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Emotion als Konzept

30. November 2009

In diesen Tagen wird die Hilfsorganisation World Vision 30 Jahre alt. Den großen Erfolg bei Kinderpatenschaften hat der Verein auch wegen der sehr emotionalen Werbung. Doch das Konzept hat Kritiker.

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Zwei Kinder sitzen unter einem Moskitonetz und lachen (World Vision)
Große Emotionen: Kampagnenfoto von World VisionBild: World Vision/ Child Health Now

Urlaubsreisen werden mit Fotos von langen Sandstränden verkauft. Autos mit dem Geräusch eines bulligen Motors. Wie aber wirbt eine Hilfsorganisation um Spendengelder? Im Prinzip sehr ähnlich: Sie setzt auf Emotionen.

Dieser Eindruck entsteht bei den großen Hilfsorganisationen wie Unicef, Plan oder World Vision. "In Entwicklungsländern sterben jedes Jahr über acht Millionen Kinder noch vor ihrem sechsten Geburtstag", sagt eine tiefe Männerstimme im neuesen Werbespot von World Vision. "Werden Sie jetzt Pate." Der Film zeigt eine Frau mit ihrem kleinen Kind. Beide lächeln.

Die deutsche Sektion von World Vision wird in diesen Tagen 30 Jahre alt und ist eine der größten Spendenorganisationen in Deutschland: Allein in Asien engagiert sich der Verein in 18 Ländern, in Bangladesch etwa werden haben rund 10.000 Kinder Paten. Der Erfolg kommt auch durch die große Werbemaschinerie. Denn es sind auch Gefühle, mit denen man heute Spendengelder aquiriert.

Fernsehshow mit Patenkindern

Manchen kleinen Hilfsorganisationen sind die Werbemethoden aber zu viel des Guten. Peter Dietzel von "Netz Bangladesch" etwa, befürchtet, die Kinder würden von den großen Organisationen instrumentalisiert. So gibt es im Dezember im Fernsehen eine Spendengala von World Vision. Eingeladen sind "kleine Künstler aus allen Kontinenten."

Werbeplakat mit einem afrikanischen Kind von World Vision
Instrumentalisierung von Kindern? Anzeige aus der aktuellen Werbekampagne von World VisionBild: World Vision

World Vision verteidigt solche Aktionen. "Ohne Werbung würden unsere Einnahmen zurückgehen", sagt Silvia Holten, Sprecherin der Organisation. Rund fünf Millionen Euro gibt World Vision in Deutschland jährlich für Anzeigen aus, das sind etwa 6,5 Prozent des Gesamthaushaltes. Auch Burkhard Wilke vom Berliner Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) meint, dass es ohne Werbung nicht immer geht. Das Marketing müsse jedoch "seriös, ethisch akzeptabel sein und zu angemessenen Kosten durchgeführt werden." Das DZI attestierte World Vision diese Attribute und vergab ein Spendensiegel an die Organisation.

Über 150.000 deutsche Spender überweisen monatlich Geld für Patenkinder in Entwicklungsländern. 30 Euro sind es meistens, dafür erhalten die Paten Berichte und Briefe der Kinder. Für World Vision rechnet sich das Konzept. "Mit Patenschaften können wir die Spender langfristig binden. Sie bleiben in der Regel dabei, bis die Kinder volljährig sind", sagt Silvia Holten.

Verzicht auf katalogartige Werbung

Organisationen wie World Vision haben sich gewandelt. Längst haben sie auf ihre Kritiker reagiert. So werden die Kinder nicht mehr katalogähnlich auf den Webseiten angeboten. Laut World Vision kriegen Interessenten stattdessen zwei Vorschläge. "Entweder man engagiert sich dann oder man lässt es", sagt Holten. Aber natürlich sei man nicht davor gefeit, ein hübsches Kind besonders gerne unterstützen zu wollen.

Ein zweiter Kritikpunkt: Oft erreichten die Spendengelder nur das Patenkind. Das erzeugte Neid bei denen, die die keine persönlichen Spender hatten. Die Gelder der Paten werden heute breiter gestreut. Heute werden ganze Schulklassen und Dörfer betreut.

Ein afrikanisches Baby wird im Sudan geimpft. (World Vision)
Hilfe wird nun besser verteilt: Kinderimpfung im SudanBild: World Vision/ Philip Maher

Trotzdem: Kritik gibt es noch heute. Von der "TaskForce für effektive Prävention von Genitalverstümmelung" etwa. Hier kritisiert man, dass weiblichen Patenkinder zwar finanzielle Unterstützung erhielten, aber nicht ausreichend vor der Beschneidung geschützt seien. In vielen Projektländern von World Vision sind Beschneidungen an der Tagesordnung, in Äthiopien etwa sollen rund 80 Prozent aller Mädchen davon betroffen seien. Die Aktivisten fordern nun eine Garantie, dass keines der Mädchen beschnitten wird. Vorher dürfe es keinerlei Hilfsleistungen geben.

Beschneidung: Dialog statt Zwang

World Vision wehrt sich gegen diese Forderung. Das sei ein völlig falscher Ansatz. Man setze auf Dialog und nicht auf Zwang. So betreibt die Organisation mehrere Kampagnen gegen Genitalbeschneidung. Und auch Burkhard Wilke vom DZI meint: Man könne die Hilfsleistungen nicht immer gegeneinander abwägen. Es könne fatale Folgen haben, ein Dorf nicht mehr zu versorgen, um politische Forderungen durchzusetzen.

World Vision hat Erfolg. Zwar habe man durch die Wirtschaftskrise einen Rückgang um einen Prozent an neuen Partnerschaften zu verzeichnen, so Holten. Seit Jahren jedoch zeigen die Zahlen vor allem nach oben: Mehr Paten, mehr Spender, mehr Geld.

Was aber macht Kinderpatenschaften so erfolgreich? Ein anderer Werbespot von World Vision gibt darauf eine Antwort. "Wenn man älter wird, ärgert man sich nicht über das, was man getan hat, sondern über das, was man nicht getan hat" sagt dort eine Frauenstimme. Und dann: "Geben Sie Ihrem Leben eine zusätzliche Bedeutung, werden Sie als Pate Teil des Projekt Zukunft." Bei den Patenschaften geht es also nicht nur um die Kinder, es geht auch um die Spender selbst. Um das gute Gefühl einer bestimmten Person zu helfen. World Vision hat das erkannt.

Autor: Benjamin Hammer

Redaktion: Silke Ballweg