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Haitis Regierung sieht sich ausgegrenzt

30. Januar 2010

Zweieinhalb Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti kritisiert die Regierung mangelnde Koordination der Hilfe. Einsatzkräfte berichten von zunehmender Gewalt.

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Haitis Präsident René Préval (Foto: AP)
Haitis Präsident René PrévalBild: AP

Haitis Präsident René Préval sagte am Freitag Ortszeit (29.01.2010) am provisorischen Sitz der Regierung in einem Polizeigebäude nahe dem Flughafen in Port-au-Prince: "Viele Länder engagieren sich und haben guten Willen, zu helfen. Aber unsere Regierung wird nicht eingebunden, und man stimmt sich nicht ab". Die Hilfe gehe direkt an die ausländischen Organisationen. Die Regierung in Port-au-Prince werde daher demnächst einen eigenen Nothilfe-Koordinator ernennen.

Ein Regierungssprecher gab die Zahl der Toten des Erdbebens der Stärke 7,0 vom 12. Januar mit bis zu 180. 000 an, 10.000 mehr als bei der vorigen Zwischenbilanz. Es würden noch immer Opfer gefunden, sagte er.

Berichte über Gewalt

Erdbebenhelferin des kanadischen Roten Kreuzes mit Kleinkind (Foto: AP)
Erdbebenhelferin des kanadischen Roten Kreuzes mit KleinkindBild: AP

Helfer aus Deutschland berichten von einer angespannten Sicherheitslage in dem Karibik-Staat. Dorthin, wo wirklich Hilfe benötigt werde, traue sich niemand, sagte die Kölner Ärztin Barbara Höfler, Helferin der "Salesianer Don Boscos" der Deutschen Presseagentur (dpa). Es gebe marodierende Banden, die die Einrichtungen ihrer Organisation vor zehn Tagen geplündert hätten. Ähnlich äußerte sich der aus Haiti zurückgekehrte Würzburger Arzt Joost Butenop. Es sei bereits zu ersten Demonstrationen und Straßenblockaden gekommen. Der Grund: "In den Slums sind fast keine Häuser zerstört worden." Hilfsgüter gebe es jedoch nur für die Obdachlosen.

Ärzte und Pfleger arbeiten im Katastrophengebiet weiterhin unter extremen Bedingungen. Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" rief zu Blutspenden auf. "Wir müssen viel amputieren", zitiert dpa den Chirurgen Chris Schimanek aus Österreich. "Oft sind die Knochen so zerstört, dass es Monate dauern würde, bis sie heilen." Dies sei unter den hygienischen Bedingungen in Haiti aber nicht möglich.

Schulen öffnen wieder

Gleichzeitig kehrt langsam so etwas wie Normalität in das geschundene Land zurück. Am Montag soll der Unterricht in den nicht zerstörten Schulen wieder beginnen. Derzeit würden öffentliche und private Schulgebäude einer Prüfung unterzogen, so das Bildungsministerium in Port-au-Prince. Die Behörden suchten nach Wegen, alle Schüler zurück in ihre Klassenräume zu bekommen. Hilfsorganisationen schätzen, dass 1,8 Millionen Kinder und 5000 bis 8000 Schulen betroffen sind. Schon vor der Katastrophe war das Bildungssystem in Haiti mangelhaft. Nur etwas mehr als die Hälfte der rund neun Millionen Einwohner Haitis kann lesen und schreiben.

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen begann damit, die Waisenkinder im Erdbebengebiet zu erfassen. Die Kinder sollen in extra eingerichteten Notunterkünften unterkommen, teilte UNICEF in Paris mit. Die Zahl der Kinder, die durch das Erdbeben zu Waisen oder von ihren Eltern getrennt worden sind, wird auf eine halbe Million geschätzt.

Das UN-Entwicklungsprogramm hat bislang 12.500 Haitianer angestellt, die sich gegen ein tägliches Entgelt an den Aufräumarbeiten beteiligen. UN-Nothilfekoordinator John Holmes sagte in New York, Ziel sei es, bis zu 200.000 Haitianer für die Arbeiten zu gewinnen und ihnen gleichzeitig die Versorgung ihrer Familien zu ermöglichen. Die Vereinten Nationen zahlten im Rahmen des Programms "Cash for Work" drei Dollar Bargeld am Tag und zwei Dollar in Form von Nahrungsmitteln, sagte Holmes.

Ban verteidigt Einsatz von US-Soldaten

US-Soldat auf dem Flughafen von Port-au-Prince (Foto: AP)
US-Soldat auf dem Flughafen von Port-au-PrinceBild: AP

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wies in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Samstag Kritik am Einsatz tausender US-Soldaten in Haiti zurück. Nicht die US-Streitkräfte, sondern die UN-Stabilisierungsmission Minustah sei "für die Aufrechterhaltung von Recht, Ordnung und Stabilität verantwortlich", betonte Ban. Die Vereinigten Staaten hätten "deutlich gesagt, dass sie eine untergeordnete, unterstützende Rolle einnehmen." Die UN seien den USA für ihren Einsatz bei der Versorgung der Menschen sehr dankbar, erklärte der Generalsekretär.

Autor: Michael Wehling (dpa/rtr)
Redaktion: Herbert Peckmann

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