wurde zu eng

Blick auf die Siegessäule in Berlin (Foto: DW)
Heiko Janssen ist nicht nur mit dem Taxi unterwegs ...Bild: DW

Janssen zog nach Berlin. In den Augen seiner Eltern hat er dort Ende der 80er, Anfang der 90er "nichts Vernünftiges" gemacht. Will sagen: Er hat hier und da gejobbt, aber vor allem das Leben genossen. Den Mauerfall am 9. November 1989 hat Janssen erst am Tag danach mitbekommen. Plötzlich war West-Berlin voll mit ostdeutschen Autos und ein Kollege erzählte ihm, ihr Chef habe in der Nacht zuvor am Brandenburger Tor getanzt.

Dass Heiko Janssen die Wende im Auto wahrgenommen hat, ist fast schon symptomatisch: Janssen hatte schon immer eine Leidenschaft fürs Fahren. 1993 hat er einen lang gehegten Traum wahr gemacht: Er hat seinen Taxischein gemacht. Seitdem fährt er Taxi. Das Fahren liegt in der Familie. Sein Vater war Busfahrer. Für Janssen liegt im Taxi fahren eine gewisse Freiheit: Kein Chef sitzt ihm im Nacken. Er kann selbst entscheiden wann er arbeitet, wie lange er arbeitet, wann er seine Pause macht und wohin er fährt.

Taxi fahren der Freiheit wegen

Janssen fährt nachts. Er zählt sich selbst eher zu den "stummen Fahrern“. Das bedeutet nicht, dass er sich nicht mit seinen Fahrgästen unterhält, sondern dass er das Funkgerät nicht einschaltet. Bevor er abends los fährt, schaut er zuerst in der Stadtzeitung, was in der Stadt los ist: ob es eine Messe gibt, große Konzerte. Oder welcher DJ in welchem Club auflegt. Und danach richtet er sein Fahrziel aus. So selektiert Janssen seine Kundschaft und vermeidet Stress. Tagsüber ist das Fahren anders, glaubt Janssen. Da hat man dann schon mal einen Fahrgast, der ganz schnell zum Flughafen muss und total nervös ist. Nachts ist alles ein bisschen entspannter. Auch das Autofahren sei entspannter: Der Verkehr ist einfach nicht so dicht.

Es gibt diverse Gründe wieso er nachts Taxi fährt. Vor allem, weil er ein Nachtmensch ist. Er schläft lieber aus und arbeitet dann meistens von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens. Trotz Nachtarbeit führen Heiko Janssen und seine Freundin Barbara eine harmonische Beziehung. Seit mehr als zehn Jahren wohnen sie zusammen. Seine Freundin arbeitet zu Hause und hat keine Probleme damit, dass er nachts Taxi fährt. Weil auch sie selbständig sei und sich ihre Arbeit einteilen könne, funktioniere es ganz gut mit ihnen beiden, erklärt sie.

Je nach dem, wie lange er gearbeitet hat, schläft der Nachtfahrer meistens bis um 13:00 Uhr. Er frühstückt selten. "Morgens", wie er sagt, braucht er vor allem seinen Tee. Das ist ihm ganz wichtig. Als Ostfriese trinkt er mindestens dreimal am Tag Tee: Ostfriesen-Tee, eine kräftige Mischung aus verschiedenen schwarzen Tees englischer Sorte. Später essen er und seine Freundin zusammen. Auf die Frage, was er am liebsten esse, antwortet er: Alles, was seine Freundin kocht. Aber wenn seine Freundin beruflich einmal nicht in Berlin ist, dann kocht er sich das Lieblingsgericht aus seiner Kindheit: Kartoffeln, Bratwurst und Sauerkraut.

"Ich war schon immer der Fahrer"

Heiko Janssen als DJ (Foto: DW)
... sondern auch als DJBild: DW

Dieses Leibgericht und der Ostfriesen-Tee gehören zu den wenigen Verbindungen, die Janssen noch zu seiner Heimat hat. Ansonsten besucht er zwar zwei oder dreimal im Jahr seine Eltern. Kontakt zu anderen Bekannten aus seiner Jugend hält er aber nicht. Geblieben ist seine Liebe zur Musik: In seiner Wohnung im Ostberliner Stadtteil Friedrichshain hat seine riesige Plattensammlung einen Ehrenplatz. Ab und zu legt er in einer befreundeten Galerie als DJ auf - seit dem Tag ihrer Eröffnung vor fünf Jahren.

Autofahren und Musik - das passte für Heiko Janssen schon immer wie die Faust aufs Auge. In Ostfriesland hatte er schon immer Jobs, die mit Autofahren zu tun hatten und bei denen man prima Musik hören konnte. Und mit dem Wagen seines Vaters fuhr er nach Holland zu Pop-Konzerten. "Ich war schon in Ostfriesland immer der Fahrer. Und jetzt bin ich der Taxifahrer." Und im Hintergrund läuft dabei Musik …

Autor: Carlos Albuquerque
Redaktion: Matthias von Hein