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Aussteiger-Programm für Taliban-Kämpfer?

24. Januar 2010

Wenige Tage vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London hat die Bundesregierung angekündigt, im Umgang mit den Taliban neue Wege beschreiten zu wollen. Für die Kämpfer soll es ein Aussteiger-Programm geben.

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Zwei bewaffnete und vermummte Taliban-Kämpfer (Archiv-Foto: AP)
Können Taliban-Kämpfer mit Geld zum Ausstieg bewegt werden?Bild: AP

Dieses Programm wird nach Angaben von Außenminister Guido Westerwelle auf der Afghanistan-Konferenz am kommenden Donnerstag beschlossen. Bei dem Treffen in London werde ein Fonds geschaffen, der den wirtschaftlichen Aufbau und die Reintegration von Mitläufern unterstützen soll, sagte Westerwelle am Sonntag (24.01.2010) in der ARD.

Zuvor hatte der FDP-Politiker in der "Bild am Sonntag" bereits ein Aussteiger-Programm für geläuterte Taliban angekündigt. Es gebe viele Mitläufer, die sich nicht aus fanatischer Überzeugung, sondern aus wirtschaftlichen Gründen den Taliban angeschlossen hätten, so Westerwelle. "Wir wollen diesen Menschen eine wirtschaftliche und soziale Perspektive für sich und ihre Familien bieten." Daher werde es in London einen völlig neuen Ansatz zur Wiedereingliederung von Aufständischen in die Gesellschaft geben

Neue Strategie für Afghanistan

Minister Westerwelle bei seinem Besuch in Kabul bei Präsident Hamid Karsai am 19.11.2009 (Foto: AP)
Westerwelle unterstützt die Pläne von Afghanistans Präsident Karsai im Umgang mit den TalibanBild: AP

Der FDP-Politiker unterstützt damit einen Plan des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, Taliban mit materiellen Anreizen zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes zu bewegen. Karsai hatte der BBC am Freitag erklärt, er wolle Taliban-Kämpfern anbieten, ihnen Geld zu geben und sie umzusiedeln, wenn sie dafür den bewaffneten Kampf aufgeben. Diese Gelder wolle er mit Hilfe des Auslands bereitstellen.

Kritik: Programm darf nicht wie eine Belohnung aussehen

Auch der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel sprach sich für ein solches Ausstiegsprogramm aus. Es sei wichtig, "dass denjenigen Kämpfern, die bereit sind, der Gewalt abzuschwören und sich wieder auf den Boden der Verfassung zu stellen, eine Perspektive geboten wird", sagte der FDP-Politiker dem "Focus". Die Afghanistan-Konferenz solle speziell für diesen Zweck einen Sonderfonds auflegen.

Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, warnte davor, dass ein solches Programm nicht wie eine Belohnung der radikal-islamischen Kämpfer aussehen dürfe, wie das Magazin berichtete. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU) forderte, zunächst müssten sich die Taliban vom Terrornetzwerk El Kaida lossagen und die afghanische Verfassung akzeptieren.

Rauch hängt nach einem Anschlag der Taliban über Kabul, der Hauptstadt Afghanistans (Foto: AP)
Die Taliban sind für zahlreiche Anschläge in Afghanistan verantwortlichBild: AP

Parlamentswahl in Afghanistan wird auf September verschoben

Unterdessen wurde die Parlamentswahl in Afghanistan um vier Monate auf den 18. September verschoben. Die Wahlkommission begründete die Entscheidung am Sonntag mit Geldmangel sowie Sicherheitsbedenken und logistischen Problemen. Vor allem die USA hatten auf eine Verschiebung der ursprünglich für den 22. Mai geplanten Wahl gedrungen.

Die Vereinten Nationen in Kabul begrüßten die Entscheidung der Wahlkommission. Die Wahlen schon im Mai abzuhalten, wäre "äußerst schwierig" gewesen, erklärte der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Kai Eide. Der Aufschub ermögliche den Behörden, den Wahlprozess zu verbessern und die "Lektionen" aus der Präsidentenwahl von August 2009 zu lernen.

Deutschland will Polizeiausbildung in Afghanistan intensivieren

Ein deutscher Polizist spricht in Kabul mit afghanischen Polizeischülern (Foto: dpa)
Deutschland will die Ausbildung der afghanischen Polizei ausweitenBild: picture-alliance/ dpa

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) betonte mit Blick auf die Afghanistan-Konferenz in London, die Erwartungen für die Möglichkeiten in Afghanistan müssten realistisch bleiben. In dem Land eine Demokratie nach westlichem Muster zu installieren, werde nicht gelingen und müsse auch nicht gelingen, so de Maiziere im "Focus". Es genüge, wenn es dort die Grundstruktur einer staatlichen Ordnung gebe, die zumindest einen Kern der Grundrechte achte.

Der Innenminister kündigte an, die Bundesregierung werde in London unter anderem vorschlagen, die Ausbildung der afghanischen Polizei zu intensivieren. "Ich halte es für seriös, dass der Ausbau bis Ende 2012 zu schaffen ist", sagte de Maiziere.

Mehr deutsche Truppen in Afghanistan?

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte zuvor bereits angekündigt, Deutschland sei bereit, das deutsche Truppen-Kontingent in Afghanistan aufzustocken. Er wolle noch in den nächsten Tagen eine konkrete Zahl nennen. Eine solche Aufstockung stünde aber unter Vorbehalt der Ergebnisse der Konferenz in London, sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Er stellte zudem eine Änderung bei der Strategie der Bundeswehr in Afghanistan in Aussicht. Ein neuer Schwerpunkt des Einsatzes sei, dass die Soldaten beim Ausbilden afghanischer Sicherheitskräfte künftig mehr "Präsenz in der Fläche" zeigten. Von Alliierten war häufiger kritisiert worden, die Deutschen zögen sich zu sehr auf ihre Stützpunkte zurück und verlören dadurch den Kontakt zur afghanischen Bevölkerung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte in ihrer wöchentlichen Video-Ansprache, sie erwarte von der Afghanistan-Konferenz in London einen Gesamtansatz für das Land. Dieser müsse das Ziel haben, die Veranwortung Schritt für Schritt der afghanischen Regierung zu übergeben. Zu einer Aufstockung der deutschen Truppen äußerte Merkel sich nicht.

Autorin: Ursula Kissel (dpa, ap, rtr, afp)
Redaktion: Hajo Felten