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Ende der Eiszeit zwischen Syrien und Libanon

12. Februar 2010

Fünf Jahre nach dem Anschlag auf den libanesischen Ex-Premier Al-Hariri hat sich das Verhältnis zwischen Syrien und dem Libanon verbessert: Es kommt zu ersten symbolträchtigen Besuchen, Botschafter werden ausgetauscht.

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Grab Al-Hariris (Foto: dw)
Für Jahre nach seinem Tod ist das Grab von Al-Hariri immer noch PilgerstätteBild: Birgit Kaspar

Die gewaltige Autobombe, die den libanesischen Ex-Premier Rafik al-Hariri am Valentinstag 2005 tötete, war in ganz Beirut zu hören. Fensterscheiben sprangen aus ihren Rahmen, schwarzer Rauch stieg in den blauen Februarhimmel. Es war ein Tag, der den Libanon veränderte, doch nicht so wie viele meinten. "Damals dachte man, dies ist der Beginn eines neuen Libanon, ein Ende politischer Morde und so weiter", sagt Michael Young, libanesischer Autor eines Buches über die Post-Hariri-Ära. Doch dem war nicht so. Die Attentatsserie ging weiter und der Libanon erlebte eine jahrelange innenpolitische Zerreißprobe. Erst jetzt kehrt ein wenig Stabilität zurück.

Syrien verantwortlich?

Zerstörtes Gelände (Foto: Archiv/ap)
Der Bombenanschlag vor fünf Jahren war gewaltigBild: AP

Nach dem Mord an Hariri machten viele Libanesen die syrische Führung als Drahtzieher verantwortlich. Damaskus weist diesen Vorwurf zurück. "Syrer raus" forderte eine populäre Protestbewegung, die später als "Zedernrevolution" bezeichnet wurde.

Mit starker westlicher Unterstützung wurde Syrien im April 2005 zu einem demütigenden Abzug nach fast 30 Jahren im Zedernstaat gezwungen. Die internationale Staatengemeinschaft betrieb die systematische Isolierung Syriens und vor diesem Hintergrund setzten die Vereinten Nationen eine Ermittlungskommission im Hariri-Mord ein, die inzwischen in ein Sondertribunal mit Sitz in Den Haag übergegangen ist.

Schlechte Ermittlungen

Denkmal (Foto: dw)
Ein Denkmal erinnert an die Stelle, an der vor fünf Jahren die Autobombe explodierteBild: Birgit Kaspar

Fünf Jahre nach dem Attentat hat das Hariri-Tribunal allerdings noch keine Verdächtigen benannt oder inhaftiert, mit einer baldigen Anklage wird nicht gerechnet. Michael Young zieht daraus den Schluss, dass das Sondergericht nicht genug Beweismaterial gegen Syrien in der Hand hält. "Nicht weil ich glaube, dass Damaskus unschuldig ist, im Gegenteil. Aber die Ermittlungen an der syrischen Front sind teilweise nicht adäquat geführt worden", kritisiert Young. Ob aus Inkompetenz oder politischer Motivation, lässt er offen. Einige Libanesen fürchten nun, dass das Tribunal langsam in Vergessenheit geraten könnte.

Ende der Isolation

Fakt ist: Die politische Wetterlage in der Region hat sich verändert. Die Politik habe von Anfang an eine Rolle bei der Einsetzung des Hariri-Tribunals gespielt, betont Young: "Heute fehlt auf der internationalen Ebene die kritische Masse für eine Anklage Syriens oder irgendeines anderen Verdächtigen. Ich glaube, vielen Staaten bereitet das Sondergericht eher Kopfschmerzen als alles andere." Denn die USA und Frankreich haben ihre Politik der Isolierung Syriens aufgegeben, weil sie erkannt haben, dass sie ohne die Kooperation von Damaskus in der Region nicht viel bewegen können. Auch die Libanesen haben nach Jahren extremer Spannungen begonnen, ihre Beziehungen zu Syrien zu normalisieren.

Poster von Al-Hariri (Foto: dw)
Mit einer Posterkampagne werden die Libanesen aufgerufen, Al-Hariri an seinem Todestag zu gedenkenBild: Birgit Kaspar

Botschafter-Austausch

Erstmals haben beide Staaten im vergangenen Jahr Botschafter ausgetauscht. Vor kurzem hat der neue libanesische Premier und Sohn Rafik al-Hariris, Saad, dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad einen symbolträchtigen Besuch abgestattet.

Karim Makdisi, Politologe an der Amerikanischen Universität in Beirut hält diese Entwicklung für unausweichlich, nachdem Syrien und Saudi-Arabien sich über eine Stabilisierung des Libanon verständigt hatten. "Die libanesischen Politiker werden immer nach der syrisch-saudischen Pfeife tanzen müssen", sagt Makdisi, ob ihnen das gefalle oder nicht. Zudem profitierten beide Seiten von besseren Beziehungen, vorausgesetzt die diplomatischen Spielregeln würden eingehalten.

Denn Damaskus will den Libanon und die Hisbollah nicht als Trumpfkarte in Verhandlungen mit Israel und dem Westen verlieren. Beirut ist hingegen auf die einzige offene Landgrenze zu Syrien angewiesen, weil man sich mit Israel offiziell noch im Kriegszustand befindet.

Kompromiss regelt Machtverhältnisse

Von einer Rückkehr der Syrer durch die Hintertür will der Abgeordnete Marwan Hamadeh, der 2004 selbst einen Attentatsversuch überlebt hat, deshalb auch nicht sprechen:

"Die Syrer waren ja nie wirklich aus der libanesischen Politik verschwunden. Sie zogen ihre Armee ab, hatten aber weiterhin über ihre Alliierten permanenten Einfluss. Vor allem seit die von der Hisbollah angeführte pro-syrische Minderheit ein Vetorecht im Kabinett hat." Das ist seit Mai 2008 der Fall, nachdem eine kurzzeitige militärische Einnahme Westbeiruts durch die Hisbollah mit dem Abkommen von Doha beigelegt wurde.

Dieser Kompromiss regelte die Machtverhältnisse im Zedernstaat neu und bildet bis heute die Grundlage für die Allparteienregierung Hariris. Der junge Premier versucht nun zwischen den Fronten in der Region zu lavieren, um ein Mindestmaß an Stabilität zu schaffen. Aus dem Grund hat er auch eine offizielle Einladung nach Teheran angenommen - der Termin steht allerdings noch nicht fest.

Autorin: Birgit Kaspar

Redaktion: Anna Kuhn-Osius