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Märchen in der Mailbox: Hoaxes

Wibke Bergemann

Wer einmal erkannt hat, dass man per E-Mail mit Menschen überall auf der Welt elektronische Post schnell und dazu auch noch preiswert austauschen kann, wird darauf nicht mehr verzichten wollen.

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Weltumspannend - Internet & E-Mail

Wie fast überall gibt es auch hier eine Schattenseite: So häufig wie der gute alte Briefkasten an der Haustür mit diversen Postwurfsendungen und Werbeprospekten verstopft wird, landen inzwischen auch im E-Mail-Posteingang des PC immer mehr Botschaften mit unbekanntem Absender. Auf den ersten Blick enthalten sie sogar "wichtige Mitteilungen". Da findet man nicht nur Warnungen vor angeblich neuen Computerviren oder zweifelhaften Werbebotschaften. Da wird auch an das Gewissen appelliert, um Hilfe und Unterstützung für notleidende Menschen gebeten, ja sogar Reichtum wird versprochen. In der Regel handelt es sich um so genannten Kettenbriefe. Um so erstaunlicher, dass viele Menschen den Absendern Glauben schenken und die E-Mails wie gewünscht an Freunde, Bekannte und Kollegen weiterleiten. Nicht ohne Folgen:

"Geldmach! Wundergeld!" - "Eine mitleiderregende Mail, jemand ist Blutkrebs erkrankt und sucht Spender." - "Oder Weisheiten vom Dalai Lama. Wenn man die Regeln befolgt und weiterleitet, dann wird man erleuchtet."

Frank Ziemann kann darüber nur den Kopf schütteln. Der Datensicherheits-Fachmann sorgt dafür, dass die Hoax-Liste auf den Internetseiten der Technischen Universität in Berlin immer auf dem neuesten Stand ist. Täglich werden ihm 50 bis 100 neue Falschmeldungen zugeschickt, die per E-mail im Internet kursieren.

"Meinen ersten Hoax bekam ich 1997 etwa. Da wurde vor einem Virus gewarnt, die klassische Hoax-Variante. Und dieses Virus sollte nun angeblich die Hardware beschädigen, das Modem durchbrennen und den Prozessor in eine unendliche Schleife versetzen, damit er auch irgendwann durchbrennt. So viel wusste ich allemal, dass das nicht sein konnte."

Ziemann schätzt, dass 99 Prozent aller Viruswarnungen gefälscht sind. Und selbst die ernst gemeinten Warnungen sind mit Vorsicht zu genießen. Denn manche Viren sind so programmiert, dass sie sich ständig neue Dateinamen oder Betreffs geben, die sie von den bereits infizierten Computern herunterziehen. Das heißt, die Viren sehen ständig anders aus, eine Warnung ist nutzlos.

Nicht nur Viruswarnungen kursieren im Internet - Märchen, Urbane Legenden und Verschwörungstheorien blühen hier. Und alles verbreitet sich einfacher, schneller und breiter als jemals zuvor. Welche Folgen das haben kann, zeigt der Fall von Julia Schmidt:

Anrufbeantworter: "Guten Tag, mein Name ist Julia Schmidt. Falls Sie wegen der Knochmark-Spender-Email anrufen, so muss ich Ihnen leider mitteilen, dass es sich um eine gemeine Falschmeldung handelt, mit der weder ich noch meine Firma etwas zu tun haben. Der Urheber ist nicht mehr aufzufinden. Bitte leiten Sie die Mail nicht weiter. Auf Wiederhören."

Julia Schmidt geht nicht mehr ans Telefon. In ganz Deutschland hat die Email die Runde gemacht, in der sie als eine vermeintliche Leukämie-Kranke einen Knochenmarkspender sucht. Die junge Frau hatte den Fehler gemacht, den Kettenbrief mit Briefkopf weiterzuleiten, also mit der vollen Anschrift, Telefon- und Faxnummer der Firma, in der sie arbeitet. Nach dem Stille-Post-Prinzip veränderte sich langsam der Text der Mail, bis Julia Schmidt am Ende als Absenderin des Spende-Aufrufs da stand. Monatelang wurde sie täglich mit Briefen, Anrufen und Faxen bombardiert. Jeder, der diesen Rundbrief in seiner Mailbox fand, wollte der armen Leukämie-Kranken helfen. Kettenbriefen, die an das Gute im Menschen appellieren, verbreiten sich besonders gut, meint Frank Ziemann.

"Ich werde ja hier Teil eines helfenden Netzwerkes. Ich kann ja was Gutes tun. Da ist ja der kleine Samariter in uns geweckt."

Ähnlich ist es bei den Unterschriftenlisten, die per Email kursieren. Dabei sind die so genannten E-Petitionen wertlos: Sie bestehen nur aus einer Liste von Namen, für die es keinen Beleg gibt. Ohne Adresse und ohne Unterschrift sind sie leicht zu fälschen. Organisationen wie Amnesty International warnen sogar vor solchen Unterschriftenlisten, da sie unter Umständen dem beabsichtigten guten Zweck schaden können.

"Das Ganze ist ein ziemlicher Hokuspokus. Wer das dann als Politiker ernst nimmt, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Insofern ist das ein ziemlich untaugliches Mittel."

Durch das Schneeball-Prinzip nimmt die Zahl der Hoax-Mails ständig zu. Ziemann spricht sogar davon, dass die Kettenbriefe inzwischen zu den eigentlichen Viren geworden sind: Denn sie richten erheblichen Schaden an, in dem sie Menschen verunsichern und Arbeitszeit binden.

Um sich vor Falschmeldungen zu schützen, sollte man bei Emails darauf achten, dass es immer ein Datum und einen eindeutigen Absender gibt. Falsche Virenwarnungen erkennt man außerdem oft daran, dass als Referenz große Computerfrmen angegeben werden, die jeder kennt. Und ganz allgemein, ist einfach bei jedem Kettenbrief, der weitergeleitet werden will, eine gesunde Portion Skepsis angebracht.