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Starkes Nachbeben erschüttert Haiti

16. Januar 2010

Die Hauptstadt Port-au-Prince ist von einem starken Nachbeben erschüttert worden. Die Rettungsarbeiten mussten kurzzeitig unterbrochen werden. Unterdessen wurde ein erstes deutsches Todesopfer gefunden.

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Haitianer auf den Straßen von Port-au-Prince (Foto: AP)
Haitianer auf den Straßen von Port-au-PrinceBild: AP

Das Nachbeben am Samstag (16.01.2010) hatte nach Angaben des Geologischen Dienstes der USA eine Stärke von 4,5. Es folgte vier Tage nach dem verheerenden Erdstoß der Stärke 7,0. Seit dem Beben am Dienstag hatten rund 30 Nachbeben die Einwohner des Karibikstaates immer wieder in neue Panik versetzt. Bei dem Beben kamen nach Angaben der haitianischen Regierung möglicherweise 140.000 Menschen ums Leben.

Nach Angaben von Außenminister Guido Westerwelle ist inzwischen auch ein erstes deutsches Todesopfer gefunden worden. Etwa 30 Deutsche würden noch vermisst, erklärte Westerwelle am Samstagabend in Berlin. Westerwelle und Entwicklungsminister Dirk Niebel gaben nach einer Sitzung des deutschen Krisenstabes bekannt, dass die Bundesregierung ihre Erdbebenhilfe für Haiti um sechs Millionen auf 7,5 Millionen Euro aufstockt.

UN vor größeren Problemen als beim Tsunami 2004

Das Jahrhundertbeben ist für die Vereinten Nationen die schlimmste Katastrophe ihrer Geschichte. "Was vor allem die logistischen Probleme angeht, sind wir noch nie mit einer solchen Lage konfrontiert worden", sagte Elisabeth Byrs, Sprecherin vom UN-Koordinationsbüro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA), am Samstag in Genf. "Wir erfahren keinerlei Unterstützung - vor allem nicht von staatlicher Seite", sagte Byrs. Dies stelle die Hilfsorganisationen vor nie zuvor gekannte Probleme.

Selbst beim Tsunami Ende 2004 in Asien mit mehr als 230.000 Toten habe man wenigstens die logistischen Probleme so nicht gehabt, sagte die Sprecherin. "Wir können auf keine staatliche Infrastruktur zurückgreifen und fangen praktisch bei Null an." Laut OCHA sind 26 Such- und Rettungsteams auf Haiti tätig. Die Identifizierung der Opfer bleibe ein großes Problem, berichtete die Organisation.

Ex-US-Präsidenten sammeln Spenden

Bill Clinton (l.), Barack Obama (M.) und George W. Bush (r.) (Foto: AP)
Bill Clinton und George W. Bush haben von Barack Obama die Leitung der "Clinton-Bush-Stiftung für Haiti" übernommenBild: AP

Die USA haben nach den Worten ihres Präsidenten Barack Obama eine der "größten Hilfsaktionen" ihrer Geschichte für das Katastrophengebiet in Haiti gestartet. Die Verteilung von Hilfsgütern stelle eine "enorme Herausforderung" für die Rettungskräfte dar, sagte Obama am Samstag im Weißen Haus. Die Hilfeleistungen für den von einem schweren Erdbeben verwüsteten Karibikstaat müssten "Monate und Jahre" laufen.

Obama äußerte sich nach einem Gespräch mit seinen Amtsvorgängern George W. Bush und Bill Clinton, die er mit dem Eintreiben von Spenden für Haiti beauftragt hat. Clinton, der zugleich UN-Sonderbeauftragter für Haiti ist, und Bush junior hätten die Leitung der "Clinton-Bush-Stiftung für Haiti" angenommen, sagte Obama.

Deutsche Wissenschaftler helfen mit Satellitenkarten

Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützen die Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort mit aktuellen Satellitenbildern über den Zustand von Straßen und Gebäuden. Diese erste Lageeinschätzung unterstützt den Angaben zufolge Bergungsteams bei ihrer Arbeit, hilft aber auch bei der Suche nach geeigneten Plätzen zur Installation von Wasseraufbereitungsanlagen oder mobilen Krankenhäusern.

"Bei dem Erdbeben auf Haiti handelt es sich um eine sehr komplexe Situation mit einem extrem hohen Schaden und sehr vielen betroffenen Menschen", sagte DLR-Wissenschaftler Tobias Schneiderhan, der die Arbeit des Zentrums koordiniert. Um den nationalen und internationalen Hilfsorganisationen einen Überblick über die zerstörte Infrastruktur zu geben, haben in den vergangenen Tagen rund 25 DLR-Wissenschaftler im Mehr-Schicht-Betrieb an der Sammlung, Verarbeitung und Analyse von Radar- und optischen Daten gearbeitet.

Menschen mit Kindern und dem wenigen, was ihnen geblieben ist, unterwegs auf den Straßen (Foto: AP)
Die Menschen sind auf Straßen unterwegs, die nur noch zu Fuß passierbar sindBild: picture alliance / landov

"Wir müssen möglichst schnell möglichst hoch aufgelöste Rohdaten prozessieren und als allgemein verständliches Kartenmaterial zur Verfügung stellen, damit die Helfer im Katastrophengebiet wissen, wo überhaupt noch Straßen befahrbar sind, wo Häuser stehen, wo Freiflächen wie etwa große Parkplätze oder Stadien sind, die beispielsweise für Soforthilfe-Einrichtungen genutzt werden können", so Schneiderhan.

Flucht aus der Hauptstadt

Zehntausende Menschen sind auf der Straße oder in Lagern untergebracht. Allein auf dem Platz Champ de Mars in der Hauptstadt Port-au-Prince seien rund 50.000 Menschen unter freiem Himmel, die ihr Obdach verloren haben, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mit. Notunterkünfte seien auf "jedem freien Zentimeter" in der Stadt eingerichtet worden, erklärte IKRK-Sprecher Simon Schorno weiter.

Insgesamt gebe es rund 40 Sammelpunkte, an denen sich Einwohner zusammengefunden hätten. Viele versuchten demnach auch, die zerstörte Hauptstadt mit Bussen zu verlassen, um bei Angehörigen auf dem Land unterzukommen. "In allen Vierteln ist Zerstörung", erklärte Schorno. Es gebe weder Zelte noch Plastikplanen, Kochstellen oder Toiletten.

Autorin: Julia Elvers-Guyot (dpa, afp, apn)
Redaktion: Herbert Peckmann