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Flirten in Beirut

2. Januar 2010

Die libanesische Hauptstadt Beirut ist berühmt für ihre Cafès, Restaurants und Musikclubs. Einige dieser Discos sind weltweit bekannt. Aber auch in den konservativen Schiiten-Vierteln sprießen mittlerweile Flirt-Cafés.

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Bar in Beirut (Foto: AP)
In kaum einer Metropole im Nahen Osten gibt es ein so ausgeprägtes NachtlebenBild: AP

Mohamed, Joan und Jad haben es sich nebeneinander auf einer Bank bequem gemacht. Sie rauchen und fotografieren mit einer digitalen Kamera. Die jungen Libanesen kommen regelmäßig in den Musikclub B 018: "Ich komme wegen der Musik", sagt Joan. "Sie ist unvergesslich. Die schönsten Momente meines Lebens habe ich hier verbracht!"

Es ist ein Uhr morgens. Der Stadtteil Karantina ist ein Industriegebiet, der im Norden Beiruts liegt. Um diese Zeit ist er fast menschenleer. Das B 018 befindet sich unter einem asphaltierten Parkplatz, direkt an Stadtautobahn. Kein Schild weist auf den Musikclub hin. Wenn man nicht genau hinschaut, ist er leicht zu übersehen. Stahltreppen führen in den Untergrund. Nach und nach kommen Besucher runter. Einige stellen sich an die Bar oder setzen sich auf die Bänke.

Logo B 018 (Foto: Diana Hodali)
Das B 018 ist einer der bekanntesten Clubs der WeltBild: DW/D. Hodali

Das B 018 steht auf der Rangliste der weltbesten Bars ganz weit oben. Das Publikum ist gemischt: Einheimische, Diaspora-Libanesen oder Besucher aus dem Ausland. Der Eintritt ist mit 25.000 LL, ungefähr zehn Euro, für viele erschwinglich. Allen Gästen ist die Liebe zur Technomusik gemein.

"Nicht jedermanns Sache"

Gunther Sabbagh ist der Haupt-DJ im Musikclub. Er hat einige Jahre in der Schweiz und in Frankreich gelebt. Jetzt arbeitet er seit drei Jahren hier. "Wir machen hier underground music. Das ist nicht jedermanns Geschmack und nicht so leicht konsumierbar", sagt Sabbagh. Erst langsam höre man sich da rein. Die Engländer nennen das, was Sabbagh spielt intelligent music. Eine Mischung aus Techno, Progressive und Minimal. "Ein europäischer Sound, nicht amerikanisch, kein Hip Hop, nur wenig Gesang. Jeder kann bis zu fünf Stunden darauf tanzen, wenn er mag."

Für Gunther Sabbagh ist das B 018 eine Institution. Als Jugendlicher zählte er bereits zu den regelmäßigen Besuchern. Es beeinflusste seinen Musikgeschmack entscheidend. Damals gehörte der Club zu den ersten, die im Nahen Osten elektronische Musik spielten. Anfang der 90er Jahre lag der Club in Sinn El Fil, einem anderen Beiruter Stadtteil. 1998 mit dem Umzug nach Karantina und der Einweihung des neuen Domizils begann die internationale Karriere des Clubs.

Pop im Hisbollah-Viertel

Eine ganz andere Musik läuft im "Il Ponte": Lieder der populären libanesischen Sängerin Fairuz oder arabischer Pop. Das Lokal liegt in den südlichen Vororten Beiruts, an einer breiten zweispurigen Straße mit dem Namen Boulevard Hadi Nasrallah. Als es vor vier Jahren eröffnet wurde, war es eine kleine Sensation in diesem Teil der libanesischen Hauptstadt, der von der "Partei Gottes" kontrolliert wird. Modern eingerichtete Cafés, wo sich junge Männer und Frauen in ungezwungener Atmosphäre treffen können, gab es hier zuvor nicht, ganz zu schweigen von Discos oder Bars.

Schnell hat das Café zahlreiche Nachahmer gefunden. Im "Il Ponte" kann man Espresso, Latte Macchiato, Säfte oder alkoholfreies Bier trinken. Auch Wasserpfeife und kostenloser Internetanschluss stehen im Angebot. Die Preise liegen etwas niedriger als in anderen Vierteln. Im oberen Stockwerk hat man einen Blick auf die Autobahnbrücke. In einer Ecke des Raumes sitzt eine Gruppe von Studenten. Einige Frauen tragen Kopftuch, andere nicht. Die Wasserpfeife wandert in der Runde herum.

Bar in Beirut (Foto: AP)
Auch in konservativen schiitischen Vierteln gibt es heute In-CafésBild: AP

Der 20-jährige Ahmad al-Hassan kommt regelmäßig ins "Il Ponte": "Ich treffe mich hier mit Freunden, wir amüsieren uns und rauchen Wasserpfeife." Er kommt meist nach der Uni hier vorbei. "So habe ich Abwechslung von meinem Studium und der Atmosphäre zuhause."

Unbeobachtet von den Eltern

Das Viertel, in dem Ahmad al-Hassan und seine Freunde leben, ist dichtbevölkert und mehrheitlich von Schiiten bewohnt. Viele Menschen leben in bescheidenen Verhältnissen.

Für die Jugend dieser Stadtteile sind die Cafés rund um den breiten Boulevard ein willkommener Rückzugsort. Unbeobachtet von den Eltern treffen sie sich mit ihrer Clique und knüpfen Kontakte zum anderen Geschlecht.

Aber in den Cafés gelten auch klare Regeln, erzählt Nassar Nassar, Angstellter beim "Il Ponte": "Wir bekommen keine Probleme, wenn wir die Grenzen nicht überschreiten. Dass sich hier Männer und Frauen treffen, stört niemanden. Sehr wichtig ist allerdings, dass wir keinen Alkohol ausschenken." Ein paar Straßen weiter liegen schließlich der Mujama, der Hauptveranstaltungssaal der Hisbollah und die große Moschee. Deshalb gilt in diesem Vorort ein – inoffizielles – Alkoholverbot. "Es ist nicht so, dass es ein Gesetz von der Hisbollah gibt. Aber die Menschen befolgen die Religion und würden das nicht akzeptieren."

Autorin: Mona Naggar
Redaktion: Manfred Götzke