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Eine Million Obdachlose in Haiti befürchtet

22. Januar 2010

Inmitten der Verzweiflung gibt es Hoffnung: Neun Tage nach dem Erdbeben erhalten die Opfer endlich Hilfe. Nach den Rettungsarbeiten stellen sich nun immer dringlicher die Probleme von Versorgung und Wiederaufbau.

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Zeltstadt in Port-au-Prince (Foto: AP)
Zeltstädte sollen Zehntausenden Unterschlupf bietenBild: AP

Ein erstes Schiff mit Hilfsgütern hat nach Angaben der Vereinten Nationen am Donnerstag (21.01.2010) den Hafen der Hauptstadt Port-au-Prince erreicht. Der Frachter habe 123 Tonnen mit dringend benötigter Fracht an Bord und sei sofort entladen worden. "Ein Teil des Hafens ist wieder nutzbar, was die Situation erheblich entlastet", sagte ein UN-Sprecher in New York. Das Rote Kreuz erklärte, Hilfe komme nun an.

150 Flüge täglich

Riss in einer Straße (Foto: AP)
Die Schäden an der Infrastruktur sind noch nicht abzusehenBild: AP

Nach UN-Angaben landen nun täglich 150 Flugzeuge in Port-au-Prince. Lufthansa Cargo und das Technisches Hilfswerk (THW) kündigten für Montag einen Sonderflug mit rund 75 Tonnen Hilfsgütern für Haiti an. Das Deutsche Rote Kreuz brachte zwei weitere Hilfsflüge mit einem mobilen Hospital auf den Weg nach Haiti. Dort nahm bereits eine DRK-Gesundheitsstation die Arbeit auf. Pro Tag können in der Station 250 Patienten behandelt werden.

US-Soldaten brachten schweres Räumgerät an Land. Am Strand wurden Lebensmittelpakete und Zelte an Einheimische verteilt. Etwa 12.000 US-Militärs befanden sich an Land oder auf Schiffen vor Haiti.

Weiter Chaos in der Hauptstadt

Halb eingestürztes Gebäude (Foto: AP)
Eine Million Menschen brauchen ein neues Dach über dem KopfBild: AP

In Port-au-Prince herrschte trotz der intensiven Bemühungen der Helfer aber weiter Chaos. Insbesondere die medizinische Hilfe gestaltet sich nach wie vor schwierig. Die Krankenhäuser sind völlig überfüllt. In den Parks, in denen Zeltlager für die Obdachlosen errichtet wurden und in denen Tausende aus Angst vor weiteren Nachbeben unter freiem Himmel schliefen, waren die hygienischen Verhältnisse kaum noch zu ertragen.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt, dass eine Million Menschen dringend Obdach benötigen. Die Regierung will außerhalb von Port-au-Prince Dörfer für etwa 400.000 Obdachlose errichten, die durch das Erdbeben vor eineinhalb Wochen ihre Wohnungen verloren haben. Innenminister Paul Antoine Bien-Aime kündigte am Donnerstag an, dass zunächst 100.000 Menschen auf Zeltlager verteilt werden sollten, in denen Platz für jeweils 10.000 Obdachlose sei.

"Wieder Kontrolle"

Gut eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben mit bis zu 200.000 Toten beginnen nach Ansicht von Präsident René Préval die Behörden zu funktionieren. "Es ist schwer, so zu arbeiten wie vorher, aber wir sind dabei, wieder die Kontrolle zu übernehmen", sagte Préval am Donnerstag. Die Hilfe laufe immer besser. Das Land beginne jedoch bereits wieder inmitten der Ruinen zu "funktionieren". Erste Tankstellen und Banken hätten wieder geöffnet.

Preval vor der UNO (2007) (Foto: AP)
Der Präsident sieht einen neuen AnfangBild: AP

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hält die Anfangsprobleme der Helfer für überwunden. "Die Phase des Rettens ist jetzt fast abgeschlossen, jetzt muss die Versorgung der Menschen und vor allem der Wiederaufbau in den Mittelpunkt rücken", sagte Ban. "Mittlerweile haben wir ein sehr effektives System aufgebaut, um Engpässe zu umgehen."

Der Generaldirektor der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO), Jacques Diouf, sagte in Rom, dass auch Haitis Landwirtschaft dringend Hilfe brauche. Im März beginne schon die Zeit, in der gepflanzt werden müsse. Haiti braucht jährlich eine Million Tonnen Getreide. Knapp zwei Drittel davon werden eingeführt.

Zehn Jahre Wiederaufbau

Die Hilfsorganisation Habitat for Humanity rechnet mit einem langwierigen Wiederaufbau des Landes. "Die Menschen müssen in einem Zeitrahmen von zehn Jahren denken", sagte der Leiter der Organisation, Jonathan Reckford, am Donnerstag in Washington. Reckford, der sich in Haiti ein Bild von der Lage gemacht hatte, sprach von "einer der schlimmsten Zerstörungen, die ich jemals gesehen habe".

Unterdessen wurden die Aufräumarbeiten wieder durch Nachbeben behindert: Zwei Erdstöße der Stärke 4,8 und 4,9 verbreiteten Panik. Am Mittwoch waren bei einem anderen Nachbeben der Stärke 6,1 erneut mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin werden noch drei Deutsche vermisst. Vermutlich starben drei Bundesbürger, von denen zwei noch identifiziert werden müssten.

Autor: Oliver Samson (rtr, dpa, afp)
Redaktion: Gerhard Friese