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Politisches Asyl für deutsche Familie

27. Januar 2010

Weil sie ihre Kinder zu Hause unterrichten wollte, flüchtete eine siebenköpfige Familie aus Bissingen im August 2008 in die USA. Ein Richter im US-Bundesstaat Tennessee hat ihrem Antrag auf Asyl jetzt stattgegeben.

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Uwe und Hannelore Romeike (hinten) und ihre Kinder (von links) Christian, Daniel, Josua, Damaris und Lydia (Foto: DW / Christina Bergmann)
Die Romeikes beantragten politisches Asyl in den USABild: Christina Bergmann / DW

"Vor allen Dingen in der Klasse unserer Tochter herrschte viel Gewalt", erklärt Uwe Romeike den Entschluss, die Kinder 2006 aus der Schule im baden-württembergischen Bissingen zu nehmen. Es seien Steine geflogen, ihr jüngerer Bruder Daniel an der Nase getroffen worden, erzählt Lydia, die Zweitälteste: "Und das hat dann geblutet." Die Mutter Hannelore ergänzt: "Die Kinder wurden immer stiller." Und auch die Schulbücher gefielen den strenggläubigen Eltern nicht: Christliche Werte, erklären sie, hätten dort keine Rolle mehr gespielt.

So beschlossen die Romeikes, ihre fünf Kinder zu Hause zu unterrichten. Doch Heimunterricht ist in Deutschland verboten – anders als in den meisten anderen Ländern der Europäischen Union. Zweimal stand deswegen die Polizei vor der Tür, um die Kinder zur Schule zu bringen. Die Angst vor hohen Geldbußen, Gefängnisstrafen oder der Entziehung des Sorgerechts wuchs. Die Romeikes sahen sich nach einer anderen Heimat um – und fanden sie im kleinen Industriestädtchen Morristown im US-Bundesstaat Tennessee. Mit nur ein paar Koffern kamen sie dort im August 2008 an.

Richter: Deutschland verletzt ein Menschenrecht

Uwe Romeike unterrichtet Sohn Daniel (Foto: DW / Christina Bergmann)
Die Romeikes teilen sich den Unterricht ihrer fünf Kinder. Uwe Romeike ist für die "Großen" zuständig - hier im Bild Sohn DanielBild: Christina Bergmann

Unterstützt von der Home School Legal Defense Association (HSLDA) beantragten sie politisches Asyl. Wer in seiner Heimat wegen seiner Rasse, Religion oder Nationalität verfolgt wird, kann in den USA einen solchen Antrag stellen. Jetzt, eineinhalb Jahre später, wurde dem Antrag stattgegeben.

Richter Lawrence O. Burman, in Memphis zuständig für Einwanderungsfragen, erklärte nach Angaben der HSLDA und des Anwalts der Familie, Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, seien eine soziale Gemeinschaft und "die deutsche Regierung versucht, sie zu unterdrücken". Das Recht, um das es hier gehe, sei ein "fundamentales Menschenrecht, und kein Staat dürfe es verletzen". Er habe weiter gesagt: "Diese Familie hat begründete Angst vor Verfolgung." Deswegen gebe er dem Asylantrag statt. William Humble, der Anwalt der Familie, bestätigte, dass Richter Burman in seinem Urteil außerdem gesagt habe, dass Deutschland zwar ein demokratisches Land und ein Verbündeter sei, die Verfolgung von "Homeschoolern" aber "zutiefst beleidigend ist gegenüber allem, was wir als Amerikaner glauben."

Urteil als Präzedenzfall

Hannelore Romeike unterrichtet die Jüngsten, Christian und Damaris (Foto: DW / Christina Bergmann)
Hannelore Romeike unterrichtet die Jüngsten, Christian und DamarisBild: Christina Bergmann

Mike Donnelly, Jurist der HSLDA, erklärte nach dem Urteil: "Diese Entscheidung ist beschämend für Deutschland, denn eine westliche Nation sollte die Menschenrechte schützen. Und dazu gehört das Recht von Eltern, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten." Die Organisation hofft nun, dass die deutschen Behörden reagieren und auf die Durchsetzung der Schulpflicht in Deutschland verzichten.

Mit dieser Entscheidung können die Romeikes sich eine neue Existenz in der neuen Heimat aufbauen. Vater Uwe Romeike, Pianist und Klavierlehrer, hatte die Flucht in die USA dem europäischen Ausland vorgezogen, weil er hofft, dass er hier mit seinem Beruf besser seine Familie ernähren kann.

In den USA ist "Homeschooling" keine Seltenheit. Im Jahr 2007 wurden nach einer Untersuchung des US-Bildungsministeriums 1,5 Millionen Kinder zu Hause unterrichtet. Die befragten Eltern haben vor allem drei Gründe genannt, warum sie ihre Kinder nicht auf öffentliche Schulen schicken: Sie wollen sie nicht dem schlechten Schulklima aussetzen, sie wollen ihnen ihre eigenen religiösen und moralischen Werte weitergeben, und sie sind mit der Leistungsvermittlung der Schulen unzufrieden.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Ursula Kissel