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Mountaintop Mining

22. Dezember 2009

In West Virginia werden die Berge einfach weggesprengt, um die Kohle darunter fördern zu können. Umweltschützer machen dagegen mobil. Die Bergleute fürchten jetzt um ihre Arbeitsplätze.

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Die Blue Ridge Moutains in Virgina (Foto: ako)
Die Blue Ridge Moutains in VirginaBild: Anna Kuhn-Osius

Die Polizei von West Virginia hat den großen Parkplatz eines Einkaufszentrums in der Hauptstadt Charleston leer geräumt. Mehrere hundert Menschen sind zusammengekommen, um gegen eine besonders rücksichtslose Form des Steinkohleabbaus zu demonstrieren. Auf einer provisorischen Bühne ergreift Bo Webb, der Organisator der Veranstaltung, das Wort: "Wir wollen einen Berg retten. Wir wollen, dass die Sprengungen heute aufhören", ruft er.

Umweltzerstörung für Profit

Gipfelbergbau (Foto: DW)
Der Berg wird ausgebeutet, danach wächst nur noch etwas GrasBild: DW/ Miodrag Soric

Die Demonstranten lehnen das so genannte Mountaintop Mining ab - zu Deutsch: Gipfelbergbau. Dabei werden zunächst die Kuppe und dann andere Teile des Berges weggesprengt, so lange, bis die Kohle im Tagebau abgetragen werden kann. Wenn der Berg all seine Schätze hergegeben hat, schieben riesige Bagger den übrig gebliebenen Schutt, Reste von Bäumen und die Felsen zusammen. Ein neuer Berg entsteht, der aber nicht mit dem alten zu vergleichen ist.

Denn dort, wo die Berge weggesprengt wurden, ist die Erde für Jahrhunderte vergiftet, sind Teile der Landschaft verwüstet. Bäume wachsen auf den abgetragenen Bergkuppen nicht mehr. Nur Gras überzieht wie ein braun-grüner Flaum den Bergrumpf. So verändern sich die vielbesungenen "Blue Ridge Mountains" in West Virginia, bekannt aus dem Volkslied "Country Road, take me home". "Das ist eine irrsinnige Form des Kohlebergbaus", kritisiert Bo Webb. "Und dabei geht es einfach nur um maximalen Profit für die Wall Street Bonzen. Das alles wird doch nur aus Gier gemacht!"

Umweltschützer machen mobil

Für die Industrie und die Banken, die sie finanzieren, ist der Abbau der hochwertigen Kohle in West Virginia hoch profitabel. Das macht den Kohlestrom vergleichsweise billig, übrigens nicht nur in West Virginia. Fast die Hälfte des Stroms in den USA wird durch das Verbrennen von Kohle erzeugt.

Gestört fühlt sich die Industrie durch die immer aktiver werdenden Umweltschützer. Sie machen mit Protestaktionen und Demonstrationen auf die Folgen des Moutaintop Mining aufmerksam. Auftrieb haben die Umweltschützer auch, weil sich ihnen ein bekannter Politiker angeschlossen hat: Robert F. Kennedy, Neffe des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy. "Was sie hier in West Virginia tun, ist kriminell", sagt er am Rande der Demonstration in Charleston. "Wir haben doch bessere Möglichkeiten, Energie zu gewinnen. Sie aber vergiften unser Land, zerstören die Wirtschaft, untergraben unsere Demokratie. Sie sind gegen alles, wofür Amerika steht."

Gegendemonstration

Demonstrierende Arbeiter (Foto: AP)
Weltweit fürchten Bergleute um ihre Arbeitsplätze (Archivbild)Bild: AP

Fehlenden Patriotismus will sich die Kohleindustrie nicht vorwerfen lassen. Sie hat Hunderte von Bergleuten zu einer Gegendemonstration herangekarrt und ihnen kleine amerikanische Flaggen in die Hand gedrückt. Am anderen Ende des Parkplatzes verspotten sie lautstark die Umweltschützer als "Baumliebhaber" und "Naturanbeter". Die Polizei stellt sich zwischen die beiden Parteien. Die Stimmung ist gereizt. "Wir werden von den Umweltschützern angegriffen", schimpft Bergmann Kevin Deaton. "Sie sind gegen den Gipfelbergbau, und wir dafür."

Alte Tradition

Nach der Demonstration macht sich Bergmann Kevin Deaton auf den Heimweg. Mit Frau, zwei Kindern und einem Wachhund lebt er in einem kleinen Haus mit Garten im Grünen. An der Wand im Wohnzimmer hängen Familienfotos. "Mein Vater ist Bergarbeiter, mein Großvater und mein Urgroßvater waren es auch. Wenn Sie aus dieser Gegend kommen, dann lebt man eben davon", erzählt Kevin.

Er fürchtet um seinen Arbeitsplatz, sollten sich die Umweltschützer durchsetzen. "Wenn die Umweltschützer das Gefühl haben, dass der Gipfelbergbau schlecht ist, dann ist das Ihre Meinung. Doch wenn sie dadurch den Lebensunterhalt von Menschen gefährden, wenn sie beeinflussen, was sie essen und wie sie ihre Rechungen bezahlen, dann gehen die Naturfreaks einen Schritt zu weit."

McDonalds oder Kohle

McDonalds-Logo (Foto: dpa)
Vielen bleibt als Jobalternative nur ein Fastfood-RestaurantBild: picture-alliance/ dpa

Umweltschützer Bo Webb kann die Furcht der Bergarbeiter, ihre Jobs zu verlieren, gut verstehen. "Es gibt halt keine anderen Jobs hier im Süden von West Virginia", sagt er. "Entweder arbeitest Du für die Kohleindustrie oder für McDonalds. Es wird Zeit, dass wir neue, gut bezahlte Jobs hierher bekommen, keine Kohlejobs mehr."

In West Virginia gehören die Arbeitsplätze im Kohlebergbau zu den besser bezahlten. Die Industrie investiert kaum in alternative Energien. Doch jetzt ist sie verunsichert: Zum ersten Mal hat die amerikanische Umweltbehörde einer bereits erteilten Abbaugenehmigung rückwirkend die Zustimmung entzogen. Sie tat dies vor allem aus ökologischen Gründen. Diese Entscheidung macht den Umweltschützern in West Virginia Mut. Schon planen sie die nächste Veranstaltung, diesmal in Washington.

Autor: Miodrag Soric
Redaktion: Anna Kuhn-Osius