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Karl Marx lebt

25. Januar 2010

Vor mehr als 140 Jahren hat Marx wohl das ultimative Buch zur Krise geschrieben: "Das Kapital". Die Auflage seines Hauptwerkes schnellte im vergangenen Jahr in die Höhe und ist jetzt sogar als Hörbuch erschienen.

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Farbige Zeichnung von Karl Marx (Foto: picture-alliance / maxppp)
Bild: picture-alliance/maxppp

"Marx ist wahrscheinlich weltweit gesehen der gesellschaftstheoretische Klassiker, der im Augenblick am meisten gelesen wird", sagt der Soziologe Heinz Bude. Die Marx-Renaissance hat jetzt sogar auf den Hörbuchmarkt übergegriffen. "Das Kapital. Erster Band" kann man sich nun vorlesen lassen. In einer stark gekürzten Fassung zwar, aber immerhin: Das Hörbuch enthält sechs CDs mit insgesamt über sieben Stunden Laufzeit.

"Das Kapital" als Hörbuch

Das berühmteste Buch von Karl Marx gehört zu den schwer verständlichen Werken der Wirtschaftstheorie des 19. Jahrhunderts. Wie kommt man dazu, so ein sperriges Werk als Hörbuch herauszubringen? Verlegerin Margit Osterwold erzählt, dass die Finanzkrise den Anstoß gab: "Karl Marx war in aller Munde, nicht nur in den Wirtschaftszeitungen, sondern auch im Bekanntenkreis." Margit Osterwold wollte eine Bildungslücke schließen. Sie jedenfalls hatte die Werke von Karl Marx und seinem Mitstreiter Friedrich Engels bislang nicht gelesen. "Da ich kein Ökonom bin, sondern nur ganz normale Verlegerin, hat mich das eigentlich nie interessiert", sagt sie.

Der Säulenheilige der 68er

Die Wachsfigur von Karl Marx neben einer Ausgabe von 'Das Kapital' (Foto: dpa/AP, Montage: DW)
"Heiliger in Wachs"Bild: picture-alliance / dpa / AP / Montage DW

Dabei gehört Margit Osterwold mit ihren 65 Jahren zu der so genannten 68er-Generation, von der man immer glaubte, dass die berühmten Blauen Bände der Marx-Engels-Werke, kurz MEW genannt, für sie zur Pflichtlektüre gehörten. Das hält die Hörbuch-Verlegerin jedoch für einen Mythos: "Die 68er haben den auch alle nicht gelesen, habe ich inzwischen erfahren." Trotzdem besaßen die Blauen Bände damals Kultstatus und schmückten bis in die 80er-Jahre die Regale in jeder zünftigen Studenten-WG. Gleichwohl: Das Hörbuch enthält nur fünf Kapitel von insgesamt 25 des ersten Bandes von Karl Marx "Kapital" - und bietet somit nicht mehr als eine erste Annäherung an das sperrige Werk.

Vom Ladenhüter zum Bestseller

43 Bände umfasst die Blaue Marx-Engels-Werkausgabe, wobei das "Kapital" als das Hauptwerk gilt und allein drei Bände plus drei Ergänzungsbände füllt. Nur der erste Band ist zu Marx Lebzeiten erschienen, im Jahr 1867. Nach Marx Tod 1883 gab Friedrich Engels die weiteren Bände aus dem Nachlass heraus, der damals jedoch aus einem riesigen ungeordneten Wust an Manuskripten bestand. Momentan sitzt ein internationales Wissenschaftler-Team daran, das gesamte "Kapital" neu zusammenzusetzen. "Möglicherweise haben wir in zehn Jahren eine andere und lesbarere Fassung", sagt Verleger Jörn Schütrumpf vom Karl-Dietz-Verlag in Berlin, der die Blauen Bände herausgibt. Doch auch, wenn das Opus heute äußerst schwer verständlich ist: Die Auflage von Marx "Kapital" ist mit der Finanzkrise im Herbst 2008 emporgeschnellt: 4500 verkaufte Exemplare. Zum Vergleich: 2005 waren es gerade mal 750.

Theoretiker der Freiheit

Buchcover 'Marx. Ein toter Hund? Gesellschaftstheorie reloaded', Hrsg. Heinz Bude, Ralf M. Damitz, André Koch (VSA)

In jüngster Zeit haben sich in vielen Städten in Deutschland Marx-Lesekreise gebildet. Doch wenn eine junge Studentengeneration heute Karl Marx wiederentdeckt, ist das kein schaler Aufguss der Marxistenzirkel der 70er Jahre. Das hat der Soziologe Heinz Bude festgestellt, der an der Uni Kassel eine Tagung zur Marx-Renaissance geleitet und das Buch "Marx. Ein toter Hund?" herausgegeben hat. Bude liest Marx nicht mehr als Theoretiker des Sozialismus oder der Gleichheit. Diese Idee, sagt er, habe "eine große Verbrechensspur in der Menschheitsgeschichte hinterlassen". Heinz Bude sieht in Karl Marx einen Theoretiker der Freiheit, der uns heute vor allem eins zeigt: Man soll den aktuellen Zustand der Welt nie akzeptieren, sondern immer nach besseren Alternativen suchen.

Autorin: Christel Wester
Redaktion: Gabriela Schaaf

Hörbuch: Karl Marx: Das Kapital. Kritik der Politischen Ökonomie. Erster Band. Gelesen von Gert Heidenreich und Johannes Steck. 6 CD, Osterwold Audio, ISBN 978-3-86952-012-4

Heinz Bude (u. a. Hg.): Marx. Ein toter Hund? Gesellschaftstheorie reloaded. VSA Verlag, 240 Seiten, 19.80 Euro, ISBN 978-3-89965-377-9